Vertretung in einer 9ten: Anstatt die Stunde blöd im Klassenzimmer abzusitzen, gehen wir in eine freie Halle und spielen Fußball. Bis auf eine Vereinsspielerin kann kein Mädchen auch nur ansatzweise spielen. Alle rennen wie ein Hühnerhaufen dem Ball nach. Sobald der Ball in die Nähe kommt, bolzen sie planlos irgendwohin, keine Spur von Ballkontrolle, Freilaufen und sinnvollen Pässen. Auf die Frage, ob sie schon mal Fußball gelernt bzw. gespielt hätten, antworten die meisten mit „Nein“, ein paar meinen, sie hätten ein paar Mal am Ende der Stunde „vielleicht zehn Minuten lang“ gespielt.
Basketball in einer 11ten: Bis auf eine frühere Vereinsspielerin kann kein Mädchen auch nur ansatzweise spielen. Beim Passen haben alle das falsche Bein vorne, dadurch können sie keine längeren Pässe spielen. Drei beherrschen den Korbleger wenigstens in der Grobform, alle anderen kennen ihn offensichtlich nicht mal, denn sie bleiben viel zu weit vom Korb entfernt stehen und versuchen aus dem Stand zu werfen. Keinerlei Spielverständnis, kein Verständnis von „freilaufen / sich anbieten“, chaotischer Hühnerhaufen. Auf der Frage, ob sie schon mal … [Antwort siehe oben].
Badminton in einer 12ten: Mindestens ein Drittel trifft bei der Aufgabe von unten den Ball nicht. Fast alle haben beim Überkopf-Clear wieder das falsche Bein vorne (viele zusätzlich auch noch den Ellenbogen), so dass kein vernünftiger Schlag möglich ist. Große Empörung, als ich erkläre, dass wir ganz von vorne anfangen müssen. Sie hätten Badminton schon gemacht und alle hätten entweder eine 1 oder 2 bekommen.
Eine neue Studie der WHO befasst sich mit dem katastrophalen Bewegungsmangel in Deutschland vor allem bei Teenagern. Danach bewegen sich 88% der 11- bis 17-jährigen Mädchen zu wenig (Quelle). Meiner Meinung nach trägt der Mädchen-Sportunterricht am Gymnasium eine erhebliche Mitschuld an diesem Desaster, denn er fordert viel zu wenig (bzw. oft nichts) und fördert dadurch zu wenig (bzw. überhaupt nicht).
Seit über 35 Jahren ärgere ich mich über den Sportunterricht für Mädchen, habe aber um des lieben Friedens willen (meistens) die Klappe gehalten. Höchste Zeit also für einen unausgewogenen Beitrag. Und damit es nicht beim Jammern bzw. Meckern bleibt, gibt es zu jedem Punkt konkrete Vorschläge, was sich meiner Meinung nach ändern müsste.
Und ja doch, ich weiß, dass es – GöttinSeiDank – nicht DEN Unterricht und DIE Mädchen gibt. Wenn also im Folgenden die Rede von „Mädchen“ ist, sind damit immer „viele“ bzw. „zu viele“ gemeint und wenn es um Unterricht geht, ist immer „oft“ bzw. „zu oft“ gemeint. Und nein, es ist nicht meine ganz „private“ Meinung, die nur auf den Beobachtungen / Erfahrungen an meiner Schule basiert, ich habe den Text vor Veröffentlichung diversen Sport-Kollegen geschickt und alle haben meine Analyse weitgehend bestätigt.
Noten
Ein zentrales Problem ist die häufig völlig absurde Benotung. Wie oft habe ich Notenlisten bekommen, auf denen es nur die Noten 1 und 2 gab. Auch als Klassenleiter sieht man die Sportnoten der Mädchen und wundert sich, dass selbst die dicke Chantal, deren Pausenverpflegung grundsätzlich aus Chips besteht, im Sport „gut“ sein soll. In der Oberstufe hat man es dann mit Schülerinnen zu tun, die nicht werfen bzw. schießen können, beim Korbleger nicht mit einem Bein abspringen können, keine Volleyball-Angabe übers Netz bringen und beim Badminton auch nach Wochen kaum eine Aufgabe treffen. Und alle hatten bislang nur Einser und Zweier (ganz vereinzelt vielleicht mal eine Drei) im Zeugnis.
