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Über EdOlogie – Eine kleine Psychologie des Musikgeschmacks

War­um wol­len so vie­le Tän­ze­rIn­nen aus­schließ­lich zur bald 100 Jah­re alten Musik der „Epo­ca de Oro“ (EdO) der 1930er und 40er Jah­re tan­zen, wo es doch von den meis­ten Stü­cken moder­ne Ein­spie­lun­gen in her­vor­ra­gen­der Ton­qua­li­tät gibt? Immer wie­der wird mir die­se Fra­ge gestellt und bis heu­te habe ich kei­ne gute Ant­wort dar­auf. Auf der Suche nach Erklä­run­gen habe ich inter­es­san­te Anre­gun­gen in dem Buch Wut und Wer­tung – War­um wir über Geschmack strei­ten gefunden. 

Schönheit vs. Qualität

Man möch­te mei­nen, dass es beim Tan­zen in ers­ter Linie um „schö­ne“ Musik bzw. „schö­nen“ Klang geht. Neh­men wir als Bei­spiel „Feli­cia“, ein­mal von Osval­do Fre­se­do und vom Solo Tan­go Orques­tra. Auf die Fra­ge, wel­che Ver­si­on ein­fach nur „schö­ner“ ist, neh­men fast alle die moder­ne Ver­si­on. Noch nie hat jemand gesagt: „Mir gefällt die schlech­te Klang­qua­li­tät, das Rau­schen und Knis­tern und der jau­li­ge Sound – ich mag ein­fach kei­nen ’sau­be­ren‘ Klang wie bei moder­nen Aufnahmen.“

Wenn aber EdO­lo­gen, also Leu­te, die die EdO Musik zur Ideo­lo­gie erhe­ben und alle „moder­ne“ Musik ver­ach­ten, begrün­den, war­um sie aus­schließ­lich zu his­to­ri­scher Musik tan­zen wol­len, tun sie das merk­wür­di­ger­wei­se so gut wie nie mit dem eigent­li­chen ein­fachs­ten und nahe­lie­gends­ten Argu­ment: „Ich fin­de die­se Musik schön.“ An Stel­le von „Schön­heit“ wird fast immer mit der Qua­li­tät der Musik argu­men­tiert (alle Zita­te aus Kom­men­ta­ren der letz­ten Zeit): Die EdO Musik sei „ein­zig­ar­tig“, nur bei ihr gäbe es „genaue Into­na­ti­on der Instru­men­te und die unglaub­li­che Musi­ka­li­tät der alten Auf­nah­men“, „fei­ne Phra­sie­run­gen“ und „uner­reich­te Vir­tuo­si­tät“. Im Umkehr­schluss heißt das natür­lich, dass es in moder­nen Ein­spie­lun­gen kei­ne „genaue Into­na­ti­on“ gibt, die Musi­ker also schlicht­weg falsch spielen.

Schau­en wir uns mal die musi­ka­li­schen Bio­gra­fien des Solo Tan­go Orques­ta an. Die­se Musi­ker musi­zie­ren seit frü­hes­ter Kind­heit, haben in renom­mier­ten Aka­de­mien stu­diert, sind bei unzäh­li­gen Fes­ti­vals auf­ge­tre­ten und haben diver­se Prei­se bekom­men. Und da sol­len sie „nicht genau into­nie­ren“ und ihr Musi­zie­ren soll qua­li­ta­tiv min­der­wer­tig sein? Zum einen ist es schon mal lächer­lich und ver­mes­sen sich als Laie, der kei­ne Ahnung von Musik­theo­rie und ‑geschich­te bzw. Gehör­bil­dung hat, über­haupt der­ar­ti­ge Behaup­tun­gen anzu­ma­ßen. Zum zwei­ten ist es auf­grund der völ­lig unter­schied­li­chen Auf­nah­me­tech­ni­ken heu­te nahe­zu unmög­lich zu sagen, wie die Musik damals wirk­lich geklun­gen hat.

