Als alter, weißer, heterosexueller Cis-Patriarch darf ich im Folgenden noch ganz binär von „Mann“ und „Frau“ sprechen. Alle anderen müssen (je nach Grad der wokeness) das Wort „Mann“ im Geiste durch Führender, Verführer, Lead, Leader, Zur-Bewegung-Einladender, Nicht-menstruierendes Tanzwesen etc. ersetzen. 😉
Gerhard Riedl hat vor kurzem über Tango-Unterricht geschrieben. Als erstes solltest du seinen Artikel lesen, damit du den Original-Kontext der folgenden Zitate kennst.
Da ich selber schon einen längeren Beitrag über guten Tango-Unterricht geschrieben habe, interessiert mich natürlich brennend, wie man sich in Pörnbach zeitgemäßen Unterricht vorstellt. Um mich nicht unnötig zu wiederholen, verweise / verlinke ich im Folgenden auf die entsprechenden Passagen meines Artikels.
Allzu große Hoffnungen auf neue Erkenntnisse hatte ich allerdings eh nicht, denn seit Jahren verkündet Riedl, dass Unterricht eigentlich völlig überflüssig sei, denn man könne alles Nötige auf Milongas bzw. Practicas lernen (vgl. diesen Beitrag). Auch in seinem neuen Beitrag behauptet er, dass es völlig reichen würden, wenn „erfahrene Milongueros Übungsstunden betreuen“ würden. Warum schwurbelt jemand über Unterricht, wenn er ihn von vorneherein für überflüssig hält? Immerhin bezeichnet er seine Vorschläge selber als „amateurhaft“. Für Riedlsche Verhältnisse mag das demütig klingen, ich finde das Wort zu euphemistisch.
Der Artikel fängt schon mal doof an. Die Aufzählung der „Kommentatorin“ beschreibt die Rolle des Mannes ganz gut, ist allerdings nicht vollständig, denn der gesamte Bereich der stressigen Navigation auf der Tanzfläche fehlt komplett. Es wäre ja herrlich, wenn man das, was man „tanzen will“ auch tatsächlich tanzen könnte. Aber das gelingt ja nur selten: Vor einem steht wieder mal ein Paar rum und es geht nicht weiter. Oder ein Mann tanzt diesen blöden „Grundschritt“ („Basse“) und kommt einem mit Rückwärtsschritten entgegen. Oder von rechts latscht ein Paar einfach auf die Tanzfläche, so dass man eine Vollbremsung hinlegen muss.
Natürlich muss mal als Mann „all das beachten“ und das geht nur, weil man über die eigenen Schritte (hoffentlich) nicht mehr nachdenken muss, weil sie durch intensives Üben automatisiert / internalisiert wurden. Und den typischen Tango-Rhythmus hört bzw. findet man (hoffentlich) auch auf Anhieb und die Führung hat man (hoffentlich) auch so oft geübt, dass man nicht mehr groß darüber nachdenken muss.
Riedl möchte „sofort Musik einsetzen“ und die Schüler „zum Hören auf die Musik erziehen“. Ob Erwachsene in ihrer Freizeit „erzogen“ werden wollen, soll mal dahingestellt sein. Interessanter ist da schon die Frage, wie diese Erziehung konkret aussehen soll, wenn niemand auf einen „Metronom-Schrammelrhythmus konditioniert“ werden soll. Stattdessen schlägt er offenbar ernsthaft vor, Anfänger zu der „wunderschönen Ballade“ von Las Sombras „tanzen“ zu lassen. Hat er das schon mal ausprobiert? Falls ja, wie waren denn die Reaktionen der Schüler? Konnten sie zu dieser Musik entspannt gehen? Falls nein, warum nicht? Könnte es was mit der Musik zu tun haben? Falls er es nicht ausprobiert hat: Wie kann man so einen Quatsch vorschlagen, wenn man selber schon erkennt, dass das Stück „schwierig“ ist?