Auf die Frage, welchen Sinn diese lächerlichen Noten haben sollen, gibt es typischerweise zwei Antworten: Erstens soll Sport doch „Spaß machen“ und zweitens „motivieren“ gute Noten.
Macht es „Spaß“, wenn man beim Fußball den Ball nicht trifft bzw. meterweit neben das Tor schießt, beim Basketball auch beim x‑ten Versuch nicht in den Korb trifft, beim Volleyball keine Aufgabe hinkriegt, 12,5m „weit“ wirft und 2,30m „weit“ springt? Freut sich irgendjemand, wenn im Zeugnis bescheinigt wird, dass das alles insgesamt „gute“ Leistungen sind? Für wie blöd halten wir unsere Schülerinnen eigentlich? Sie wissen doch ganz genau, dass diese Noten keinerlei Aussagewert haben und nichts wert sind und man sich deshalb auch nicht drüber freuen kann. Sport macht erst Spaß, wenn man etwas (zumindest ein bisschen) kann. Und noch mehr Spaß macht es, wenn man (durch geduldiges Üben) besser wird.
Das zweite Argument mit der „motivierenden“ Wirkung von guten Noten, ist ebenfalls Quatsch. Motiviert eine 2 in irgendeinem anderen Fach sich (noch mehr) anzustrengen? Nö, passt doch (wenn ich nicht gerade später Medizin studieren will und dafür ein Einser-Abitur brauche). Die schlechten Schülerinnen denken sich zu Recht „Wozu soll ich mich anstrengen, geht doch auch so?“ und die guten denken sich „Wozu soll ich mich anstrengen, wenn auch die größte Niete automatisch eine 3 bekommt?“. Wenn das mit der motivierenden Wirkung von guten Noten stimmen würde, dann gäbe es ja wohl nicht so viele derart unsportliche Mädchen.
Viel schlimmer ist jedoch, dass es aufgrund dieser grotesken Notengebung (die sich leider bei den Sport-Kollegen auch immer mehr verbreitet) keine echten Erfolgserlebnisse (mehr) gibt. Nur Erfolge, für die wir uns anstrengen mussten/müssen, verschaffen uns bekanntlich eine echte Befriedigung. Da die meisten Mädchen für null Anstrengung bereits eine 2 bekommen, lernen bzw. erfahren sie nie, wie „mega“ es sich anfühlt, wenn man sich durch eigene Anstrengung verbessert hat und eine bestimmte Note wirklich verdient hat.
Wenn man Schülerinnen alle potentiell „frustrierenden“ Erlebnisse ersparen möchte, lernen diese natürlich auch keine Frustrationstoleranz (neudeutsch: Resilienz) mehr. Ein zentraler Bestandteil des Sports ist nun mal zu lernen, mit Misserfolgserlebnissen und Niederlagen umzugehen. Wenn es nur noch gute Noten gibt und nur noch „kooperative“ Spiele gespielt werden, kann natürlich niemand mehr psychische Widerstandskraft entwickeln.
Was müsste sich ändern? Als erstes müsste es mal realistische Noten geben. Wenn jemand z.B. nach mehreren Übungseinheiten beim Werfen immer noch ständig das falsche Bein vorne hat, ist das nun mal eine mangelhafte Leistung. Und wenn man in Fußball nach wochenlangem Üben den Ball immer noch mit der Fußspitze / Pike schießt, ist das auch keine „befriedigende“ Leistung mehr. Die Tatsache, dass es bei einzelnen Leistungen auch schlechte Noten gibt, schließt ja nicht aus, dass im Leistungsbericht bzw. Zeugnis aus pädagogischen Gründen („Sie hat sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten bemüht“) eine Vier steht, auch wenn es rein rechnerisch ein Bomben-Fünfer wäre. [Mit „Noten im Sport“ habe ich mich ausführlich in diesem Beitrag befasst.]
Außerdem sollten die Mädchen die Möglichkeit haben, die Note zu verbessern. Eine Seilkür, Liegestütze, Jonglieren etc. kann man ganz schnell vor Unterrichtsbeginn oder in einer Pause machen. Nach meiner Erfahrung motiviert kaum etwas mehr als wenn man durch Üben irgendwo besser geworden ist und das dann auch durch eine bessere Note honoriert wird. [Näheres in diesem Beitrag.]