Ästhetische Intoleranz und Überlegenheit

Musik­ge­schmack hat eine in hohem Maße iden­ti­täts­stif­ten­de Funk­ti­on. Feh­len­de Sach­kom­pe­tenz wird des­halb oft mit einer aus­ge­präg­ten „ästhe­ti­sche Into­le­ranz“ kom­pen­siert. Da heißt es dann zum Bei­spiel, dass zeit­ge­nös­si­sche Orches­ter „ein­fach flach, fal­ten­los, glatt­ge­schlif­fen“ und „emo­tio­nal ziem­lich ste­ril“ klin­gen und seit 70 Jah­ren habe sich „nichts qua­li­ta­tiv Ver­gleich­ba­res“ mehr ent­wi­ckelt. Gera­de weil ihr Musik­ge­schmack per­ma­nent in Fra­ge gestellt wird („Wie kann man so ein Geschram­mel mögen?“), ste­hen EdO­lo­gen unter stän­di­gem Recht­fer­ti­gungs­druck und kön­nen sich nur durch Ableh­nung und Abwer­tung ande­rer Geschmacks­äu­ße­run­gen sel­ber auf­wer­ten. Sie pos­tu­lie­ren eine „ästhe­ti­sche Über­le­gen­heit“: Wer die EdO Musik nicht schätzt, ist musi­ka­lisch nicht gebil­det genug, um ihre Qua­li­tä­ten zu würdigen.

Selbstbetrug

Dass das Nar­ra­tiv des EdO Musik­ken­ners und ‑lieb­ha­bers für die meis­ten Tän­ze­rIn­nen ein gro­tes­ker Selbst­be­trug ist, erkennt man sofort, wenn man sich Vide­os von Milon­gas bzw. Encuen­tros anschaut. Man erwar­tet zwar nicht gleich die im Bereich der klas­si­schen Musik übli­che Ehr­furcht, aber doch zumin­dest Respekt vor der Musik. Genau das Gegen­teil ist jedoch oft der Fall: Die Musik ist völ­lig unwich­tig. Sehr oft wird erst­mal aus­gie­big gequatscht, bevor es irgend­wann mal los­geht (die letz­ten fan­gen im Video nach ca. 50 Sekun­den an zu tan­zen!). Es ist absurd, eine bestimm­te Musik einer­seits in den höchs­ten Tönen zu loben und sie gleich­zei­tig völ­lig zu igno­rie­ren. Und es sind ja nicht nur ein­zel­ne Igno­ran­ten, es quat­schen fast alle. Dabei sind bis zu 30 Sekun­den abso­lut üblich (bei einer Län­ge von 2:30 also rund einem Fünf­tel). Ange­sichts der vie­len Din­ge, die bei Milon­gas und Encuen­tros ver­bo­ten sind (sie­he zum Bei­spiel die­se Lis­te), wäre es ja ein Leich­tes einen wei­te­ren Punkt „No tal­king on the dance­f­lo­or“ hin­zu­fü­gen. Aber es ist eben bezeich­nend, dass es kei­ne ent­spre­chen­den Vor­schrif­ten gibt, wäh­rend fast alles Ande­re bis ins kleins­te Detail regu­liert wird. Die Musik wird nicht nur nicht respek­tiert und wert­ge­schätzt, sie spielt kei­ne Rol­le, ist bes­ten­falls eine Art Hintergrundrauschen.

Dass die Selbst­in­sze­nie­rung als EdO Musik­ken­ner rei­ne Fik­ti­on und Selbst­täu­schung ist, erkennt man dar­über­hin­aus auch an der Tat­sa­che, dass die meis­ten Paa­re sich kom­plett neben der Musik / dem Takt bewe­gen und eher zufäl­lig mal einen beton­ten Takt­schlag „tref­fen“. Es ist lächer­lich, wenn Leu­te, die behaup­ten „feins­te Phra­sie­run­gen“ her­aus­zu­hö­ren und zu gou­tie­ren, nicht mal den pri­mi­ti­ven Grund­schlag / „Puls“ von gewöhn­li­chen Tan­gos hören bzw. ihn nicht in Bewe­gung umset­zen können.

