Englisch & Sport am Gymnasium und Tango!

Tango Lehrplan für Anfänger

In mei­nem Bei­trag über guten Tan­go-Unter­richt kri­ti­sie­re ich, dass der übli­che Unter­richt oft völ­lig unstruk­tu­riert und plan­los ist. Jede Stun­de wird irgend­was Neu­es gemacht, es wird kaum oder häu­fig gar nicht wie­der­holt, Neu­es wird nur sel­ten mit bereits Bekann­tem ver­knüpft und es ist kei­ne in sich logi­sche Abfol­ge von Inhal­ten („Pro­gres­si­on“) erkenn­bar. Im Fol­gen­den mein „Lehr­plan“ für Anfänger. 

Ich beschrei­be aus­schließ­lich INHALTE, also wel­che Schrit­te / Figu­ren ich in wel­cher Rei­hen­fol­ge unter­rich­te. Zum The­ma Musik bzw. Musi­ka­li­tät habe ich einen eige­nen Bei­trag geschrieben. 

Didaktisch-methodische Grundsätze

  • Alle Bewe­gun­gen / Schrit­te üben wir erst­mal (natür­lich pas­send zu Musik) allei­ne. Erst wenn man sei­ne eige­nen Schrit­te aus­rei­chend auto­ma­ti­siert hat und sich nicht mehr zu stark dar­auf kon­zen­trie­ren muss, kann der Mann Füh­rungs­im­pul­se geben und die Frau sie auf­neh­men. Danach tan­zen wir in Übungs­hal­tung und anschlie­ßend in offe­ner Tanz­hal­tung. Erst nach viel Übung pro­bie­ren wir es in enger Tanz­hal­tung.
  • Grund­sätz­lich ver­su­chen wir alles auf bei­den Sei­ten bzw. in bei­de Rich­tun­gen zu tan­zen. Also ler­nen wir das Kreuz von Anfang an auch auf der „geschlos­se­nen“ Sei­te und tan­zen die Moli­ne­te auch im Uhrzeigensinn. 
  • Um die (moto­ri­sche bzw. neu­ro­na­le) Fle­xi­bi­li­tät bzw. „Beid­sei­tig­keit“ zu för­dern, wech­seln wir immer mal wie­der die Tanz­hal­tung und fas­sen uns auf der ande­ren Sei­te (vom Mann aus rechts). 
  • Nach dem Grund­satz „Ich kann als Mann nichts füh­ren, wenn ich nicht wenigs­tens eine gro­be Vor­stel­lung davon habe, was die Frau eigent­lich macht“ lernt der Mann „Frau­en­schrit­te“ und anders­her­um. So lernt der Mann z.B. das Kreuz der Frau und die Frau Vor­wärts-Gehen (das sie dann z.B. für Vor­wärts-Ochos braucht). 
  • Alle Schrit­te ler­nen / üben wir zunächst im 4/4 Takt und über­tra­gen sie dann auf den 3/4 Takt. Sobald wir etwas in 4/4 zu flot­ter Musik beherr­schen (wie z.B. Feli­cia), tan­zen wir es zu Milon­ga Musik. 
  • Zu Beginn jeder Stun­de wie­der­ho­len wir die Inhal­te der letz­ten Stun­de. Alles Neue wird mit bereits Bekann­tem ver­bun­den, so dass mög­lichst viel­fäl­ti­ge Varia­tio­nen entstehen. 
  • Oft gibt es eine „Haus­auf­ga­be“ (z.B. in Form eines Vide­os) um das Gelern­te zu Hau­se zu wie­der­ho­len und zu üben. Für die rhyth­mi­sche Struk­tur der Musik z.B. die­ses Video und zum Üben der Dis­so­zia­ti­on die­ses.

Gehen

  • „Nor­ma­les“ Gehen (hal­be Noten, also auf 1, 3, 5 und 7). 
  • „Lang­sa­mes“ Gehen (gan­ze Noten, also auf 1 und 5). 
  • Kom­bi­na­tio­nen aus nor­ma­lem und lang­sa­men Schritten. 
  • „Schnel­les“ Gehen (auf Viertel-Noten). 
  • Kom­bi­na­tio­nen aus nor­ma­len und schnel­len Schritten. 
  • Gehen in allen drei Geschwindigkeiten.

Drehen am Ort

  • Dre­hen links und rechts her­um im nor­ma­len und schnel­len Tempo.
  • Kom­bi­na­tio­nen aus nor­ma­len und schnel­len Schritten. 