Bei den Sportspielen sollten Techniknoten nicht punktuell am Ende der Unterrichtseinheit gemacht werden („Nächste Stunde mache ich Noten“), sondern die letzten 2–3 Stunden während der GANZEN Stunde, also auch z.B. beim Einwerfen. Was nützt es, wenn sie sich mal wegen der Notenabnahme ein paar Sekunden lang konzentrieren und beim Korbleger mit einem Bein abspringen, davor und danach aber seelenruhig stehenbleiben und aus dem Stand werfen oder einen beidbeinigen Hopser machen?
Leistungsbereitschaft & Disziplin
Eine unmittelbare Folge der hinterhergeschmissenen Noten ist die oftmals katastrophale Leistungsbereitschaft und mangelnde Disziplin. Normalerweise hat man in Bayern als Sportlehrer Mädchen nur in der 5. und 6. Klasse und dann erst wieder in der Oberstufe. Wegen Corona hatte ich in den letzten Jahren aber auch plötzlich Mädchen in der 8. oder 9. Klasse. Und das war noch schlimmer als ich es erwartet hatte. Schon das Umziehen dauert ewig, dann kommen sie lustlos in die Halle gelatscht, viele haben kein Sportzeug bzw. kommen ohne vernünftige Schuhe („Bei Frau XY dürfen wir auch in Socken mitmachen“) und anstatt, wie gewünscht, irgendwas mit den bereit liegenden Bällen, Seilen etc. zu machen, hocken sie sich erstmal hin und quatschen. Im weiteren Verlauf der Stunde werden Anweisungen weitgehend ignoriert bzw. mit einem „Kann ich nicht“ abgeschmettert. Aber wehe, wenn man feststellt, dass sie irgendwas NICHT können, dann ist die Empörung groß, denn so eine Feststellung ist natürlich „sexistisch“. Ich entgegne dann gerne, dass es ja super sei, wenn Mädchen genauso gut seien wie Jungen, dann könnte ich z.B. bei der Benotung beim Werfen ja auch die gleichen Kriterien anlegen. Dann ist die Empörung noch größer, das sei total ungerecht, denn Mädchen „können schließlich nicht werfen“.
Was sich ändern müsste: Natürlich ziehen wir uns zügig um und haben vollständiges Sportzeug dabei. Zweimal pro Halbjahr darf das Sportzeug (oder Teile davon) vergessen werden, wenn es öfter vergessen wird, gibt es eine Mitteilung an die Eltern. Und wenn Materialien bereit liegen, machen ALLE etwas Sinnvolles damit und keine hockt sich erstmal hin (außer sie ist entschuldigt). Grundsätzlich gilt, dass sich niemand während des Unterrichts länger hinsetzen darf, ohne vorher mit der Lehrkräftin gesprochen zu haben. Kreislaufprobleme, Schwindel, plötzliche Wehwehchen – alles kein Problem, aber keine sitzt rum (und macht sich vielleicht noch über die anderen lustig), weil sie gerade „keinen Bock“ hat. Und es gibt auch keine „Alternativ“-Beschäftigungen mehr („Uns gefällt Basketball aber nicht, bei Frau XY dürfen wir stattdessen immer Frisbee spielen“).