Wie wäre es denn, wenn man Anfänger (am besten bevor sie noch den ersten Schritt) machen, erstmal mit dem typischen Tango-Rhythmus vertraut machen würde? Ich nehme dafür gerne El Once. Wir lernen, dass wir eine starke Betonung auf der 1 und 3 (bzw. 5 und 7) haben, dass immer 8 Zählzeiten / Beats zusammengehören und eine „Phrase“ bilden, dass vier solcher (8er) Phrasen auch wieder eine Einheit bilden und dass die Einleitung bei vielen Tangos auch wieder 4 Phrasen umfasst usw. (vgl. Musikalität)
Auch die Behauptung man könne nichts „falsch“ machen, wenn man „einzeln tanzt“ ist schlichtweg Quatsch. Ich kann auch alleine völlig neben der Musik sein und kann völlig falsch tanzen bzw. mich bewegen. Ich kann mich z.B. mit „bouncenden“ Samba-Schritten bewegen, kann meine Hüfte in Rumba- bzw. Bachata-Manier kreisen, kann mit Hohlkreuz bzw. Rundrücken durch die Gegend latschen usw.
Aber „falsch / richtig“ sollte es ja eh nicht mehr geben und Riedl schlägt vor „den Begriff ‚Fehler‘ im Tangounterricht zu eliminieren“. Respekt, das ist mal eine Ansage und die kommt auch noch von einem Lehrer! Richtig gut ist aber die Begründung: Die Stimmung der Tänzer würde sich „aufhellen“. Stimmt, die Stimmung meiner Schüler würde sich ebenfalls schlagartig „aufhellen“, wenn es in der Schule kein „falsch / richtig“ mehr gäbe. Ob Riedl diesen wahrhaft revolutionären Ansatz in seinem eigenen Unterricht auch umgesetzt hat? „Ich schlage vor, den Begriff ‚Fehler‘ im Biologie- und Chemieunterricht zu eliminieren“.
Riedl kommt ja ursprünglich vom Standard-/Lateintanz. Was würde er wohl sagen, wenn jemand zu Rumba-Musik Cha-Cha Schritte tanzen würde? Ist das dann „falsch“ bzw. ein „Fehler“? Und was würde Riedl antworten, wenn der Betreffende verkünden würde, dass ihn „Konventionen“ nicht interessieren und er die Musik halt so „empfinden“ und „interpretieren“ würde. Hoffentlich nicht: „Wie sieht denn das (wieder) aus!“
Wenn nichts mehr „falsch“ bzw. ein „Fehler“ ist, dann ist logischerweise alles „richtig“. Hmm, was ist denn dann mit den „Stehschmusern“? Ich verstehe den Beitrag so, als ob die irgendwas „falsch“ machen. Und es klingt so, als ob Riedl (rhetorisch) fragen würde: „Soll das etwa Tango sein?“, aber das kann ja gar nicht sein, denn diese Frage mag er ja gar nicht. Es ist nicht leicht Riedls Argumentation zu folgen, spontan fällt mir da nur kognitive Dissonanz ein.
Ein Unterricht ohne klares „richtig“ und „falsch“ ist natürlich kompletter Unsinn. Man kann nichts lernen, wenn man keine Vorstellung von der richtigen Bewegungen hat und es keine „Fehler“ mehr gibt. Für diese Erkenntnis braucht’s kein abgeschlossenes Studium. (vgl. Korrigieren)
Ganz schlecht findet Riedl darüberhinaus, wenn man „erst die Schritte lernt“. Wir stellen uns also ein Anfänger-Paar vor, das zu nicht allzu komplizierter Musik bereits (mit ein paar Variationen) gehen kann. Jetzt soll / will es als nächstes das Kreuz lernen. Jetzt wäre es schon hilfreich, wenn es die entsprechenden Kreuzschritte (inklusive der dafür nötigen Technik) lernen würde.
Neue Bewegungen dürfen angeblich auch nicht „erstmal ohne Musik“ getanzt werden. Ich frage mich, wie Riedl seinerzeit z.B. den Rumba-Grundschritt gelernt hat. Die Lehrer haben den Schritt gezeigt und dann hat er mit seiner Partnerin gleich zu Musik getanzt? Hmm, ziemlich unwahrscheinlich, vor allem wenn der lange Schritt nicht (wie im Video) auf die 1/2, sondern (wie es halt nun mal richtig) ist, über die Taktgrenze hinweg auf die 4/1 getanzt wird. Vielleicht war es ja ein grottenschlechter Lehrer, wahrscheinlicher ist hingegen, dass erstmal (wie im Video) „trocken“ (= ohne Musik) geübt wurde. [Sehr originell ist auch, dass Schüler das Gehen in „zwei Systemen“ und „drei Spuren“ lernen und das Ganze noch mit „Wiegeschritten“ garnieren sollen, gleichzeitig aber auf keinen Fall „zunächst die Schritte lernen“ sollen.]
