„Tango es compás.“ (Tango ist Rhythmus.)
Zumindest für AnfängerInnen bedeutet „Musikalität“ bzw. „musikalisch tanzen“ in erster Linie die betonten Taktschläge zu erkennen und mit einfachen rhythmischen Variationen in Bewegung (vor allem Gehen) umzusetzen. Das „Vertanzen“ einer Melodie ist meistens schwieriger und gelingt nur TänzerInnen mit gutem bzw. trainiertem Gehör und viel Erfahrung. Man braucht sich nur auf Milongas bzw. Encuentros umzuschauen (bzw. entsprechende Videos anzuschauen), um mit Grausen zu sehen, dass viele Paare komplett neben der Musik sind und eher zufällig mal betonte Taktschläge treffen. Und das nicht etwa zu komplizierter Musik von Troilo, Pugliese oder gar Piazzolla, sondern zu (rhythmisch) simplen Tangos wie z.B. Cara Sucia. Nachdem im normalen Unterricht das Thema Rhythmus leider meistens komplett ignoriert wird, musst du selber aktiv werden, wenn du etwas ändern bzw. besser werden möchtest. Das ist aber gar nicht so schwer …
Inhalt
Takt erkennen
Als erstes solltest du erkennen, ob es sich um einen 4/4 Takt (Tango) oder 3/4 Takt (Vals) handelt. In diesem Video wird es schön erklärt. Anschließend kannst das Gelernte mit diesem Quiz überprüfen.
Notenwerte
Als nächstes brauchst du ein Grundverständnis der wichtigsten Notenwerte. Für Anfänger genügen ganze, halbe und Viertelnoten.
Notenwerte testen
Ob du diese Notenwerte auch umsetzen kannst (durch Klatschen, Schnipsen, Gehen am Ort etc.) kannst du in diesem Test überprüfen bzw. üben. Wenn du in der Beschreibung (unter dem Video) auf „Mehr ansehen“ klickst, siehst du die verschiedenen „Kapitel“ des Videos, so dass du eine bestimmte Übung beliebig oft machen kannst. Nun kann es allerdings passieren, dass du subjektiv meinst, die Noten exakt zu treffen, in Wirklichkeit jedoch daneben liegst (bzw. klatscht).
Rhythmus Trainer App
Besser ist es deshalb von einer App ein objektives Feedback zu bekommen. Es gibt eine ganze Reihe Rhythmus Trainer Apps, ich finde den Complete Rhythm Trainer sehr gut. Bereits die kostenlose Version bietet alles, was der normale Tänzer an rhythmischen Kenntnissen bzw. Können benötigt. Im „klassischen“ Modus werden (im Level 1 „Einfache Taktarten“) wieder bestimmte Notenwerte angezeigt und du musst sie durch Antippen „nachspielen“. Wenn du daneben liegst, wird das durch einen roten Punkt angezeigt, wenn du exakt „im Takt“ bist, durch einen grünen:
Zunächst tippst du nur auf dem Bildschirm, danach gehst am Ort (bzw. durch den Raum) und versuchst die Noten auch mit deinen Schritten zu treffen.
Die 1 finden
Als nächstes lernst du How to Find the 1 in Music. Falls dein Englisch nicht so gut ist, schaust du dir stattdessen dieses Video an.
Musikalische Struktur
Nun machst du dich mit der Struktur der typischen Tango-Musik vertraut. Die Hauptakzente (strong beats) sind auf der 1, 3, 5 und 7. Wenn wir „normale“ Schritte machen, tanzen wir halbe Noten. Wenn wir „lange“ Schritte machen bzw. „langsam“ tanzen, tanzen wir ganze Noten, d.h. wir machen einen Schritt auf 4 Taktschläge. Und wenn wir „kurze“ Schritte machen bzw. „schnell“ tanzen, tanzen wir Viertelnoten.
Als erstes übst du „normales“ Gehen, möglichst oft auch immer wieder in deinem Alltag. Immer wenn du länger gehst (und das solltest du bekanntlich regelmäßig machen) gehst du zu Musik mit einem klaren Beat bzw. „Puls“. Wo die Betonung liegt ist egal, in unserer typischen Popmusik meistens auf den geraden Taktschlägen (2, 4, 6, 8) wie zum Beispiel in den folgenden Songs: Keep It Simple, Malheur Malheur und Your Song. Jetzt versuchst du den Fuß bzw. die Ferse immer genau auf das Schnipsen aufzusetzen und zu belasten. Wenn du lieber zu Tangomusik gehst, nimmst du z.B. El Once, 9 de Julio oder El Adios. Hier setzt du den Fuß auf die UNgeraden Taktschläge (1, 3, 5, 7) auf. Weitere schöne Musik findest du hier. Beim Vals setzt du den Fuß entsprechend auf die 1 auf. Hier eine Auswahl schöner Valses.
Als nächstes übst du die anderen Schritte bzw. Tempi (= Geschwindigkeiten) mit Hilfe eines Metronoms. Dazu verwendest du in der App den Modus „Freies Üben“ oder benutzt ein online Metronom. Am Anfang solltest du erstmal mit langsamen 90 BPM (beats [= Taktschläge] per minute) beginnen und dich im Lauf der Zeit auf Tango-typische 120 BPM steigern. Wenn es mit dem Metronom klappt, übst du wieder zu Musik.