EdO­lo­gen anti­zi­pie­ren von sich aus oft den Vor­wurf, dass ihre Musik „lang­wei­lig und ein­tö­nig“ sei. Ver­stärkt wird die­ser Vor­wurf noch dadurch, dass es ja nur ein paar Hun­dert Stü­cke sind (die Zah­len bewe­gen sich zwi­schen 400 und ca. 1000), die in ermü­den­der Ein­tö­nig­keit wie­der und wie­der gespielt wer­den. Die­ser Tat­sa­che wird häu­fig ent­geg­net, dass die­se öden Wie­der­ho­lun­gen für Zuhö­rer natür­lich lang­wei­lig, aber für Tän­zer beson­ders reiz­voll sei­en, weil sie immer wie­der musi­ka­li­sche Raf­fi­nes­sen ent­de­cken wür­den, die sie „ver­tan­zen“ könn­ten. Wie­der wird sug­ge­riert, dass sich Tän­zer auf feins­te Details der Musik kon­zen­trie­ren könn­ten, wäh­rend in Wirk­lich­keit die Akus­tik oft schlecht ist, es lau­te Umge­bungs­ge­räu­sche gibt und Tän­zer in ers­ter Linie mit der Navi­ga­ti­on auf beeng­ter Tanz­flä­che beschäf­tigt sind.

Ästhetische Autoritäten

Der eige­ne Musik­ge­schmack wird zwar oft erbit­tert ver­tei­digt, er ist gleich­zei­tig aber auch sehr anfäl­lig für Sug­ges­ti­on bzw. Mani­pu­la­ti­on durch ästhe­thi­sche „Auto­ri­tä­ten“. Man hat zum Bei­spiel Test­teil­neh­mern zwei­mal das exakt sel­be klas­si­sche Musik­stück vor­ge­spielt. Beim ers­ten Mal sag­te man ihnen, es wür­de von einem dritt­ran­gi­gen Pro­vinz­or­ches­ter gespielt, beim zwei­ten Mal vom welt­be­rühm­ten Orches­ter X unter Lei­tung von Maes­tro Y. Prompt hör­ten die Teil­neh­mer beim ers­ten Mal fal­sche Töne, feh­len­den Takt etc., wäh­rend sie beim zwei­ten Mal die bril­li­an­te Inter­pre­ta­ti­on, die über­ra­gen­de Vir­tuo­si­tät etc. lob­ten. Eben­so könn­te man eine moder­ne Tan­go Ein­spie­lung neh­men und sie am Com­pu­ter mit Hil­fe von diver­sen Fil­tern zu einem typi­schen, ver­rausch­ten EdO Stück machen. Garan­tiert wür­den die selbst­er­nann­ten Ken­ner wie­der die „ein­zig­ar­ti­ge Qua­li­tät und Vir­tuo­si­tät“ loben und die „min­der­wer­ti­ge“ Ori­gi­nal­ver­si­on kri­ti­sie­ren. Was im Bereich der klas­si­schen Musik vor dem Kon­zert der Kon­zert­füh­rer und nach dem Kon­zert der Musik­kri­ti­ker in der Zei­tung ist, sind beim Tan­go aner­kann­te Fach­leu­te wie Micha­el Lavo­cah oder die „Tan­go Music Tuto­ri­als“ von Richard. Ein zunächst nichts­sa­gen­des und lang­wei­li­ges Stück wird durch ent­spre­chen­de Exper­ti­se „geadelt“, so dass man glaubt plötz­lich Din­ge zu hören, die man vor­her nicht gehört hat.