Und sehr wahrscheinlich hat Riedls Lehrer dabei die Bewegungen / Schritte mit rhythmisierter Sprache begleitet. Ob er dabei jetzt „zählt“ (An-fan-gen, vier – eins, rück – am Platz – vier – eins – vor – am Platz) oder „laang – kurz – kurz“ oder „slow – quick – quick“ sagt, ist völlig egal. Entscheidend ist, dass man z.B. beim Kreuz durch „akustische Informationen“ die (zeitliche) Länge bzw. Kürze (= „Verdoppelung“) von Schritten veranhörlicht.
Völliger Unsinn ist auch, dass Frauen und Männer nicht getrennt werden sollten („Frauen in diese Ecke, Männer gegenüber“). Will er uns weismachen, dass er z.B. den Hockey Stick von Anfang MIT Musik im Paar getanzt / gelernt hat? Gelten für das Lernen von Standard- / Lateintänzen andere Regeln als für Tango? Nehmen wir als Beispiel Rückwärts-Ochos: Die Frau hat keine Ahnung, wie sie drehen soll und der Mann hat keine Ahnung, was er mit seinen Füßen und seinem Oberkörper machen soll und trotzdem soll beide als Paar üben? Herrje, wie kann man seit über 10 Jahren immer wieder den selben Mist verzapfen und gleichzeitig verkünden, man sei „bereit dazuzulernen“. (vgl. Üben)
Ausnahmsweise hat er hingegen recht, wenn er fordert Anfänger, nicht „von vorherein (sic!) in enger Haltung zusammenzuspannen“. [Das folgende Video ist ja sooo lustig und hat sooo viel mit dem Thema zu tun …] Besser als die „gefassten waagrechten Unterarme“ finde ich Schulterfassung (am besten nur von der Frau), aber das ist nur ein kleines Detail. (vgl. Tanzhaltung)
Erstaunlich für einen Lehrer ist, dass er offenbar etwas gegen systematischen Unterricht hat. Wie hat Riedl wohl sein silbernes Tanzabzeichen erworben? Doch wohl nur, indem Figuren aus dem Bronze-Kurs in die „Silberfolge eingebaut“ wurden. Ich halte es ganz im Gegenteil für ein Merkmal guten Unterrichts, wenn Figuren aus dem „Anfänger II-Kurs“ in den „Fortgeschrittenen I‑Kurs“ eingebaut werden. Das zeigt nämlich zum Einen schon mal, dass der Lehrer sich aufgeschrieben hat, was er wann mit wem „gemacht“ hat. Während meines eigenen Lernens habe ich oft genug erlebt, dass der „Unterricht“ mit „Was hamma eigentlich letztes Mal gemacht?“ begann. Oder auch: „Letztes Mal haben wir uns ja mit XY beschäftigt.“ Darauf zaghafter Protest aus dem Kurs: „Nee, du verwechselst uns wieder mit dem Kurs nach uns …“ Zweitens darf man hoffen, dass dem Unterricht ein System zugrunde liegt, das auch eine entsprechende Progression der Inhalte beinhaltet, also das Gegenteil des üblichen Durcheinanders.
Und schließlich noch der Höhe- bzw. Tiefpunkt des Textes: „Fühlen statt Führen“. Da wird sich der „resignativ-verzweifelte Gesichtsausdruck“ unserer Männer schlagartig „aufhellen“, wenn man ihnen erklärt, dass sie statt „führen“ leider „fühlen“ [bekanntlich eine Stärke von Männern] lernen müssen, denn schließlich wollen sie ja wohl nicht ihre „Bewegungsideen“ der Partnerin „aufdrücken“. Also gilt es „aufeinander zu hören“ und die „Bewegungen und Impulse des anderen zu spüren“. Nur blöd, wenn der Mann gerade Bock hat „im gekreuzten System außenseitlich links“ zu gehen, die Frau aber lieber im parallelen System „gedrehte Wiegeschritte“ am Ort tanzen möchte. Das könnte dann noch schneller zum „Tod des Tango“ führen, als die von Riedl beklagte „zunehmende Kommerzialisierung“.