Kreuz

  • Gekreuz­te Wech­sel­schrit­te vor­wärts und rückwärts. 
  • Zwei nor­ma­le Schrit­te und ein Kreuz auf bei­den Seiten. 
  • Das­sel­be mit Wiegeschritten. 
  • Kreuz ohne Verdoppelung. 
  • Zwei nor­ma­le Schrit­te und zwei Kreuz (wie­der auf bei­den Seiten). 

Ocho cortado

  • Grund­form.
  • Ein­fa­che Variationen.

Ochos

  • Üben der Dis­so­zia­ti­on am Ort.
  • Ana­log zum Gehen: Erst lang­sa­me Ochos (gan­ze Noten), dann nor­ma­le (hal­be Noten) und schnel­le „Baby Ochos / Ochi­tos“ (Vier­tel-Noten) in ver­schie­de­nen Kombinationen. 
  • Wir begin­nen mit Vor­wärts-Ochos, weil sie tech­nisch deut­lich ein­fa­cher sind. Erst wenn die klap­pen, kom­men Rückwärts-Ochos. 
  • Ochos mit Wie­ge­schrit­ten kombinieren. 

Parada / Pasada

  • Aus dem Vor­wärts-Ocho, zunächst zur offe­nen Sei­te, dann auch zur geschlossenen.
  • Aus dem Vor­wärts-Ochos mit Variationen.
  • Aus dem Rück­wärts-Ocho mit Sandwich. 

Molinete

  • Auf 8 in bei­de Richtungen.
  • Mit Wie­ge­schrit­ten kombinieren. 

Ganchos

  • Aus dem Vor­wärts-Ocho auf der offe­nen Seite. 
  • Aus der Mir­ror Position. 
  • Aus dem Vor­wärts-Ocho auf der geschlos­se­nen Seite. 
  • Aus der Gegen­über­stel­lung auf der geschlos­se­nen Seite. 

Barrida

  • Aus dem Rückwärts-Ocho.
  • Aus dem Gehen. 

Rebotes

  • Ver­schie­de­ne Kombinationen. 

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Tango „musikalisch“ tanzen

  1. Lie­ber Herr Lüders,
    vie­len Dank für die­sen sehr infor­ma­ti­ven Artikel!
    Ich gebe sel­ber kei­nen Unter­richt, aber trotz­dem möch­te ich aus Lai­en­sicht einen Punkt anmer­ken, der für mei­nen eige­nen Tanz sehr wich­tig ist: Tan­go ist ein Paar­tanz, und die­ser Aspekt fehlt aus mei­ner Sicht in Ihrem Lehrplan.

    1.) Ganz grund­sätz­lich gefragt: Wie funk­tio­niert Füh­ren und Fol­gen? Was ist die Ver­bin­dung im Paar? Und wie funk­tio­niert der Dia­log im Paar, opti­ma­ler­wei­se in jedem ein­zel­nen Schritt?

    2.) Die Kon­se­quenz der Ver­bin­dung ist, dass ich als Füh­ren­der die Bewe­gun­gen mei­ner Tanz­part­ne­rin beglei­te. Wenn Sie den Füh­ren­den die Schrit­te zunächst allein üben las­sen: Besteht dann nicht die Gefahr, dass der Füh­ren­de sei­ne auto­ma­ti­sier­ten Schritt­fol­gen abschrei­tet und die Fol­gen­de dann zuse­hen muss, wie sie damit klar kommt? Das sehe ich auf Milon­gas lei­der ziem­lich häu­fig. Und zwar nicht nur bei Anfän­gern, son­dern durch­aus auch bei Men­schen mit 5+ Jah­ren Tan­go Erfahrung.

    3.) Die Logik des Tan­zens ist aus mei­ner Sicht genau anders her­um als Sie es unter­rich­ten. Für mich als Füh­ren­den ist die Fra­ge nicht „Wel­che Schrit­te muss ich machen, damit die Figur gelingt?“ son­dern viel­mehr „Wel­che Schrit­te muss ich bei mei­ner Tanz­part­ne­rin füh­ren, damit als Ergeb­nis mei­ner Füh­rung die gewünsch­te Figur herauskommt?“ 

    4.) Und da wir als Paar tan­zen, muss ich bei jeder Figur die Dyna­mik und die Schrit­te mei­ner Tanz­part­ne­rin beach­ten. Ich kann mir schwer vor­stel­len, wie ich die Dyna­mik einer Figur ohne eine Tanz­part­ne­rin ler­nen soll.

    Mir ist nicht ganz klar, wie Sie mit die­sen Aspek­ten umge­hen. Behan­deln Sie die­se Aspek­te spä­ter im Unter­richt oder wie gehen Sie damit um?