Gewöhnung, Peer Pressure und Biographie

Wenn es gar nicht die „Qua­li­tät“ ist, woher kommt die­se merk­wür­di­ge Fixie­rung auf die his­to­ri­schen Auf­nah­men? Der Haupt­grund ist m.E. schlicht und ein­fach Gewöh­nung, auf Neu-Deutsch der sog. „Mere-Expo­sure-Effekt“. Selbst wenn man anfangs einem Musik­stil ableh­nend oder neu­tral gegen­über­steht, gewöhnt man sich irgend­wann an ihn, wenn man ihm nur häu­fig genug „aus­ge­setzt“ ist. Es ist (zumin­dest in Mün­chen) prak­tisch unmög­lich Tan­go nicht zu EdO Musik zu ler­nen. Die meis­ten fin­den den Sound am Anfang befremd­lich und lang­wei­lig, gewöh­nen sich im Lauf der „musi­ka­li­schen Erzie­hung“ aber dar­an. Sie hören sowohl im Unter­richt als auch auf Milon­gas nie ande­re Musik, so dass sich im Gehirn die Glei­chung „Tan­go = anti­quier­te Musik“ festsetzt.

Außer­dem wirkt auch ein erheb­li­cher Grup­pen­druck: Man möch­te vor der „Peer Group“ der ande­ren Kurs­teil­neh­mer nicht als Banau­se daste­hen und ver­kneift sich des­halb jede Kri­tik an der Musik­aus­wahl. Im Lauf der Zeit und durch die Macht der Gewohn­heit sieht man sich immer mehr als Teil einer „Eli­te“ bzw. „In-Group“, die einen beson­ders „wert­vol­len“ musi­ka­li­schen Geschmack hat, den Außen­ste­hen­de nicht wür­di­gen kön­nen. Es ent­steht eine kol­lek­ti­ve „Geschmacks­iden­ti­tät“, die vor allem auf der ästhe­ti­schen Ver­ach­tung moder­ner Tan­go-Ein­spie­lun­gen basiert.

Ein wei­te­rer Grund ist, dass vor allem bei Leu­te, die schon län­ger tan­zen, die alte Musik eine „bio­gra­phi­sche“ Bedeu­tung bekom­men hat und dadurch ein Teil der Iden­ti­tät gewor­den ist. Man ver­bin­det mit der Musik schö­ne Erin­ne­run­gen an Milon­gas mit posi­ti­ve Erleb­nis­sen. Bekannt­lich wird nichts so erbit­tert ver­tei­digt wie die Musik der eige­nen Jugend, weil sie mit inten­si­ven Gefüh­len asso­zi­iert wird.

Ausblick

Man kann sich jedoch leicht vor­stel­len, wie schnell sich alles ändern könn­te. Es könn­te mit einem Arti­kel von Micha­el Lavo­cah begin­nen. Dar­in beschreibt er, dass er sich vie­le Jah­re aus­schließ­lich für die EdO Musik inter­es­siert hat. Vor kur­zem hat jedoch er jedoch das Solo Tan­go Orques­ta (oder ein ande­res zeit­ge­nös­si­sches Ensem­ble) live erlebt und war völ­lig begeis­tert. Es folgt das übli­che Lob­lied auf tech­ni­sche Bril­li­anz, uner­hör­te Musi­ka­li­tät und Vir­tuo­si­tät, groß­ar­ti­ge Inter­pre­ta­ti­on usw. Die­ser Arti­kel ver­brei­tet sich schnell in der Tan­go-Sze­ne und in der nächs­ten Aus­ga­be der Tan­go­dan­za wird dar­über berich­tet. Nach eini­ger Zeit sprin­gen auch EdO Gurus wie Cas­siel auf den Zug auf und dann geht alles ganz schnell. Über­all wol­len die Leu­te jetzt zu die­sen „wun­der­ba­ren neu­en Klän­gen“ tan­zen. Die Tanz­schu­len pas­sen sich an und nach­dem auf EdO Milon­gas immer häu­fi­ger Leu­te fra­gen, wann denn end­lich „rich­ti­ger“ Tan­go gespielt wird, ändert sich auch hier die Musik sehr bald. Nach weni­gen Jah­ren spot­tet man (wie in Argen­ti­ni­en in den 70er und 80er Jah­ren) über die anti­quier­te „Musik der Toten“, die frü­her gespielt wur­de und will nur noch zu schö­ner Musik tanzen:

