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Rotstift, Notendruck und kluge Belehrungen – Nochmal Riedl und Tango-Unterricht

Ger­hard Riedl ärgert sich immer noch über einen Arti­kel, in dem ich sei­ne Ansich­ten zum Tan­go-Unter­richt kri­ti­sie­re und hat des­halb eine Replik geschrie­ben. Inhalt­lich gibt es nichts Neu­es, er gibt ja offen zu – und ist sogar noch stolz dar­auf – dass er seit Jah­ren immer wie­der das­sel­be schreibt. Ein paar Din­ge wol­len aber doch kom­men­tiert bzw. kor­ri­giert werden. 

Im Gegen­satz zu Riedl wie­der­ho­le ich mich ungern, des­halb ver­lin­ke ich ggf. auf frü­he­re Bei­trä­ge, in denen ich mich mit dem ent­spre­chen­den The­ma bereits ein­ge­hend beschäf­tigt habe. Damit du den Kon­text der fol­gen­den (z.T. gekürz­ten) Zita­te kennst, soll­test du als ers­tes sei­nen Bei­trag lesen. 

Fürch­tet man, im Aus­tausch von sach­li­chen Argu­men­ten den Zwei­ten zu machen? 

Wie weit es mit der „Sach­lich­keit“ her ist, sieht man schon am ers­ten Zitat: „Riedl hat offen­bar noch nie sel­ber unter­rich­tet […]“. Aus dem Zusam­men­hang ist natür­lich völ­lig klar, das ich TANGO mei­ne. Als Ant­wort kommt der Hin­weis, dass er „zir­ka 35 Jah­re Schul­un­ter­richt gege­ben“ und außer­dem viel Tan­go geübt habe. Wer Bio­lo­gie und Che­mie unter­rich­tet, hat natür­lich auch Ahnung von Bewe­gungs- und Tanz­un­ter­richt. Ach nee, wei­ter unten heißt es ja: „Tanz­un­ter­richt […] ist mit Schul­un­ter­richt […] nicht zu ver­glei­chen“. Zusam­men­fas­send kann man also sagen, dass Riedl auf­grund sei­nes lang­jäh­ri­gen Schul­un­ter­richts auch Ahnung von Tan­go-Unter­richt hat, weil Schul­un­ter­richt nichts mit Tanz­un­ter­richt zu tun hat. Bei die­sem intel­lek­tu­el­len Niveau braucht nie­mand Angst zu haben, „den Zwei­ten zu machen“. 

[…] wie­so eigent­lich kei­ne Grup­pen­kur­se, die er doch für grund­sätz­lich geeig­net hält?

Ganz ein­fach: Ein­zel­stun­den sind viel effek­ti­ver und machen vor allem mehr Spaß. Ich muss Gött­in­Sei­Dank nicht vom Tan­go leben und unter­rich­te nur zu mei­nem Vergnügen. 

Und ich glau­be wei­ter­hin, dass man den Ler­nen­den von Anfang an auch moder­ne sowie „schwie­ri­ge­re“ Tan­go­mu­sik anbie­ten sollte. 

Natür­lich kann / soll­te man bereits im Anfangs­un­ter­richt den Ler­nen­den eine Vor­stel­lung von der musi­ka­li­schen Band­brei­te des Tan­gos geben und ihnen mal Troi­lo, Puglie­se und ger­ne auch Piaz­zolla prä­sen­tie­ren. Aber zu behaup­ten, dass jemand der noch nicht mal zu El Once im Takt gehen kann, sich zu Escualo „bes­ser bewegt“, ist ein­fach absurd. Ganz toll geeig­net zum Üben ist natür­lich auch „Male­na“. Wie Riedl uns die­ses Stück musi­ka­lisch näher bringt, kann man hier bewun­dern. Über das Tan­zen zu „schwie­ri­ger“ Musik (vor allem Piaz­zolla) habe ich aus­führ­lich in die­sem Bei­trag geschrieben. 