    Lie­be Grüße,

    Hel­ge Schütt

    • > „Tan­go ist ein Paar­tanz, und die­ser Aspekt fehlt aus mei­ner Sicht in Ihrem Lehrplan.“

      Das stimmt, aber dar­um geht es mir auch gar nicht. Ich bin Eng­lisch- und Sport-Leh­rer und im Kon­text Schu­le bedeu­tet „Lehr­plan“ ein­fach nur eine Auf­lis­tung von INHALTEN (ich habe zusätz­lich noch ein paar didaktisch‑m. Grund­sät­ze ergänzt). Also steht z.B. im Lehr­plan Sport für die 5. Klas­sen, dass die Schü­ler in Fuß­ball die Grob­for­men von Ball füh­ren, stop­pen, pas­sen und schie­ßen ler­nen sol­len. Sog. „affek­ti­ve“ Lern­zie­le (wie „Freu­de am Fuß­ball spie­len“) und metho­di­sche Wege ste­hen NICHT im eigent­li­chen Lehr­plan. Ich habe also ledig­lich beschrie­ben WAS ich in WELCHER REIHENFOLGE sel­ber unter­rich­te bzw. was ich vorschlage. 

      > „Wie funk­tio­niert Füh­ren und Folgen? […]

      Eine m.E. gute Beschrei­bung bie­tet: https://jochenlueders.de/?p=10362

      Aber Sie kön­nen ein Dut­zend sol­cher Arti­kel lesen und trotz­dem „wis­sen“ Sie nur auf einer rein kogni­ti­ven Ebe­ne wie es funk­tio­niert. Die­ses „Wis­sen“ nützt Ihnen fürs Tan­zen aber gar nichts. Füh­ren und Fol­gen ler­nen Sie nur durch (sel­ber) FÜHLEN bzw. SPÜREN. 

      Neh­men wir als Bei­spiel das Kreuz. Bei mir ler­nen Sie natür­lich erst­mal ihre eige­nen Schrit­te, aber auch (zumin­dest in der Grob­form) die Schrit­te der Frau. Wenn sie die hin­rei­chend beherr­schen, tan­zen wir zusam­men das Kreuz, dabei füh­re ich und Sie fol­gen und SPÜREN, wie sich das Kreuz für die Frau anfühlt. Sie ver­ste­hen und ler­nen also, wann sie wel­che Impul­se braucht. [Mei­ne The­se ist, dass wir Män­ner nichts rich­tig füh­ren kön­nen, wenn wir nicht zumin­dest eine gro­be Vor­stel­lung davon haben, was die Frau über­haupt macht]. Dann wech­seln wir die Rol­len, SIE füh­ren und ich gebe Ihnen Feed­back, wie sich ihre Füh­rung für mich anfühlt. Also ob Ihr Impuls fürs Kreuz zu schwach, zu stark oder gera­de rich­tig war, ob der Zeit­punkt zu früh, zu spät oder gera­de rich­tig war, ob Sie (unbe­wusst) an mir rum­schie­ben bzw. ‑zie­hen usw. Durch stän­di­ges Üben / Wie­der­ho­len ver­bun­den mit qua­li­fi­zier­tem (!) Feed­back ver­bes­sert sich im Lauf der Zeit (hof­fent­lich) Ihre Füh­rung bzw. die Kom­mu­ni­ka­ti­on im Paar. 

      > „Besteht dann nicht die Gefahr, […] wie sie damit klar kommt?“

      Ja natür­lich. Aber mei­ne The­se ist, dass ich mich als Mann erst dann auf Füh­rung kon­zen­trie­ren kann, wenn ich mei­ne eige­nen Schrit­te bzw. Bewe­gun­gen weit­ge­hend auto­ma­ti­siert habe. Und erst wenn ich die Füh­rung weit­ge­hend auto­ma­ti­siert habe, kann ich mich auf die Musik und ihre tän­ze­ri­sche Umset­zung kon­zen­trie­ren. Im typi­schen Tan­go-Unter­richt soll der Mann aber alles drei gleich von Anfang machen. Und das kann nicht funk­tio­nie­ren und führt nur zu Frustration. 

      > „Wel­che Schrit­te muss ich bei mei­ner Tanz­part­ne­rin führen […]“

      Sie­he oben. Das Eine ist mei­ner Mei­nung nach die Vor­aus­set­zung für das Andere. 

      > „Ich kann mir schwer […] Tanz­part­ne­rin ler­nen soll.“

      Stimmt, das geht nicht. Aber das schrei­be / behaup­te ich doch auch nir­gends, oder?

      > „Behan­deln Sie die­se Aspek­te spä­ter im Unterricht“

      Nein, natür­lich nicht, das wäre ja völ­lig absurd. Führen/Folgen bzw. Kom­mu­ni­ka­ti­on im Paar beginnt mit unse­ren ers­ten (Pendel-)Schritten.

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