Die verschiedenen Notenwerte / Rhythmen solltest du möglichst vielfältig üben. Bewährt haben sich einfache Formen der Body Percussion. Die rechte Hand klatscht z.B. auf dem rechten Oberschenkel den Takt und die linke Hand auf dem linken Oberschenkel halbe und ganze Noten. Wenn das klappt, wechseln die Hände ihre „Aufgabe“. Oder der rechte Fuß „tappt“ die Viertel und eine Hand wieder halbe und ganze Noten. Hilfreich sind aber auch Gehen am Ort (bzw. vorwärts und rückwärts), Gewichtsverlagerungen an der Stelle (bzw. Wiegen des Oberkörpers), „freies“ Tanzen usw. Auch das Verbalisieren von Notenwerten mit Hilfe der Rhythmussprache kann helfen, einen bestimmten Rhythmus „in den Körper“ zu bekommen.
- Du beginnst mit „normalen“ Schritten, also halben Noten (h).
- Danach übst du „langsame“ Schritte, also ganze Noten (g).
- Jetzt kombinierst du: gg hhhh.
- Dann „halbierst“ du das Muster: ghh ghh
- Als nächstes „schnelle“ Schritte („verdoppelt“), also Viertelnoten (v). Am Anfang vier normale Schritte a.O. und acht schnelle. Danach halbiert hh vvvv. Danach (wieder halbiert) hvv hvv. Dazu ggf. das Tempo reduzieren.
- Weiter geht’s mit hhvvh (das ist die typische „Verdoppelung“ für das Kreuz).
- Zum Abschluss kombinierst du alle drei Tempi: gg hhvvvv bzw. gg hhvvh.
Üben kannst du das Ganze mit den Exercises for Rhythm.
Die drei Schrittarten / Tempi kannst du für viele weitere Schrittkombinationen bzw. Figuren nutzen. So kannt du z.B. Ochos auf vier, zwei oder (als „Ochitos“) auf einen Taktschlag tanzen. In der Molinette kannst du „normale“ mit „schnellen“ Schritten kombinieren. Und mit hh vvh kannst du ein Kreuz tanzen, und mit hh vvvv sind es zwei hintereinander.
Phrasen
Als nächstes musst du noch lernen bzw. verstehen, dass typische Tango-Musik in Einheiten von zwei Takten (also 8 Viertel), den sog. „Phrasen“ eingeteilt ist. Zwei dieser (8‑er) Phrasen bilden erneut eine musikalische Einheit und zwei 16-er Phrasen bilden auch wieder eine Einheit. Visualisiert wird das Ganze in diesem Video. Jedes „W“ steht für eine Viertelnote (= einen Taktschlag) und jedes „P“ symbolisiert eine Pause (in der das Paar stehenbleibt). Jede Spalte symbolisiert eine Phrase, die senkrechte Linie trennt die ersten beiden von der dritten und vierten Phrase. [Achtung: Viele „Ws“ kommen nicht im Takt!]
Als Fortgeschrittener solltest du dich auch mit der Struktur eines ganzen Stückes vertraut machen (section = Teil, phrase = [8er] Phrase).
Zur Musik üben
Um dein neu erworbenes Wissen anzuwenden, brauchst du Musik mit einer völlig regelmäßigen Phrasenstruktur wie z.B. El Adios und El Once. Durch Zählen der 8er-Phrasen findest du zunächst heraus, wie lange die Einleitung dauert (wie zu erwarten 4 Phrasen). Danach übst du das gesamte o.a. Programm, das du bislang nur „trocken“ zum Metronom geübt hast, zu richtiger Musik. Zuerst wieder durch (siehe oben) Klatschen, Gehen am Ort, Sprechen etc., danach gehst du als Mann vorwärts und als Frau rückwärts durch den Raum.
Da es relativ wenige Tangos mit völlig regelmäßiger Phrasenstruktur gibt (wird ja auch schnell langweilig), hier noch drei Electrotango bzw. Non-Tango Alternativen: Los Vino, Someone You Loved (Einleitung nur zwei Phrasen!) und Somebody That I Used to Know (Einleitung nur eine Phrase!).
Übungen
Mit drei ähnlichen Rhythmen kann man einen Rhythmus Hit basteln.
Bei der Vorbereitung auf die Eignungsprüfung: Rhythmik muss man verschiedene Rhythmen nachklatschen.
Bei der Rhythm Challenge geht’s von easy bis advanced.
Bei der Einführung in die Body Percussion wird nicht nur in die Hände geklatscht.
Und wenn dir der Cups Song gefällt, kannst du ihn hier lernen.
Mit Pop Musik lernt man How To Find the Beat and Dance on Rhythm.
Deutlich anspruchsvoller sind die Improve Your Musical Rhythm w/ Metronome Exercises.
Ein Zwiefacher ist ein Tanz, in dem 3/4 und 4/4 (bzw. 2/4) gemischt werden. Noch sehr einfach ist Unsa oide Kath. Schon schwieriger, aber immer noch regelmäßig ist Da schwarz Bua. Und der Zwiefache von Haindling ist schon richtig anspruchsvoll. Bei YouTube bzw. Spotify gibt es viele weitere Stücke, mit denen du dein Gehör / Rhythmusgefühl üben / verbessern kannst.
Falls du Französisch kannst, gibt es (recht anspruchsvolle) Exercices rhythmiques et jeux de pieds.
Falls du tiefer in das Thema Rhythmus (bzw. Musikalität allgemein) einsteigen möchtest, empfehle ich dir das ausgezeichnete Buch Tango: Zur Musik tanzen! von Joaquín Amenábar.
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