Früher Englisch & Sport am Gymnasium - Jetzt nur noch Tango!

Mädchensport

Ver­tre­tung in einer 9ten: Anstatt die Stun­de blöd im Klas­sen­zim­mer abzu­sit­zen, gehen wir in eine freie Hal­le und spie­len Fuß­ball. Bis auf eine Ver­eins­spie­le­rin kann kein Mäd­chen auch nur ansatz­wei­se spie­len. Alle ren­nen wie ein Hüh­ner­hau­fen dem Ball nach. Sobald der Ball in die Nähe kommt, bol­zen sie plan­los irgend­wo­hin, kei­ne Spur von Ball­kon­trol­le, Frei­lau­fen und sinn­vol­len Päs­sen. Auf die Fra­ge, ob sie schon mal Fuß­ball gelernt bzw. gespielt hät­ten, ant­wor­ten die meis­ten mit „Nein“, ein paar mei­nen, sie hät­ten ein paar Mal am Ende der Stun­de „viel­leicht zehn Minu­ten lang“ gespielt.

Bas­ket­ball in einer 11ten: Bis auf eine frü­he­re Ver­eins­spie­le­rin kann kein Mäd­chen auch nur ansatz­wei­se spie­len. Beim Pas­sen haben alle das fal­sche Bein vor­ne, dadurch kön­nen sie kei­ne län­ge­ren Päs­se spie­len. Drei beherr­schen den Korb­le­ger wenigs­tens in der Grob­form, alle ande­ren ken­nen ihn offen­sicht­lich nicht mal, denn sie blei­ben viel zu weit vom Korb ent­fernt ste­hen und ver­su­chen aus dem Stand zu wer­fen. Kei­ner­lei Spiel­ver­ständ­nis, kein Ver­ständ­nis von „frei­lau­fen / sich anbie­ten“, chao­ti­scher Hüh­ner­hau­fen. Auf der Fra­ge, ob sie schon mal … [Ant­wort sie­he oben]. 

Bad­min­ton in einer 12ten: Min­des­tens ein Drit­tel trifft bei der Auf­ga­be von unten den Ball nicht. Fast alle haben beim Über­kopf-Clear wie­der das fal­sche Bein vor­ne (vie­le zusätz­lich auch noch den Ellen­bo­gen), so dass kein ver­nünf­ti­ger Schlag mög­lich ist. Gro­ße Empö­rung, als ich erklä­re, dass wir ganz von vor­ne anfan­gen müs­sen. Sie hät­ten Bad­min­ton schon gemacht und alle hät­ten ent­we­der eine 1 oder 2 bekommen. 

Eine neue Stu­die der WHO befasst sich mit dem kata­stro­pha­len Bewe­gungs­man­gel in Deutsch­land vor allem bei Teen­agern. Danach bewe­gen sich 88% der 11- bis 17-jäh­ri­gen Mäd­chen zu wenig (Quel­le). Mei­ner Mei­nung nach trägt der Mäd­chen-Sport­un­ter­richt am Gym­na­si­um eine erheb­li­che Mit­schuld an die­sem Desas­ter, denn er for­dert viel zu wenig (bzw. oft nichts) und för­dert dadurch zu wenig (bzw. über­haupt nicht). 

Seit über 35 Jah­ren ärge­re ich mich über den Sport­un­ter­richt für Mäd­chen, habe aber um des lie­ben Frie­dens wil­len (meis­tens) die Klap­pe gehal­ten. Höchs­te Zeit also für einen unaus­ge­wo­ge­nen Bei­trag. Und damit es nicht beim Jam­mern bzw. Meckern bleibt, gibt es zu jedem Punkt kon­kre­te Vor­schlä­ge, was sich mei­ner Mei­nung nach ändern müsste. 

Und ja doch, ich weiß, dass es – Gött­in­Sei­Dank – nicht DEN Unter­richt und DIE Mäd­chen gibt. Wenn also im Fol­gen­den die Rede von „Mäd­chen“ ist, sind damit immer „vie­le“ bzw. „zu vie­le“ gemeint und wenn es um Unter­richt geht, ist immer „oft“ bzw. „zu oft“ gemeint. Und nein, es ist nicht mei­ne ganz „pri­va­te“ Mei­nung, die nur auf den Beob­ach­tun­gen / Erfah­run­gen an mei­ner Schu­le basiert, ich habe den Text vor Ver­öf­fent­li­chung diver­sen Sport-Kol­le­gen geschickt und alle haben mei­ne Ana­ly­se weit­ge­hend bestätigt. 