Wor­über ich rich­tig sau­er bin, ist eine tota­le Ver­dre­hung mei­ner Ansich­ten. Ich sei der Mei­nung, es gebe im Tan­go kein „Rich­tig“ oder „Falsch“ […] Ich erlau­be mir, da auch ein­mal von „Quatsch“ zu sprechen:

Oha, da habe ich offen­bar etwas falsch ver­stan­den. Ich kor­ri­gie­re: Es gibt auch für Riedl „rich­tig“ und „falsch“. Oder, nee, doch nicht: „[…] oder dem Ler­nen­den die Kil­ler­vo­ka­bel „falsch“ über­zieht.“ Ich kor­ri­gie­re noch­mal: Es gibt Fal­sches, aber das soll man nicht als „falsch“ bezeich­nen, son­dern statt­des­sen „posi­ti­ve Anre­gun­gen“ geben. Wenn jemand behaup­tet die For­mel für Was­ser sei O2H und über­haupt sei die Erde flach, ist das also nicht ein­fach „falsch“, son­dern „nicht ganz rich­tig“ oder „noch ver­bes­se­rungs­be­dürf­tig“. Das mit „rich­tig“ und „falsch“ steht übri­gens genau so im „Milon­ga­füh­rer“, aber das habe ich auch miss­ver­stan­den, denn das ist ja nur, haha, Sati­re und gar nicht so gemeint. So wie die Sache mit dem Zäh­len: Wenn Tan­go­leh­rer Phra­sen zäh­len, ist das ein Zei­chen schlech­ten Unter­richts. Wenn hin­ge­gen Riedl Phra­sen zählt, beweist das sei­ne musi­ka­li­sche Expertise. 

Tanz­un­ter­richt […] ist mit Schul­un­ter­richt […] nicht zu vergleichen. 

Völ­lig falsch, par­don, von der Wahr­heit weit ent­fernt. Natür­lich sind die Ähn­lich­kei­ten / Unter­schie­de abhän­gig vom Fach, aber die zugrun­de­lie­gen­den Prin­zi­pi­en guten Unter­richts sind die sel­ben: Durch­dach­te und struk­tu­rier­te Pro­gres­si­on vom Ein­fa­chen zum Schwie­ri­gen, Anknüp­fen an bereits Bekann­tes, stän­di­ge Wie­der­ho­lung, didak­ti­sche Ver­ein­fa­chung von kom­ple­xen Inhal­ten usw. Und das Gan­ze mög­lichst abwechs­lungs­reich, inter­es­sant und „freud­voll“. In Sport sind die Über­schnei­dun­gen natür­lich beson­ders groß, aber auch in Hin­blick auf Eng­lisch gibt es vie­le Gemein­sam­kei­ten. Nicht umsonst spricht man von Bewe­gungsvoka­bu­lar und davon, dass z.B. die Frau nicht ver­steht was der Mann will. 

Aber die Ten­denz von Leh­rern, aus allem eine Unter­richts­stun­de machen zu wol­len, ken­ne ich lei­der nur zu gut.

Und ich dach­te immer, die Leu­te bezah­len viel Geld dafür, dass sie Unter­richt bekom­men und etwas lernen. 

In den Prac­ti­cas, wie ich sie vor­schla­ge, kön­nen weni­ger Geüb­te mit Erfah­re­ne­ren trai­nie­ren. 

Super Idee! Dann kön­nen „Erfah­re­ne­re“ wie Riedl, die sel­ber nicht wis­sen, was sie eigent­lich tan­zen wol­len (Quel­le) Anfän­ge­rin­nen Tan­zen bei­brin­gen. Dar­auf freu­en sich die Damen bestimmt! Und erfah­re­ne Tan­gue­r­as kön­nen end­lich mit talent­frei­en, dick­bäu­chi­gen Schraub­stock-Typen übers Par­kett schlur­fen. (Alles wei­te­re zum Ler­nen auf Prac­ti­cas in die­sem Bei­trag.)

Lüders ver­gleicht Tan­go­ler­nen immer wie­der mit der Aus­bil­dung in den Stan­dard- und Latein­ame­ri­ka­ni­schen Tänzen. 