Fazit: Riedl hat offenbar noch nie selber unterrichtet und hat deshalb keine Ahnung, wovon er eigentlich redet. Er sollte sich besser auf seine Kernthemen beschränken und den 37. Artikel über eines der folgenden Themen schreiben: Warum ich den Cabeceo doof finde. / Warum alle immer so gemein zu mir sind. / Warum es in unserem Wohnzimmer so schön ist. / Warum ich Operetten mag und gerne zu Piazzolla tanze.
Gerhard Riedl
Vielen Dank – ich habe meinen Blogtext mit den Link auf diesen Artikel ergänzt. Meine Stellungnahme findet sich dort im Kommentarbereich.
Michael Tausch
Hallo Jochen,
Gerhard Riedl wurde in München ziemlich gemobbt, er konnte offensichtlich das ihm Gezeigte nicht umsetzen. Nachzulesen in seinem Buch.
Sein Video auf YouTube zeigt auch seinen Mangel an Musikalität und Bewegung… Offensichtlich hat dieser Mann nie Kritik verstehen wollen und reagiert darauf nur trotzig.
Eine Verbesserung seiner Bewegungsabläufe kommt dabei nur wenig voran.
Seine Behauptung, er könne mit jeder Frau tanzen, ist nur seine Wahrheit.
Tatsächlich habe ich noch nie einen so großen Angeber mit so wenig Leistung gesehen.
Seine Veröffentlichungen im Internet dienen einzig seinem trotzigen Gehabe, mit den Tanzschulen abzurechnen, oder andere Blogger in ein schlechtes Licht zu rücken ( Zu wenige Artikel usw.).
Mittlerweile kann er sich einen Orden für den unbeliebtesten Tangotänzer ( wenn er es doch noch lernt ) abholen.
Sehr oft provoziert er andere Menschen mit nur einem einzigen Ziel – Inhalte für seinen Blog; ansonsten gehen ihm die Ideen aus. In der Pandemie war das sehr gut zu erkennen. Hatte er doch seine alten Feindbilder aus den Augen verloren und musste völlig andere Themen in seinem „Ein amüsant-satirischer Ratgeber zum argentinischen Tango“ Buch erörtern.
Mit Themaverfehlung nimmt er es nicht genau, solange er Leser findet.
Wenn er dann einen Rechtschreibfehler in den Kommentaren findet, macht ihn das so richtig happy!
Am Ende hat er dann mit seinen eloquenten Giftpfeilen auch noch auf den eigenen Freundeskreis gezielt und auch das kann man in seinem Buch lesen.
Ob das auch wieder Satire sein soll? – die Freunde ist er jedenfalls los geworden, so wie er schreibt…
Gehard Riedl hätte es lassen sollen. Seine „Satire“ hat wenig bis gar nichts bewirkt.
Die Münchner tanzen und lernen immer noch so wie sie es möchten und ich kenne auch keine Schule, die seinetwegen daran etwas verändert hätte.
Der einzige Weg wäre gewesen, selbst nach seiner Überzeugung zu unterrichten und mit der Zeit diesen Weg zu etablieren.
Als mir selber irgendwann die Tanzmusik auf dem Milongas nicht mehr so gut gefiel, hatte ich kurzerhand selbst aufgelegt. Ziemlich schnell gab es Trittbrettfahrer und das Ziel war erreicht. Das kostet Zeit bis man den Bogen raus hat, ist aber einfacher, als andere gegen den Karren zu fahren und mehr Spaß macht es definitiv.
Beste Grüße an die Münchner Tänzerinnen und Tänzer
Michael T.
Gerhard Riedl
Herzlichen Dank! Meine Replik findet man hier:
https://milongafuehrer.blogspot.com/2023/05/offener-brief-michael-tausch.html