Über kein anderes Thema im Tango gibt es soviel nebulöses Geschwurbel wie beim Thema „Führen & Folgen“. Was habe ich da nicht schon alles für Unsinn gehört bzw. gelesen.
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Warum können nur die wenigsten Männer entspannt in guter Haltung tanzen? Bislang habe ich mich mit körperlichen Voraussetzungen, vor allem schlechter Haltung, und dem Gehen beschäftigt. Im Folgenden geht es darum, dass viele / die meisten (?) Männer motorisch-tänzerische Analphabeten sind und was sie dagegen machen können.

„Tango es caminar“. (Tango ist Gehen.)
„Bailar el tango es caminar como uno camina en la calle.“ (Tango tanzen heißt, so zu gehen, wie man auf der Straße geht.)
Warum können nur die wenigsten Männer so entspannt und locker tanzen, wie man auf der Straße geht bzw. noch besser spaziert oder flaniert? Oder genauer gesagt: Wie man früher spazierte bzw. flanierte. Heute rennen die meisten ja nur noch mit Geierhals und Rundrücken permanent aufs Handy glotzend durch die Gegend.

Die meisten TänzerInnen würden schneller lernen bzw. besser tanzen, wenn sie zu Hause an ihren allgemeinen körperlichen Grundlagen bzw. an ihrer Tango-Technik arbeiten würden. Elementare Grundlagen des Tanzens wie Gleichgewicht, Kraft und Beweglichkeit werden im normalen Unterricht so gut wie nie konsequent geübt. Und nur einmal in der Woche richtiges Gehen und Drehen zu üben, ist auch viel zu wenig.

Hängen dir die lätscherten Knister-Knack-Jaul-Schrammel Valses, die auf vielen Milongas gespielt werden, auch schon längst zu den Ohren raus? Hier sind vierzig Alternativen.

„Tango es compás.“ (Tango ist Rhythmus.)
Zumindest für Tango-AnfängerInnen bedeutet „Musikalität“ bzw. „musikalisch tanzen“ in erster Linie den Takt bzw. die betonten Zählzeiten zu erkennen und mit einfachen rhythmischen Variationen in Bewegung (vor allem Gehen) umzusetzen. Das „Vertanzen“ einer Melodie ist viel schwieriger und gelingt (falls überhaupt) nur TänzerInnen mit gutem bzw. trainiertem Gehör und viel Erfahrung. Man braucht sich nur auf Milongas bzw. Encuentros umzuschauen (bzw. entsprechende Videos anzuschauen), um mit Grausen zu sehen, dass viele Paare komplett neben der Musik sind und eher zufällig mal betonte Taktschläge treffen. Und das nicht etwa zu komplizierter Musik von Troilo, Pugliese oder gar Piazzolla, sondern zu (rhythmisch) simplen Tangos wie z.B. Cara Sucia. Nachdem im normalen Unterricht das Thema Rhythmus leider meistens komplett ignoriert wird, musst du selber aktiv werden, wenn du etwas ändern bzw. besser werden möchtest. Das ist aber gar nicht so schwer …

Immer wieder wird behauptet, man könne Tango nur „authentisch“ tanzen, wenn man die Texte kennen würde. Ich denke hingegen, dass es reicht, eine ungefähre Vorstellung davon zu haben, worum es in den meisten Tango-Texte zu haben. Eine genauere Kenntnis verdirbt einem oft genug die Stimmung bzw. den Tanz.

Ich habe ein Interview mit Jörg Buntenbach von Tango On Air geführt. Thema ist mein Artikel über Coverversionen.

Wenn ich „folge“ (also „Frau“ tanze) kann ich es nicht leiden, wenn mein Partner plötzlich stehenbleibt und nichts mehr macht. Oft schaut er / sie mich erwartungsvoll an und gelegentlich kommt noch ein aufmunterndes „Jetzt bist du dran“. Ich bin in solchen Situationen bockig und mache auch einfach nichts. Manchmal kommt irgendwann die erstaunte Frage: „Du willst wohl geführt werden, oder?“

Helge Schütt hat sein Verständnis von Tango-Musik visualisiert und ich denke, die große Mehrheit der TänzerInnen hätte das wohl so ähnlich gemacht.