Das ist ja inter­es­sant, wuss­te ich noch gar nicht. Muss ich gleich mal nach­schau­en: In mei­nem Bei­trag über guten Tan­go-Unter­richt kommt „Stan­dard-/La­tein“ KEIN EINZIGES MAL vor. In mei­ner Kri­tik an Riedl gibt es genau ZWEI Pas­sa­gen und in bei­den geht es dar­um, dass Riedl frü­her Standard/Latein getanzt hat. Hmm, war­um nur haben Riedls „wer­te Geg­ner“ so wenig Lust sich „auf Dis­kus­sio­nen einzulassen“?

Was mir noch nie­mand erklä­ren konn­te: […] Was war dar­an falsch?

Echt jetzt? Das hat noch nie­mand erklärt? Na gut, dann über­neh­me ich das mal. Also – auf­ge­merkt (Trom­mel­wir­bel): Dar­an war über­haupt nichts falsch. Die­se Tat­sa­che soll­te man zur Kennt­nis neh­men, auch wenn man (wie ich) nicht von den Küns­ten der alten Milonguero/as schwärmt, son­dern die neu­en deut­lich bes­ser fin­det. Aber mög­li­cher­wei­se kann man in Deutsch­land Tan­go nicht so oft „in der Fami­lie“ ler­nen. Oder Män­ner haben komi­scher­wei­se kei­nen Bock mit ande­ren Män­nern rum­zu­murk­sen. Und Frau­en schmie­gen sich viel­leicht lie­ber an einen Mann, als an eine ande­re Frau. Oder die Leu­te haben heu­te ein­fach kei­ne Zeit und Lust durch ner­vi­ges und feh­ler­an­fäl­li­ges „Abschau­en und Pro­bie­ren“ etwas Neu­es zu ler­nen. Komi­scher­wei­se gehen die Leu­te heu­te auch zu einem Musik­leh­rer, wenn sie Gei­ge ler­nen wol­len, anstatt ein­fach mal drauf­los zu „pro­bie­ren“. Und wer rich­tig Fuß­ball spie­len möch­te, lernt das bei einem Trai­ner in einem Ver­ein und nicht nur durch „Abschau­en“. Unter­richt muss irgend­wel­che Vor­tei­le haben … 

Und nicht der Wunsch, sich mit Lehr­plä­nen, Rot­stift, Noten­druck und klu­gen Beleh­run­gen trak­tie­ren zu lassen!

Ein Arti­kel, der schon schwach anfängt, soll­te natür­lich maxi­mal doof enden!

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Auf Neolonga gewesen. Geweint. – Der Niedergang der Neolonga

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Teach Me Tiger – Tango Tutorials

  1. Klaus Wendel

    Sehr kon­kret und sau­ber argu­men­tiert, und vor allem sei­ne stän­di­gen Wider­sprü­che per­fekt auf­ge­deckt. Gratuliere! 🎈
    Die­se Masche als Ver­such, stän­dig alle even­tu­el­len Ein­sprü­che im Vor­aus zu kon­tern, was oft zu wider­sprüch­li­chen Aus­sa­gen führt, ist ihm nun auf die Füße gefallen.

  2. PS:
    Wenn man bei You­Tube Vide­os sucht und die Stich­wor­te Musi­ka­li­tät + Tan­go ein­gibt, bekommt man zwar sehr vie­le Hil­fe­stel­lun­gen, um die Tan­go­mu­sik in ihrer Struk­tur bes­ser zu hören und zu ver­ste­hen, aber lei­der kaum brauch­ba­re Tuto­ri­als, um musi­ka­li­scher zu tanzen.
    Wor­an liegt das wohl?

    Das Pro­blem liegt in den unend­li­chen Mög­lich­kei­ten der Schritts­truk­tu­ren des Tan­gos. Denn wenn man schon als Paar 36 mög­li­che Schritt­po­si­tio­nen für 1 Schritt hat, wie­vie­le sind es dann erst, wenn man min­des­tens 2 bzw. 3 Schrit­te für eine klei­ne rhyth­mi­sche Varia­ti­on braucht? Allei­ne die rech­ne­ri­schen Mög­lich­kei­ten stei­gen ins unend­li­che. Potenzierung!
    (Wer das über­prü­fen möch­te, soll­te sich ein­mal das Buch „Die „Struk­tur des Tan­gos“ Band 2 „Die Matrix“ von Mau­ricio Cas­tro durchlesen.)
    Die­se alle zu demons­trie­ren bzw. zu unter­rich­ten wäre ein Lebenswerk.
    Tän­ze­risch sind die­sen Mög­lich­kei­ten aller­dings Gren­zen gesetzt, nicht nur zeit­li­che aus man­geln­der Übungs­zeit, son­dern auch auf­grund der begrenz­ten Mög­lich­kei­ten in einer beque­men Umar­mung. Es wür­de sehr sportlich.