Und es darf nicht mehr soviel Gerede geben. Ja doch, das sind sicherlich alles pädagogisch super-wertvolle Gespräche, wichtig fürs soziale Klima und den Zusammenhalt. Jede darf bzw. soll sagen, wie es ihr vor, während und nach der Stunde so geht, was ihr (nicht) gefallen hat und so weiter. Alles schön und gut, aber die entscheidende Frage ist doch: Sind diese Gespräche wichtiger als Bewegung? Wohl nur in den seltensten Fällen. Besonders augenfällig sind die Unterschiede wenn Jungen und Mädchen gleichzeitig auf dem Sportplatz sind. Ich hole meine Jungen zusammen und gebe das heutige Programm bereit: „Wir laufen uns 5 Minuten ein, dann üben wir weiter Ballannahme, Ball führen und Innenseitstoß und in der zweiten Hälfte spielen wir.“ Und dann geht’s los und alle müssen (gerne langsam) LAUFEN und keiner darf gehen. Die Mädchen sitzen im Kreis rum und reden. Wir sind mit dem Einlaufen fertig, die Mädchen sitzen noch immer. Irgendwann stehen sie dann mal auf und setzen sich in Bewegung, die meisten gehen gemächlich, gerne auch mit Handy in der Hand und Kopfhörern im Ohr. Danach geht es dann oft zur Weitsprunggrube, da sitzt man dann auch erstmal wieder rum …
Stattdessen sollte buchstäblich jede Minute Unterrichtszeit wertvoll sein und es sollte keine Zeit verschwendet werden. Und wenn ich schon unbedingt zum x‑ten Mal Weitsprung machen will (warum eigentlich???), dann mache ich das nicht mit der ganzen Gruppe, sondern teile sie und die andere Hälfte darf bzw. MUSS etwas anderes machen. Aber das sollte möglichst etwas sein, wo man sich bewegt und nicht nur (wie bei Baseball und Frisbee) rumsteht. Und die Lehrerin sollte sich immer wieder fragen, wie sie Abläufe (z.B. beim Auf- und Abbau von Geräten) verbessern bzw. beschleunigen und noch mehr Bewegungszeit „rausholen“ könnte.
Spielen
Nach meiner Erfahrung wird vor allem in der Unterstufe viel zu viel Zeit mit „kleinen“ Spielen vergeudet. Ja doch, Fangspiele, Brenn- und Jägerball, Matten-Schubsen & Co sind lustig und man kann sie gerne immer mal wieder (z.B. fürs Aufwärmen) machen. Aber viel wichtiger ist doch, dass man von Anfang an die Grundlagen vor allem fürs Werfen und Schießen legt. Wenn die Mädchen z.B. beim Brennball einfach irgendwie (also falsch) werfen dürfen, haben sich die Bewegungsabläufe irgendwann so verfestigt, dass man in der 7. Klasse keine Chance mehr hat, ihnen noch einen richtigen Wurf beizubringen. Und wenn ich dann die Mädchen in der 11. Klasse bekommen, sind sie frustriert, weil sie in Basketball keine langen Pass spielen können, in Leichtathletik lächerliche 15,40 m „weit“ werfen und in Badminton keinen Überkopf-Clear hinkriegen, weil sie ständig das falsche Bein (und den Ellenbogen) vorne haben und deshalb nicht richtig ausholen und werfen bzw. schlagen können.
Stattdessen üben wir richtiges Werfen von Anfang an und verlangen es dann auch z.B. bei Völkerball. Wenn jemand beim Wurf das falsche Bein vorne hat, bekommt die gegnerische Mannschaft den Ball. Und wir lernen ebenso von Anfang an, dass wir den Fußball nicht mit der Schuhspitze („Pike“) führen und schießen, sondern mit dem Innenspann bzw. der Innenseite. Und ja doch, das dauert alles endlos und ist mühsam und oft frustrierend. Aber wenn sie es nicht gleich in der 5. Klasse richtig lernen, lernen sie es nie mehr!
Und dann muss einfach viel häufiger bzw. viel länger gespielt werden. Im Jungen-Sport ist es üblich, dass die Doppel-Stunde halbiert wird. In der ersten Hälfte wird irgendwas geübt, in der zweiten Stunde wird gespielt. Nach meinem Eindruck (der immer wieder z.B. in Vertretungsstunden von Schülerinnen bestätigt wurde) wird, falls überhaupt, meistens nur ganz kurz am Stundenende in den letzten 10 Minuten gespielt.
Der Grund dafür ist meistens eine falsche Schwerpunktsetzung. Der Mädchensport orientiert sich noch viel zu sehr an den typischen Schulsportarten wie Turnen und Leichtathletik und viel zu wenig an den real life Sportarten. Der Sportunterricht bereitet die Mädchen viel zu selten auf das „wahre“ Leben nach der Schule vor. Wer turnt nach der Schule noch am Boden oder an irgendwelchen Geräten bzw. springt in eine Sandgrube? Wenn man mal von Laufen / Joggen absieht, tauchen Leichtathletik und Geräteturnen bei den beliebtesten aktiv betriebenen Sportarten überhaupt nicht auf. Und dass nur 14% der Frauen eine Mannschaftssportart ausüben, liegt m.E. in erster Linie daran, dass die Mädchen in der Schule nie gelernt haben richtig zu spielen, sondern immer nur läppische „kleine Spiele“ gespielt haben. Im Mädchensport spiegelt sich nur selten wider, was außerhalb der Schule passiert, Initiativen wie z.B. „Mädchen an den Ball“ werden meistens komplett ignoriert.