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  1. Lie­ber Kollege,
    eine wirk­lich beacht­li­che Ana­ly­se! Ich habe mir erlaubt, den Text auf Face­book zu empfehlen.
    Bes­te Grüße!

  2. Lie­ber Jochen,
    Du erwähnst in Dei­nem Arti­kel mehr­fach Micha­el Lavo­cah. Trotz­dem habe ich den Ein­druck, dass Du Dich noch nie per­sön­lich mit ihm getrof­fen hast.
    Ich habe Micha­el als äußerst hilfs­be­rei­ten Men­schen ken­nen­ge­lernt, der sein phä­no­me­na­les Wis­sen über die tra­di­tio­nel­len Orches­ter ger­ne mit ande­ren Leu­ten teilt. Dabei benimmt er sich nicht wie ein all­wis­sen­der Guru, son­dern er sucht und genießt den fach­li­chen Dis­kurs. Weil er auf genau die­se Art auch sel­ber immer wei­ter dazulernt.
    Dar­um fol­gen­der Vor­schlag: War­um besprichst Du nicht dei­ne The­sen mit ihm und unter­brei­test ihm den Vor­schlag mit einem Arti­kel zum Solo Tan­go Orques­ta? Ich bin sehr gespannt auf sei­ne Reak­ti­on und es wäre wun­der­voll, wenn Du uns allen das Ergeb­nis Eurer Dis­kus­si­on mit­tei­len könntest.
    Lie­be Grüße,
    Helge

    • > Du erwähnst in Dei­nem Arti­kel mehr­fach Micha­el Lavocah.

      Ich erwäh­ne ihn genau ZWEImal. 

      > Trotz­dem habe ich den Ein­druck, dass Du Dich noch nie per­sön­lich mit ihm getrof­fen hast.

      Stimmt, wozu soll­te ich das auch tun? Ich habe sein Buch gele­sen, bzw. genau­er gesagt, ich habe es ange­fan­gen und nach ca. einem Drit­tel gelang­weilt weggelegt. 

      > War­um besprichst Du nicht […] Dis­kus­si­on mit­tei­len könntest.

      Ernst­haft? Ich soll ein­fach mal so auf eige­ne Kos­ten nach Eng­land rei­sen, um mit jemand zu „dis­ku­tie­ren“, des­sen Ansicht ich bereits ken­ne und nicht tei­le? Die „Dis­kus­si­on“ wäre sehr kurz: Wir wür­den fest­stel­len, dass wir einen unter­schied­li­chen Musik­ge­schmack haben. Dann erzählt er mir noch was von „fei­nen Phra­sie­run­gen“, „tech­ni­scher Bril­li­anz“ und „uner­reich­ter Vir­tuo­si­tät“ und das war’s dann.

      • Wer sagt denn, dass Du nach Eng­land rei­sen musst? Micha­el ist regel­mä­ßig in Deutsch­land. So war er zum Bei­spiel am 22. Okto­ber 2024 in Mün­chen, sie­he https://www.facebook.com/events/309393135580609/

        Aber gut: Ich ver­ste­he, dass Du lie­ber Mono­gra­fien im Inter­net ver­öf­fent­li­chen möch­test und an einem ech­ten fach­li­chen Dia­log nicht inter­es­siert bist. Sehr schade!

        • > Ich ver­ste­he, dass Du lie­ber Mono­gra­fien im Inter­net ver­öf­fent­li­chen möchtest

          Offen­bar weißt du nicht, was eine Mono­gra­fie ist. Sehr schade!