    Aller­dings gibt es sehr gute Trai­nings­mög­lich­kei­ten zum Bei­spiel von Chicho Frum­bo­li, der die gebräuch­lichs­ten rhyth­mi­schen Pat­tern und Schritt­va­ria­tio­nen metho­disch sehr gut für Unter­richt auf­ge­ar­bei­tet hat.
    Aller­dings gibt es dar­über kei­ne Vide­os. Der Gute lässt sich das eben in Unter­richts­stun­den bezah­len. Ich benut­ze die­se auch in mei­nem Unter­richt. Aller­dings kann man damit auch sei­ne Schü­ler überfordern.

    Ein Musi­ker & Leh­rer namens Joa­quin Amen­abár hat das Pro­blem in sei­nem Musi­ka­li­täts­un­ter­richt für Tän­zer aller­dings ein­fach und geni­al gelöst, indem er die tech­ni­sche Struk­tur auf das Gehen (wie in einer Ron­da gegen den Uhr­zei­ger­sinn) in eine Rich­tung und auf Wie­ge­schrit­te (Cuñi­tas) begrenzt hat.

    Was mir aller­dings an sei­ner gewis­sen­haft aus­ge­klü­gel­ten Metho­de miss­fällt, ist, dass man nach sei­nen Work­shops oft das Gefühl hat jeg­li­che tän­ze­ri­sche Frei­heit zu ver­lie­ren, denn auf einer Tanz­pis­te hat man ja oft auch ande­re Gege­ben­hei­ten und vor allem geüb­te, räum­li­che Bewe­gungs­mus­ter, die man alle an die­se musi­ka­li­schen Varia­tio­nen anpas­sen oder auf ganz auf sie ver­zich­ten müss­te. Die­se Art Musik zu inter­pre­tie­ren ist zu ana­ly­tisch und der Tanz wäre dann nur ein opti­sches Abbild des jewei­li­gen Musik­stücks. Das lässt dann kei­nen Raum mehr für künst­le­ri­sche Freiheit.

    Das ist eben das Pro­blem: je grö­ßer die tän­ze­ri­sche Viel­falt an Bewe­gun­gen, um so schwie­ri­ger der Tanz und auf­wän­di­ger die Übungszeit.
    Und musi­ka­lisch sehr anspruchs­voll impro­vi­sier­te Tän­ze sind oft tech­nisch sehr schlicht gehal­ten oder wenn kom­pli­ziert getanzt, dann eben cho­reo­gra­fiert wor­den. (Chicho u.a.. kann jedoch bei­des: sehr musi­ka­lisch und adhoc impro­vi­siert, aber schon gar­nicht Herr Riedl , sor­ry, das muss­te raus!)
    Grund­sätz­lich kann man aber sagen, dass für eine gute musi­ka­li­sche Umset­zung die cho­reo­gra­fi­sche Ein­fach­heit bzw. Redu­zie­rung der Schritt­mög­lich­kei­ten Vor­rang vor einer kom­pli­zier­ten hat. 

    Hier möch­te ich aber zusam­men­fas­sen, war­um Ger­hard Riedl so irrt:
    Er pro­pa­giert kom­pli­zier­te­re, kom­ple­xe­re Schritts­truk­tu­ren in der Milon­ga, obwohl dies in der Fül­le einer Milon­ga-Pis­te nicht nur räum­lich schwer mög­lich ist, ohne ande­re Paa­re zu behin­dern oder zu stö­ren, son­dern auch musikalisch.
    Im Gegen­teil: ein­fa­che Struk­tu­ren, die er bei der Encuen­tro-Gemein­de lei­der oft kri­ti­siert und als Schleichtanz bezeich­net, erleich­tern musi­ka­li­sches und räum­li­ches Tanzen.