Noten

Ein zen­tra­les Pro­blem ist die häu­fig völ­lig absur­de Beno­tung. Wie oft habe ich Noten­lis­ten bekom­men, auf denen es nur die Noten 1 und 2 gab. Auch als Klas­sen­lei­ter sieht man die Sport­no­ten der Mäd­chen und wun­dert sich, dass selbst die dicke Chan­tal, deren Pau­sen­ver­pfle­gung grund­sätz­lich aus Chips besteht, im Sport „gut“ sein soll. In der Ober­stu­fe hat man es dann mit Schü­le­rin­nen zu tun, die nicht wer­fen bzw. schie­ßen kön­nen, beim Korb­le­ger nicht mit einem Bein absprin­gen kön­nen, kei­ne Vol­ley­ball-Anga­be übers Netz brin­gen und beim Bad­min­ton auch nach Wochen kaum eine Auf­ga­be tref­fen. Und alle hat­ten bis­lang nur Ein­ser und Zwei­er (ganz ver­ein­zelt viel­leicht mal eine Drei) im Zeugnis. 

Auf die Fra­ge, wel­chen Sinn die­se lächer­li­chen Noten haben sol­len, gibt es typi­scher­wei­se zwei Ant­wor­ten: Ers­tens soll Sport doch „Spaß machen“ und zwei­tens „moti­vie­ren“ gute Noten. 

Macht es „Spaß“, wenn man beim Fuß­ball den Ball nicht trifft bzw. meter­weit neben das Tor schießt, beim Bas­ket­ball auch beim x‑ten Ver­such nicht in den Korb trifft, beim Vol­ley­ball kei­ne Auf­ga­be hin­kriegt, 12,5m „weit“ wirft und 2,30m „weit“ springt? Freut sich irgend­je­mand, wenn im Zeug­nis beschei­nigt wird, dass das alles ins­ge­samt „gute“ Leis­tun­gen sind? Für wie blöd hal­ten wir unse­re Schü­le­rin­nen eigent­lich? Sie wis­sen doch ganz genau, dass die­se Noten kei­ner­lei Aus­sa­ge­wert haben und nichts wert sind und man sich des­halb auch nicht drü­ber freu­en kann. Sport macht erst Spaß, wenn man etwas (zumin­dest ein biss­chen) kann. Und noch mehr Spaß macht es, wenn man (durch gedul­di­ges Üben) bes­ser wird. 

Das zwei­te Argu­ment mit der „moti­vie­ren­den“ Wir­kung von guten Noten, ist eben­falls Quatsch. Moti­viert eine 2 in irgend­ei­nem ande­ren Fach sich (noch mehr) anzu­stren­gen? Nö, passt doch (wenn ich nicht gera­de spä­ter Medi­zin stu­die­ren will und dafür ein Ein­ser-Abitur brau­che). Die schlech­ten Schü­le­rin­nen den­ken sich zu Recht „Wozu soll ich mich anstren­gen, geht doch auch so?“ und die guten den­ken sich „Wozu soll ich mich anstren­gen, wenn auch die größ­te Nie­te auto­ma­tisch eine 3 bekommt?“. Wenn das mit der moti­vie­ren­den Wir­kung von guten Noten stim­men wür­de, dann gäbe es ja wohl nicht so vie­le der­art unsport­li­che Mädchen. 

Viel schlim­mer ist jedoch, dass es auf­grund die­ser gro­tes­ken Noten­ge­bung (die sich lei­der bei den Sport-Kol­le­gen auch immer mehr ver­brei­tet) kei­ne ech­ten Erfolgs­er­leb­nis­se (mehr) gibt. Nur Erfol­ge, für die wir uns anstren­gen mussten/müssen, ver­schaf­fen uns bekannt­lich eine ech­te Befrie­di­gung. Da die meis­ten Mäd­chen für null Anstren­gung bereits eine 2 bekom­men, ler­nen bzw. erfah­ren sie nie, wie „mega“ es sich anfühlt, wenn man sich durch eige­ne Anstren­gung ver­bes­sert hat und eine bestimm­te Note wirk­lich ver­dient hat. 

Wenn man Schü­le­rin­nen alle poten­ti­ell „frus­trie­ren­den“ Erleb­nis­se erspa­ren möch­te, ler­nen die­se natür­lich auch kei­ne Frus­tra­ti­ons­to­le­ranz (neu­deutsch: Resi­li­enz) mehr. Ein zen­tra­ler Bestand­teil des Sports ist nun mal zu ler­nen, mit Miss­erfolgs­er­leb­nis­sen und Nie­der­la­gen umzu­ge­hen. Wenn es nur noch gute Noten gibt und nur noch „koope­ra­ti­ve“ Spie­le gespielt wer­den, kann natür­lich nie­mand mehr psy­chi­sche Wider­stands­kraft entwickeln. 