          „Als Mono­gra­fie […] bezeich­net man eine umfas­sen­de, in sich geschlos­se­ne schrift­li­che Abhand­lung über einen ein­zel­nen Gegen­stand, also ein ein­zel­nes Werk oder ein spe­zi­el­les Pro­blem. […] Die häu­figs­te Form der Mono­gra­fie ist in der Lite­ra­tur die Bio­gra­fie, die auch das Gesamt­werk bzw. die Bedeu­tung und all­ge­mei­ne Bewer­tung eines Künst­lers, Schrift­stel­lers oder einer sons­ti­gen für die Öffent­lich­keit meist bedeu­ten­den Per­son behan­delt.“ (Wiki­pe­dia)

  3. Dan­ke für die­sen Arti­kel , dem ich wei­test­ge­hend zustim­men kann. Vor allem dem Absatz „Selbst­be­trug“ – die Respekt­lo­sig­keit, die ich auf eini­gen EdO-Milon­gas (nicht allen!) ggü. der Musik erle­be, ist oft schwer ent­spannt zu ertragen.
    Ein paar abwei­chen­de Gedan­ken mag ich trotz­dem kommentieren:
    1.) „Es ist (zumin­dest in Mün­chen) prak­tisch unmög­lich Tan­go nicht zu EdO Musik zu lernen.“
    In Darm­stadt ver­wen­den 3 von 5 Unterichts­an­ge­bo­te auch moder­ne Tan­gos für den Tango-Unterricht.
    2.) Ich selbst lege auch als Tan­go DJ auf (sowohl klass., als auch modern und auch non) und schät­ze _auch_ die klas­si­schen Auf­nah­men aus drei Gründen:
    a) Es gibt inzwi­schen schon vie­le „gerei­nig­te“ Ver­sio­nen, die ohne das Rau­schen und Knis­tern sind, die auch mir eini­ge klas­si­sche Stü­cke eher ver­lei­den, als sie attrak­tiv zu machen.
    b) Die klas­si­schen Orques­ter ent­fal­ten zum Teil auf­grund ihrer schie­ren Grö­ße eine Dyna­mik, die moder­ne Bands meis­tens nicht mit­brin­gen (kön­nen). Vor allem bei Troi­lo und Puglie­se, die für mich abso­lu­te musi­ka­li­sche Höhe­punk­te von Milon­gas sein kön­nen. Gegen­teil: Jede Auf­nah­me von „La Juan D’A­ri­en­zo“ die ich kenne.
    c) Von vie­len Stü­cke gibt es (mei­nes Wis­sens) eben dann doch noch kei­ne moder­ne Ver­si­on – wie z.B. von DiS­ar­li oder Pugliese
    3.) Was mir in dei­ner Anly­se fehlt, sind drei Aspekte:
    a) (Alters-) Kon­ser­va­ti­vis­mus: Natür­lich ist es beque­mer, wenn ich mich wei­ter zu bekann­ten Stü­cken bewe­gen kann. Dann fällt auch nicht so auf, dass ich gar nicht impro­vi­sie­re, son­dern aus­wen­dig tanze.
    b) Markt­macht: Mit der exklu­si­ven Mar­ke „EdO“ läßt sich zumin­dest der­zeit noch mehr Geld ver­die­nen, sodass auch ehe­mals jun­ge Wil­de (wie Chicho) inzwi­schen zu EdO zei­gen und unterrichten.
    c) Die Zuspit­zung des Kon­flik­tes zwi­schen EdO und Neo (von bei­den Sei­ten!), der dazu führt, dass moder­ne­re Tan­gos (vom spä­ten Puglie­se, Edu­ar­do Rovi­ra und Piaz­zolla über die vie­len Jazz-inspi­rier­ten Inter­pre­ta­tio­nen (z.B. José Colan­ge­lo, Pablo Aslan) bis hin zu aktu­el­len Tan­go-Kom­po­si­tio­nen (z.B. von Cachi­va­che, Bel­tan­go, Ban­do­Ne­gro)) prak­tisch auf fast kei­nen Milon­gas gespielt werden.
    Soweit ein paar Gedan­ken von mir dazu.