    Kom­ple­xe Musik und kom­ple­xe­re Tanz­struk­tur, die er bei­de für Nor­mal­tän­zer for­dert, sind für die­se mit nur 1x wöchent­li­chem Unter­richt (ohne Inten­siv­trai­ning) unmög­lich effek­tiv zu erlernen.
    Für Anfän­ger schon mal garnicht.
    Wer etwas ande­res behaup­tet, hat ent­we­der vom Tan­go­un­ter­richt kei­ne Ahnung oder ist ein­fach nur borniert.
    Jetzt nut­ze ich auch eine Rede­wen­dung von Riedl: Basta!

    • > Wor­an liegt das wohl? Das Pro­blem […] Tangos.

      Ich bezwei­fe­le, dass das der Haupt­grund ist. Auf­grund mei­ner eige­nen Erfah­run­gen und Beob­ach­tun­gen den­ke ich, dass den meis­ten Leh­re­rIn­nen die Musik schlicht­weg egal ist. Es dudelt ein­fach irgend­was im Hin­ter­grund und die Schü­le­rIn­nen tan­zen / üben irgend­was, was mit der Musik nichts zu tun. So wie in die­sem Video: https://www.youtube.com/watch?v=fDV6gyGbmwM Von die­ser Art gibt es unzäh­li­ge. Die Alter­na­ti­ve sind Tuto­ri­als kom­plett ohne Musik, die genau den sel­ben Sub­text haben, näm­lich dass die Musik kei­ne oder nur eine kom­plett unter­ge­ord­ne­te Rol­le spielt. 

      > Was mir […] Frei­heit zu verlieren

      Kann ich nicht beur­tei­len, weil ich noch auf kei­nem sei­ner Semi­na­re war. Aber sein Buch „Tan­go: Zur Musik tan­zen!“ (https://joaquinamenabar.com/de/shop-books-ebooks/deutsch/tango-zur-musik-tanzen-ebook/) fin­de ich extrem hilf­reich. Jetzt braucht man nur noch die wich­tigs­ten Noten­wer­te zu ken­nen (vgl. https://jochenlueders.de/?p=15987) und schon ver­steht man, dass Amená­bars „hal­be“, „ein­fa­che“ und „ver­dop­pel­te“ Schrit­te gan­zen, hal­ben und Vier­tel-Noten entsprechen. 

      > Im Gegen­teil: ein­fa­che Struk­tu­ren […] räum­li­ches Tanzen.

      Da fin­de ich den Kon­junk­tiv ange­mes­sen: „könn­ten / soll­ten“ erleich­tern. Egal, wel­ches Encuen­tro Video ich mir anse­he, ich kann von bei­dem nichts erken­nen: https://www.youtube.com/watch?v=z‑rMtvm3gvE
      „räum­li­ches Tan­zen“? Bis auf weni­ge Aus­nah­men krei­seln alle Paa­re an der Stel­le und kom­men kei­nen Meter vorwärts.
      Immer­hin spielt der DJ eine schö­ne „Cover“-Version. 😉

  3. Klaus Wendel

    […]„räum­li­ches Tan­zen“? Bis auf weni­ge Aus­nah­men krei­seln alle Paa­re an der Stel­le und kom­men kei­nen Meter vorwärts.[…]
    Ja und, was heißt vor­wärts? Vor­wärts geht es doch nur, wenn die Ron­da sich bewegt.
    Mit räum­li­cher Impro­vi­sa­ti­on bzw. tan­zen mei­ne ich nicht „raum­grei­fen­des“ Tan­zen von A nach B auf einer Linie, son­dern auf einer „bal­do­sa“, einer Kachel (bes­ser in Tisch­grö­ße 1x1 m), im Kreis auch Moli­ne­te, (contra)giro genannt. Das Kon­zept ist etwa so, dass man sich in kon­trär gegan­ge­nen Dre­hung an den Platz bewegt, den der/die Partner:in gera­de ver­lässt. Die Varia­ti­ons­mög­lich­kei­ten sind da sehr kom­plex und schwierig.
    „Raum­grei­fen­des Tan­zen“ ist näm­lich nur ein opti­scher Effekt für die gan­ze Län­ge der Büh­ne um den Tanz für das Publi­kum in der letz­ten Rei­he noch dyna­misch wir­ken zu las­sen. Auf vol­len Tanz­flä­chen einer Milon­ga ergibt das über­haupt kei­nen Sinn, weil man nicht für das Publi­kum tanzt. (War­um nur ver­wech­seln so vie­le Leu­te die tän­ze­ri­schen Grund­la­gen des Tan­zens fürs Publi­kum mit denen des Tan­gos auf der Piste?) 

