„Tan­go es cami­nar“. (Tan­go ist Gehen.) / „El tan­go se cami­na.“ (wörtl. Der Tan­go geht sich)

„Bailar el tan­go es cami­nar como uno cami­na en la cal­le.“ (Tan­go tan­zen heißt, so zu gehen, wie man auf der Stra­ße geht.)

War­um kön­nen nur die wenigs­ten Män­ner so ent­spannt und locker tan­zen, wie man auf der Stra­ße geht bzw. noch bes­ser spa­ziert oder fla­niert? Oder genau­er gesagt: Wie man frü­her spa­zier­te bzw. fla­nier­te. Heu­te ren­nen die meis­ten ja nur noch mit Gei­er­hals und Rund­rü­cken per­ma­nent aufs Han­dy glot­zend durch die Gegend. 

Ein Grund sind die man­geln­den kör­per­li­chen Vor­aus­set­zun­gen und vor allem die schlech­te Hal­tung, über die ich bereits einen eige­nen Bei­trag geschrie­ben habe. Eine Fol­ge ist, dass kaum mehr jemand „nor­mal“ bzw. „rich­tig“ gehen kann.

Ver­nünf­tig wäre es jetzt, den Män­nern erst­mal wie­der nor­ma­les Gehen bei­zu­brin­gen. Wenn man die­ses „Walk Cycle“ Video lang­sam (am bes­ten mit 0.25x) abspielt und bei 0:04 („Cont­act“) anhält, sieht man, dass beim nor­ma­len, locke­ren Gehen das vor­de­re Bein fast ganz gestreckt ist und der Fuß mit der Fer­se auf­setzt. Ent­spre­chend soll­ten die Män­ner auch im Tan­go zunächst mal ganz nor­mal ihren Fuß über die Fer­se abrol­len.

Nor­ma­les, rich­ti­ges Gehen pas­send zur Musik soll­test du auch immer wie­der im All­tag üben. Immer wenn du län­ger gehst (und das soll­test du bekannt­lich regel­mä­ßig machen) gehst du zu Musik mit einem kla­ren Akzent / Puls / Beat. Wo die Beto­nung liegt ist egal, in unse­rer typi­schen Pop­mu­sik meis­tens auf den gera­den Takt­schlä­gen (2, 4, 6, 8) wie zum Bei­spiel in den fol­gen­den Songs: Keep It Simp­le, Mal­heur Mal­heur und Your Song. Jetzt ver­suchst du die Fer­se immer genau auf das Schnip­sen auf­zu­set­zen. Wenn du lie­ber zu Tan­go­mu­sik gehst, nimmst du z.B. El Once, 9 de Julio oder El Adi­os. Hier setzt du den Fuß auf die UNge­ra­den Takt­schlä­ge (1, 3, 5, 7) auf. Wei­te­re schö­ne Musik fin­dest du hier. Beim Vals setzt du den Fuß ent­spre­chend auf die 1 auf. Hier eine Aus­wahl schö­ner Val­ses. Unter­schied­li­che Rhyth­men und Tem­pi fin­dest du in mei­ner Play­list.

Statt­des­sen erzählt man ihnen gleich zu Beginn, dass sie ihren Fuß flach oder (noch schlim­mer) mit dem Bal­len bzw. den Zehen auf­set­zen sol­len. Die Fol­ge davon ist, dass vie­le ihr Becken nach vor­ne schie­ben und den Fuß mit gebeug­ten Knien aufsetzen. 

Das ele­gan­te­re, aber tech­nisch schwie­ri­ge­re Auf­set­zen mit dem Mit­tel­fuß bzw. dem Bal­len soll­te m.E. erst auf fort­ge­schrit­te­nem Niveau unter­rich­tet werden. 

Noch schlim­mer wird es, wenn sie ihr Gewicht nach vor­ne auf den Bal­len ver­la­gern und sich (im Api­la­do Stil) nach vor­ne leh­nen sol­len. Man kann das ganz ein­fach sel­ber aus­pro­bie­ren, um zu mer­ken, dass man nicht mehr weich und locker gehen kann, son­dern stän­dig in den Schritt „rein­fällt“ und viel zu hart auf den Boden auf­trifft. Und wenn die Tanz­part­ner dann noch von Anfang an eng zusam­men­kle­ben sol­len, ist ein ent­spann­tes Gehen ein­fach nicht mehr möglich. 

Ein wei­te­rer Grund ist, dass Anfän­ger – anstatt erst­mal ent­spann­tes Gehen zu ler­nen – völ­lig unsin­ni­ge Schritt­fol­gen wie den „Grund­schritt“ (Paso basi­co / Bas­se) ler­nen. Ger­hard Riedl hat Das Kreuz mit der Bas­se bereits aus­führ­lich beschrie­ben. Außer den bereits beschrie­be­nen Nach­tei­len setzt sich durch die­sen Quatsch in den Köp­fen der Leu­te die Vor­stel­lung fest, dass man Tan­go auf der Stel­le tanzt, ent­we­der indem man ein recht­ecki­ges „Kastl“ abtanzt oder (noch spar­sa­mer) indem man nur noch ein biss­chen rechts- und links­rum dreht. Das Ergeb­nis sind dann ster­bens­lang­wei­li­ge STEH­lon­gas, bei denen die meis­ten Paa­re kei­nen ein­zi­gen Meter vorwärtskommen.