    • > Natür­lich ist es beque­mer […] son­dern aus­wen­dig tanze.

      Da das The­ma mei­nes Arti­kels der (EdO) Musik­ge­schmack ist, gehört die­ser Aspekt nicht hierin. 

      Was soll an „aus­wen­di­gem“ Tan­zen schlecht sein? Der Mann hat ein bestimm­tes Reper­toire an Schritten/Figuren (aus­wen­dig) gelernt und das tanzt er halt. Ich wäre ja schon froh, wenn über­haupt noch „getanzt“ und nicht nur an der Stel­le gedreht wer­den wür­de: https://jochenlueders.de/?p=17121

      Abge­se­hen davon dür­fen die Leu­te doch ger­ne wei­ter­hin zu „bekann­ten“ Stü­cken tan­zen, nur halt in klang­lich „schö­nen“ Versionen.

  4. Anja

    Lie­ber Jochen,
    lie­ber Helge,
    lie­be Tango-Community,

    zunächst ein­mal herz­li­chen Dank für den sehr inhalts­rei­chen Beitrag.

    > Ich mein­te Monologe

    Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­lich han­delt es sich bei einem Mono­log um ein Gespräch mit sich selbst, ins­be­son­de­re im Drama.

    Gewöhn­lich schrei­ben Blog­ger kei­ne Dia­lo­ge. Von einem Dia­log könn­te man allen­falls bei einem Inter­view spre­chen. Jochen führt den­noch kei­ne „Selbst­ge­sprä­che“, son­dern rich­tet sich an sei­ne Leser. Ein Dra­ma ver­mag ich auch nicht zu erken­nen. Zudem wäre die Kom­men­tar­funk­ti­on obso­let, wenn Jochen nicht an einem fach­li­chen Dis­kurs inter­es­siert wäre. Der Vor­wurf des Mono­logs ist folg­lich genau­so sinn­ent­leert, wie der der Monographie.

    Wenn ich mir Dei­ne Bei­trä­ge anschaue (wie z.B.
    https://helgestangoblog.blogspot.com/2024/07/wohin-fliet-die-energie.html)
    kann ich eben­falls lei­der beim bes­ten Wil­len kei­nen Dia­log erken­nen. Und
    wenn ich mir die Kom­men­tar-Dis­kus­si­on durch­le­se, sehe ich bei Dir
    kein Inter­es­se an einem ech­ten fach­li­chen Dia­log. Wirk­lich schade!

    Und sor­ry, wenn ich das so direkt schrei­be aber der Hin­weis auf die „Auto­ri­tät“ Micha­el Lavo­cah (der Name fällt bei dem Arti­kel erst beim „Aus­blick“ am Schluss), ist ein rei­nes Auto­ri­täts­ar­gu­ment, also ein rhe­to­ri­sches Mit­tel. Ich ken­ne ihn nicht und wer­de mir daher kein Urteil über ihn erlau­ben. Aber war­um soll­te jemand die Dis­kus­si­on mit ihm suchen (wobei ich kei­nes­falls behaup­ten möch­te, dass eine sol­che Dis­kus­si­on nicht inter­es­sant sein könn­te), wenn es um den Musik­ge­schmack „der Mas­sen“ geht? 