    „Tan­go ist Bewe­gung in Zeit und Raum“, aber nur wenn Platz dafür da ist. …und wenn ich Zeit zum Üben habe – klei­ner Scherz.

    Musi­ka­li­sche Impro­vi­sa­ti­on bezieht sich allein auf die Musik und kann AUCH auf der Stel­le getanzt wer­den, z.B. ein­fach durch Gewichts­wech­sel. Des­halb unter­schei­de ich zwi­schen räum­li­cher und musi­ka­li­scher Impro­vi­sa­ti­on. Die eine dient der Ori­en­tie­rung auf einer Pis­te in der Ron­da und die musi­ka­li­sche allein der Musik, alles zusam­men wird dann zum Tango.
    Da auf der Tanz­flä­che meis­tens eine sich gegen den Uhr­zei­ger­sinn bewe­gen­de Ron­da erwünscht ist, die­se sich aber, je nach Fül­le mehr oder min­der fort­be­wegt, wenn es voll ist, kann man oft nur auf der Stel­le dre­hen. Lei­der kann aber kaum ein Paar gut dre­hen, zumin­dest sehe ich in der Encuen­tro-Sze­ne die Leu­te statt­des­sen eher auf der Stel­le rum­tip­peln. Aber, bis man in Dre­hun­gen rhyth­misch vari­ie­ren kann, bzw. die Ver­dopp­lun­gen und die lang­sa­men Takt­schlä­ge auf der 1 wirk­lich an die Musik anpas­sen kann, erfor­dert das viel Übung. Und weil das vie­le nicht kön­nen, tip­peln sie eben auf der Stel­le rum. Was ja auch legi­tim ist, denn nie­mand muss kom­pli­ziert tanzen.
    Ich bedau­re das aber, weil der Tan­go dadurch sei­ne Varia­bi­li­tät ver­liert und nur noch an „Klam­mer-Blues“ erinnert.
    Gute Salon-Tän­zer zeich­nen sich eigent­lich durch gute, musi­ka­li­sche Dre­hun­gen aus, aber nicht durch end­lo­ses Metern auf einer Linie (Gehen oder cami­na­ta genannt), also weil auf sie auf kleins­tem Raum tan­zen kön­nen. Was heu­ti­ge Show­paa­re als Glanz­stück per „Her­um­stak­sen“, (die basics), demons­trie­ren, ist auf einer Pis­te sinn­los und soll­te nicht als Vor­bild die­nen. Nicht umsonst besteht der 40er-Jah­re-Stil haupt­säch­lich nur aus Dre­hungs­va­ria­tio­nen mit Ein­gän­gen und Abschlüssen.
    Fazit: Je kom­pli­zier­ter der Tanz (z.B. Dre­hun­gen), um so höher die „Feh­ler­mög­lich­keit“, also macht man es einfach.

    • > Nicht umsonst besteht der 40er-Jah­re-Stil haupt­säch­lich nur aus Dre­hungs­va­ria­tio­nen mit Ein­gän­gen und Abschlüssen.

      Da habe ich so mei­ne Zwei­fel, vgl. https://jochenlueders.de/?p=14011. Ich kann mir nicht vor­stel­len, dass die Leu­te zu „Jazz, Fox­trott und bra­si­lia­ni­scher Musik“ rum­ge­ka­chelt haben. Ist aber auch egal, wie es vor 80 Jah­ren war. 