Kein Wunder, dass auf diese Weise kein Spielverständnis entstehen kann. Egal, ob ich in Vertretungsstunden Fußball, Basketball oder Hockey spielen ließ, fast immer herrschte das „Hühnerhaufen“-Syndrom: Alle rennen dem Ball hinterher und schießen / werfen / schlagen ihn einfach irgendwo hin. Deshalb muss zusätzlich zur Technik auch ein elementares Spielverständnis aufgebaut und permanent geübt werden. Und wenn nach vielen Wochen beim Fußballspielen immer noch alle auf einem Haufen zusammenstehen und irgendwie auf den Ball bolzen, dann geben wir uns nicht damit zufrieden („Sind halt Mädchen“), sondern geben entsprechend schlechte Spielnoten (die wir vorher natürlich erläutert haben).
Und überhaupt akzeptieren wir nicht mehr, dass Mädchen „von Natur aus“ irgendwas nicht können. Mädchen „haben einfach keine Kraft“? Kompletter Unsinn: „Es ist bekannt, dass bis zur Pubertät die Leistungsfähigkeit beider Geschlechter sich nahezu identisch entwickelt, und zwar in körperlicher wie psychischer Hinsicht.“ Und außerdem: „Im Schul- und Breitensport ist das Geschlecht unter allen Faktoren, die Einfluss auf die Leistung haben, praktisch der unwichtigste.“ (Quelle) Und außerdem machen 25% der Frauen nach der Schule irgendeine Form von „Kraftsport“. Deshalb machen wir von Anfang an Krafttraining und machen z.B. Noten auf Liegestütze, Wandsitzen, Hängen an der Stange / an den Ringen, usw. (dabei kann man sich natürlich wieder das ganze Schuljahr lang verbessern). Und dabei gelten in der Unterstufe (zumindest in der 5. und 6. Klasse) für Mädchen und Jungen die selben Tabellen bzw. Leistungsanforderungen. Und das heißt dann aber auch, dass ich in der Unterstufe z.B. bei Wurf- und Schusstechnik nach denselben Kriterien bewerte! Es darf nicht mehr sein, dass ein Junge für miese Schüsse mit der Pike eine 5 und das Mädchen eine 3 bekommt, weil Mädchen „das halt nicht können“.
Noga
Scheint sich im Bereich „Mädchensport“ in den letzten 40 Jahren kaum was geändert zu haben. Sommer: Leichtathletik, Winter: Geräteturnen bzw. Zirkeltraining / Jeweils im Wechsel 14tägig mit Schwimmen. Unterstufe: 10 Minuten am Schluß Brennball oder Völkerball – später dann Volleyball. Nur die Noten scheinen realistischer ausgefallen zu sein.
Jochen Lüders
Es ist einfach zum Verzweifeln! Ich hatte die Hoffnung, dass z.B. die großartigen Erfolge der Frauen-Fußballnationalmannschaft in den letzten Jahren etwas verändern würden, aber diese Hoffnung hat sich auch nicht erfüllt. Und dieses sterbenslangweilige Volleyball, wo selbst in der Oberstufe kaum je mal ein längerer Ballwechsel zustande kommt, geschweige denn irgendeine Spannung aufkommt und wo man nur rumsteht, ist totaler Mist (siehe auch https://jochenlueders.de/?p=15438).
Nora
Ich stimme Ihnen grundsätzlich zu, dass Noten, die nicht genug zwischen den guten und den weniger guten Schülern differenzieren, unnütz sind. In allen Fächern übrigens. Aber wenn schon in Fächern wie Mathe, Deutsch, Englisch/Französisch schöngefärbt wird, was das Zeug hält (4 Vokabeln von 10 gewusst? nur minimale Schreibfehler? zumindest war der gute Wille zum Wort erkennbar- das gibt noch eine 2-.…??) , damit der Klassendurchschnitt irgendwie gerettet werden kann, wieso soll es dann erst bei weniger greifbaren Fächern wie Sport plötzlich anders sein?