    Als Tan­go­ein­stei­ge­rin, die eigent­lich Musik­lieb­ha­be­rin ist, bin ich teil­wei­se erschüt­tert, wel­che Musik sich man­che Men­schen frei­wil­lig in ihrer Frei­zeit antun. Ich mag Tra­di­tio­nen (wobei man den Dis­co­fox auch nicht jahr­zehn­te­lang zu ein und den­sel­ben Stü­cken tan­zen muss) und ich mag klas­si­sche Musik, aber ich möch­te Musik füh­len (sowohl beim selbst Musi­zie­ren, Hören als auch beim Tan­zen) und das kann ich nur, wenn mich die Musik berührt.
    Das ist auch kei­ne Fra­ge des Alters. Ich glau­be nicht, dass mich die­se „Schram­mel­mu­sik“ in 20 oder 25 Jah­ren berüh­ren wird.

    Ich gehö­re offen­bar auch zu den Exo­ten, deren Musik­ge­schmack sich „einen Dreck“ um die jewei­li­ge Peer-Group oder einer „Pseu­do-Eli­te“ schert. Dafür bin ich in der Lage wäh­rend eines Kon­zerts NACH den Sät­zen oder auch zum Takt zu klat­schen, womit eini­ge „Musik­lieb­ha­ber“ schon gna­den­los über­for­dert sind.

    Und zum Abschluss noch eine kur­ze Anmer­kung zum Tan­go­tan­zen (man ver­zei­he mir den Exkurs, da es in dem Bei­trag um Musik geht):

    Als Tan­go-Neu­ling weiß ich es wirk­lich zu schät­zen, wenn mich ein ver­sier­ter Herr auf einer Prac­ti­ca auffordert.
    Aller­dings bin ich zum Teil ent­setzt, wie wenig der (geführte)Tanz mit der Musik zu tun hat. Als Anfän­ge­rin in der Rol­le der Fol­gen­den gera­te ich somit regel­mä­ßig in einen Kon­flikt, den ich nicht auf­zu­lö­sen ver­mag (even­tu­ell mit Ohro­pax in den Ohren, weil ich die Musik ein­fach nicht igno­rie­ren kann?) Viel­leicht wür­de es auch den lang­jäh­ri­gen Tän­zern leich­ter fal­len, auf moder­ne­re Stü­cke zu tanzen?

  5. Wolfgang Balzer

    „Schön“ nur auf die tech­ni­sche Qua­li­tät von Musik zu bezie­hen weist auf einen ziem­li­chen Man­gel an Wahr­neh­mungs­tie­fe hin. Ich wür­de das mal mit Licht ver­glei­chen. Wenn ich ein zeit­ge­nös­si­sche Stück höre, ist das wie kal­tes, har­tes Xenon- oder Leucht­stoff­röh­ren-Licht. Eine Edo-Auf­nah­me, bei allen tech­ni­schen Defi­zi­ten, wirkt dage­gen wie warm­wei­ßes, ange­neh­me Beleuch­tung. Mit ande­ren Wor­ten, es geht um die emo­tio­na­le Wahr­neh­mung. Ob das nun daher kommt, daß ein 20-Mann-Orches­ter ein­fach mehr Kom­ple­xi­tät hin­be­kommt als drei oder vier Musi­ker, ob die emo­tio­na­le Ener­gie beim Spie­len irgend­wie anders war und über die gan­ze Trans­fer­ket­te doch irgend­wie bei den Tän­zern ankommt, ob es am „Instru­ment“ mensch­li­che Stim­me liegt, oder was auch immer – letz­ten Endes egal. Es ist eine Ende-zu-Ende-Bewer­tung. Und ja, selbst­ver­ständ­lich vol­kom­men sub­jek­tiv. Daher ist es auch ziem­lich sinn­los, die­se Bewer­tung irgend­wie mit dem Auf­zäh­len von Plus-Argu­men­te für X oder Minus-Argu­men­te für Y her­bei­dis­ku­tie­ren zu wol­len, oder mit dem Unter­stel­len irgend­wel­cher Defi­zi­te. Tän­zer tref­fen Ent­schei­dun­gen, und wenn man die­se auf Basis irgend­ei­ner Theo­rie nicht ver­steht, taugt die Theo­rie nichts. Da hilft auch kei­ne Tänzerbeschimpfung.

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