      Kei­ne Fra­ge, ab einer bestimm­ten Men­ge an Leu­ten geht es nicht mehr vor­wärts und man tanzt mehr oder weni­ger auf der Stel­le. Das Pro­blem sehe ich eher dar­in, dass immer mehr Leu­te fast nur noch an der Stel­le tan­zen, OBWOHL genü­gend Platz vor­han­den wäre um vor­wärts zu tan­zen. Es heißt nun mal „Tan­go es CAMINAR“ (und nicht „krei­selar“). Und wenn es auf Wiki­pe­dia heißt: „[…] in den letz­ten Jah­ren wur­de in der tän­ze­ri­schen Avant­gar­de auf die­ser Basis wie­der mehr Wert auf inter­es­san­te und her­aus­for­dern­de Tech­ni­ken gelegt. All­ge­mein wer­den Impro­vi­sa­ti­on und ein kon­ti­nu­ier­li­cher Tanz­fluss als essen­ti­ell bewer­tet.“ dann stimmt das immer häu­fi­ger ein­fach nicht mehr. In 10 Jah­ren wird man das aktua­li­sie­ren müs­sen: „Tan­go wird meis­tens zu eher getra­ge­ner Musik mit weni­gen Figu­ren bzw. Schritt­kom­bi­na­tio­nen am Ort getanzt.“ Und das Gan­ze ist ein Teu­fels­kreis: Weil immer mehr Leu­te immer lang­wei­li­ger / gleich­för­mi­ger tan­zen, spie­len die DJs immer lang­wei­li­ge­re Musik. Und weil die Musik immer weni­ger Ener­gie hat, wird der Tanz immer fader. Ich stim­me ja oft nicht mit Riedl über­ein, aber wenn er die Ver­ödung und Ver­spie­ße­rung des Tan­go kri­ti­siert („Schwof der Unto­ten“), stim­me ich ihm zu.

  4. Bes­ten Dank für den unvor­ein­ge­nom­me­nen Bei­trag und auch die licht­vol­len Kom­men­ta­re! Um den Arti­kel etwas popu­lä­rer zu machen, wer­de ich ihn dem­nächst auf mei­nen Face­book-Sei­ten ver­lin­ken und eini­ge klei­ne sach­li­che Loo­pings korrigieren.
    Sor­ry – mehr ist nicht drin!

  5. Klaus Wendel

    Ich kann Dir grund­sätz­lich zustim­men. dass die Leu­te nicht vor­wärts laufen.
    Aber eben­so kann ich mich dar­über auf­re­gen, dass die meis­ten Auto­fah­rer ihre Staus sel­ber pro­du­zie­ren, indem sie zu dicht auf­fah­ren. Hilft das?

    Aber „Tan­go es Cami­nar“ bedeu­tet nicht, dass man nur in einer Linie vor­wärts läuft, (oder hast Du das mal irgend­wo gele­sen? Glau­be ich nicht!) son­dern auch im Kreis. Sonst wären kei­ne Dre­hun­gen erfun­den wor­den. Und war­um sonst wären Figu­ren auf kleins­tem Raum erfun­den wor­den? Tan­go Argen­ti­no ist kein Ball­room­tanz, son­dern auf klei­nem Raum in Spe­lun­ken entstanden.
    (Das ist sogar auf einem Tisch mög­lich: https://youtu.be/lmcQUkac4zo)
    Im Gegen­teil: Das Bewe­gungs­prin­zip des Tan­gos, das heu­te noch auf der Pis­te gül­tig ist, ist die Dre­hung. Nach­zu­schau­en bzw. zu lesen auch bei Gustavo Navei­ra und anderen.
    Auch das Schritt­re­per­toire des heu­ti­gen Tan­gos, das in Wett­be­wer­ben „Tan­go de Pis­ta“ getanzt wird, beruht auf dem Tan­go der 40er Jah­re, wie er von Anto­nio Toda­ro bis in die 90erJahre unter­rich­tet wur­de. Das erwei­ter­te Spek­trum von Naveira’s Tan­go Nue­vo Tanz (nicht zu ver­wech­seln mit dem Musik­stil von Piaz­zolla) baut dar­auf auf. Dre­hun­gen UND Linien!

    Das eigent­li­che Pro­blem ist, dass es auf der Pis­te zugeht wie im Straßenverkehr:
    Wenn es zu voll ist und einer steht, ste­hen alle. Dar­an wird man aber nichts ändern.
    Der Unter­schied zum Auto­ver­kehr ist, dass man eben mit dem Fahr­zeug nicht auf der Stel­le krei­seln kann, son­dern war­ten muss, bis sich der Stau auflöst.
    Auf der Pis­te hat man dann die Dre­hun­gen, damit man über­haupt wei­ter tan­zen kann.