Ja, man sollte als Schüler theoretische Grundregeln über Ballsportarten und Leichtathletik lernen und vielleicht auch üben, aber ich weiß noch aus meiner Schulzeit, dass jeder so seine Sportart hat und bei Fußball hätte ich mich schon aus Angst vor Verletzungen nicht richtig einbringen wollen. Für die Benotung sollte man seine Disziplin auswählen dürfen (im Rahmen des Machbaren), schon auch aus dem Grund, dass nicht alle Schülerinnen die gleichen körperlichen Voraussetzungen mitbringen (Große, Kleine, mit schwächerem Bindegewebe, mit überdehnbaren Bändern etc.). Sport ist Gott sei Dank so vielfältig, dass man hier für die Benotung sehr viele Arten von Bewegung berücksichtigen kann. Wer gelenkiger ist, kann mit Gymnastik punkten, wer rhythmischer veranlagt ist, mit Tankchoreografien, wer der Ausdauertyp ist, mit Zirkel- oder Lauftraining. So wird auch niemandem der Spaß an der Bewegung verdorben.
Jochen Lüders
> Für die Benotung sollte man seine Disziplin auswählen dürfen
Wie soll das konkret aussehen?
Wir üben zum Beispiel fünf Wochen lang eine Tanz Choreo ein und am Ende frage ich: „Wer will sich jetzt benoten lassen?“ Und dann meldet sich jemand, der schon seit ein paar Jahren Hip Hop (oder was auch immer) tanzt und für die diese Choreo natürlich läppisch ist und bekommt 15 Punkte. Und danach meldet sie sich natürlich nicht mehr, weil sie außer Tanzen nichts kann. Und im Zeugnis soll sie dann 15 Punkte bekommen? Ist das dann eine „gerechte“ Note?
Und was mache ich mit denen, die einfach keinen Bock haben und sich bei keiner Disziplin melden? Die kriegen einfach keine Note? Oder muss ich sie dann doch zu irgendwas zwingen? Falls ja, nach welchen Kriterien zu was?
Wie schaut es mit Mitarbeit und Leistungsbereitschaft aus, wenn man weiß, dass es eh keine Noten gibt?
Dein Vorschlag macht aus dem SportUNTERRICHT ein (weitgehend freiwilliges) SportANGEBOT.
Nora
Ich kenne das eher so, dass man die Noten unterschiedlich gewichtet – also jeder bekommt eine Note auf jede Disziplin, die unterrichtet wird, aber für die Endnote werden die vom Schüler oder der Schülerin ausgewählten Sportarten stärker gewichtet. Ist für mich ein faires Konzept für beide Seiten.
Jochen Lüders
> also jeder bekommt eine Note auf jede Disziplin
Vorher hast du geschrieben: „Für die Benotung sollte man seine Disziplin auswählen dürfen.“ Was denn jetzt?
> aber für die Endnote […] stärker gewichtet.
Also gut: Wie soll das jetzt konkret funktionieren? Dürfen die SuS bestimmen, welche Sportarten wie stark gewichtet werden oder macht das der Lehrer? Also maximal zwei Sportarten dürfen mit 5 multipliziert werden, maximal zwei weitere mit 3 und alle anderen mit 1? Ganz schön aufwändig, ohne Excel-Tabelle geht’s dann nicht mehr.
Nora
Die Gewichtung wird vom Lehrer festgelegt. Excel ist die eine Möglichkeit oder auch beispielsweise Plattformen wie edupage (hier ein pdf dazu: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwiIjavVzcz-AhVaSvEDHS3mBKsQFnoECAQQAQ&url=https%3A%2F%2Feob.edupage.org%2Ffiles%2FSportnoten_in_edupage_eingeben.pdf&usg=AOvVaw0RHUFmVXE6lP4dvRSKRwdW), in denen du die Sportarten, die du im Unterrichts durchnehmen und bewerten möchtest einträgst und mit einer prozentualen Gewichtung versiehst. Das sind nur bescheidene Vorschläge meinerseits, nichts ist in Stein gemeißelt und die Diskussion, ob und wie Sport bewertet werden soll, wird schon seit Jahrzehnten erbittert geführt. 😉
Jochen Lüders
> die Diskussion [..] wird schon seit Jahrzehnten erbittert geführt.
Ich hoffe doch mal, dass weder mein Artikel noch unsere Diskussion „erbittert“ waren / sind. 😉