    Auf den Pis­ten in B.A. ist es in den Innen­städ­ten dann oft so voll und eng (gewe­sen), dass man pro Musik­stück in der Ron­da nur einen Meter vor­wärts kommt und selbst nicht mehr dre­hen kann. Dann kann man eben nur auf der Stel­le rum­tip­peln. Spaß macht das auch nicht. Und die Rea­li­tät ist nun mal, dass es so ist wie es ist und das bes­te dar­aus machen muss. 

    Was ich aller­dings nicht ver­ste­hen kann, ist, dass sich vie­le Paa­re frei­wil­lig auf eine vol­le Pis­te quet­schen und dann erwar­ten, dass sie den glei­chen tän­ze­ri­schen Spaß haben könn­ten, als wären sie allein im Stu­dio, wo man in jede Rich­tung alles tan­zen kann, was einem einfällt.
    Tan­zen auf vol­len Pis­ten schränkt nun mal eben ein. 

    Jetzt kann man lamen­tie­ren, was alles schief läuft und das Hand­tuch werfen.
    Oder ver­su­chen, den Leu­ten das Vor­wärts­tan­zen bei­zu­brin­gen. Funk­tio­niert aber nirgendwo!
    Als gutes Bei­spiel dient hier Eric Joe­ris­sen in Nij­me­gen, der bei den monat­li­chen „Chai­ned Salons“ eine Prác­ti­ca anbie­tet und den Leu­ten im „Space Lab“ oder „Raum-Labor“ das Tan­zen in Ron­das bei­bringt. Dabei ist es sehr voll und das klappt dank sei­nen Übun­gen wun­der­bar. Unter ande­rem zeigt er auch wie man den Tanz­fluss auf­recht erhält. Der arbei­tet aber schon Jah­re lang dar­an. Aber trotz­dem ist man ohne Dre­hun­gen und stän­di­gen Stop-Rebounds, (wie Du es nennst) aufgeschmissen.
    Des­halb unter­rich­te ich haupt­säch­lich Drehungen.
    Und wenn ich mal rich­tig tän­ze­risch los­le­gen möch­te, um alles, was was ich drauf habe tan­zen zu kön­nen, dann ver­ab­re­de ich mich pri­vat mit einer guten Part­ne­rin im Stu­dio, wo Platz ist oder gehe in eine nicht so gut besuch­te Milon­ga, aber gehe nicht in eine ohne­hin rap­pel­vol­le Milonga.
    Wenn ich einen Por­sche aus­fah­ren möch­te, fah­re ich auch nicht in die Innen­stadt von Köln, son­dern auf die A 31 Rich­tung Emden, die ist näm­lich frei und da gefähr­de ich auch niemanden.
    Und ich habe erlebt, dass die wah­ren Kön­ner des Tan­gos (z.B. Omar Vega †) sich auf einer gefüll­ten Pis­te vir­tu­os beweg­ten. Aber aus Spaß am Tanz ver­steckt im Gewühl der Paa­re und nicht für die Zuschauer.

  6. Klaus Wendel

    PS: Ich möch­te hier noch­mals einen Irr­tum aufklären.
    Es klingt in den Ant­wor­ten auf mei­ne Kom­men­ta­re immer so, als wenn mir die ein­fa­chen Struk­tu­ren des Tan­gos mit redu­zier­ten Bewe­gun­gen gefal­len würden.
    Nein, ich tan­ze viel lie­ber kom­ple­xer und pro­pa­gie­re und unter­rich­te es auch so.
    In süd­li­chen Län­dern wie Por­tu­gal und Spa­ni­en wird längst wie­der ener­ge­ti­scher getanzt. Gottseidank.
    Ich erklä­re hier nur WARUM auf den Pis­ten der Encuen­tros oft so lang­wei­lig getanzt wird, (Nicht auf allen!)
    MEINE ZUSTIMMUNG ALS TÄNZER HAT ES DAMIT NICHT.
    ABER ICH FINDE MICH DAMIT AB, HERR RIEDL!

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