Was müss­te sich ändern? Als ers­tes müss­te es mal rea­lis­ti­sche Noten geben. Wenn jemand z.B. nach meh­re­ren Übungs­ein­hei­ten beim Wer­fen immer noch stän­dig das fal­sche Bein vor­ne hat, ist das nun mal eine man­gel­haf­te Leis­tung. Und wenn man in Fuß­ball nach wochen­lan­gem Üben den Ball immer noch mit der Fuß­spit­ze / Pike schießt, ist das auch kei­ne „befrie­di­gen­de“ Leis­tung mehr. Die Tat­sa­che, dass es bei ein­zel­nen Leis­tun­gen auch schlech­te Noten gibt, schließt ja nicht aus, dass im Leis­tungs­be­richt bzw. Zeug­nis aus päd­ago­gi­schen Grün­den („Sie hat sich im Rah­men ihrer Mög­lich­kei­ten bemüht“) eine Vier steht, auch wenn es rein rech­ne­risch ein Bom­ben-Fün­fer wäre. [Mit „Noten im Sport“ habe ich mich aus­führ­lich in die­sem Bei­trag befasst.]

Außer­dem soll­ten die Mäd­chen die Mög­lich­keit haben, die Note zu ver­bes­sern. Eine Seil­kür, Lie­ge­stüt­ze, Jon­glie­ren etc. kann man ganz schnell vor Unter­richts­be­ginn oder in einer Pau­se machen. Nach mei­ner Erfah­rung moti­viert kaum etwas mehr als wenn man durch Üben irgend­wo bes­ser gewor­den ist und das dann auch durch eine bes­se­re Note hono­riert wird. [Nähe­res in die­sem Bei­trag.]

Bei den Sport­spie­len soll­ten Tech­nikno­ten nicht punk­tu­ell am Ende der Unter­richts­ein­heit gemacht wer­den („Nächs­te Stun­de mache ich Noten“), son­dern die letz­ten 2–3 Stun­den wäh­rend der GANZEN Stun­de, also auch z.B. beim Ein­wer­fen. Was nützt es, wenn sie sich mal wegen der Noten­ab­nah­me ein paar Sekun­den lang kon­zen­trie­ren und beim Korb­le­ger mit einem Bein absprin­gen, davor und danach aber see­len­ru­hig ste­hen­blei­ben und aus dem Stand wer­fen oder einen beid­bei­ni­gen Hop­ser machen? 

Leistungsbereitschaft & Disziplin

Eine unmit­tel­ba­re Fol­ge der hin­ter­her­ge­schmis­se­nen Noten ist die oft­mals kata­stro­pha­le Leis­tungs­be­reit­schaft und man­geln­de Dis­zi­plin. Nor­ma­ler­wei­se hat man in Bay­ern als Sport­leh­rer Mäd­chen nur in der 5. und 6. Klas­se und dann erst wie­der in der Ober­stu­fe. Wegen Coro­na hat­te ich in den letz­ten Jah­ren aber auch plötz­lich Mäd­chen in der 8. oder 9. Klas­se. Und das war noch schlim­mer als ich es erwar­tet hat­te. Schon das Umzie­hen dau­ert ewig, dann kom­men sie lust­los in die Hal­le gelatscht, vie­le haben kein Sport­zeug bzw. kom­men ohne ver­nünf­ti­ge Schu­he („Bei Frau XY dür­fen wir auch in Socken mit­ma­chen“) und anstatt, wie gewünscht, irgend­was mit den bereit lie­gen­den Bäl­len, Sei­len etc. zu machen, hocken sie sich erst­mal hin und quat­schen. Im wei­te­ren Ver­lauf der Stun­de wer­den Anwei­sun­gen weit­ge­hend igno­riert bzw. mit einem „Kann ich nicht“ abge­schmet­tert. Aber wehe, wenn man fest­stellt, dass sie irgend­was NICHT kön­nen, dann ist die Empö­rung groß, denn so eine Fest­stel­lung ist natür­lich „sexis­tisch“. Ich ent­geg­ne dann ger­ne, dass es ja super sei, wenn Mäd­chen genau­so gut sei­en wie Jun­gen, dann könn­te ich z.B. bei der Beno­tung beim Wer­fen ja auch die glei­chen Kri­te­ri­en anle­gen. Dann ist die Empö­rung noch grö­ßer, das sei total unge­recht, denn Mäd­chen „kön­nen schließ­lich nicht werfen“. 

Was sich ändern müss­te: Natür­lich zie­hen wir uns zügig um und haben voll­stän­di­ges Sport­zeug dabei. Zwei­mal pro Halb­jahr darf das Sport­zeug (oder Tei­le davon) ver­ges­sen wer­den, wenn es öfter ver­ges­sen wird, gibt es eine Mit­tei­lung an die Eltern. Und wenn Mate­ria­li­en bereit lie­gen, machen ALLE etwas Sinn­vol­les damit und kei­ne hockt sich erst­mal hin (außer sie ist ent­schul­digt). Grund­sätz­lich gilt, dass sich nie­mand wäh­rend des Unter­richts län­ger hin­set­zen darf, ohne vor­her mit der Lehr­kräftin gespro­chen zu haben. Kreis­lauf­pro­ble­me, Schwin­del, plötz­li­che Weh­weh­chen – alles kein Pro­blem, aber kei­ne sitzt rum (und macht sich viel­leicht noch über die ande­ren lus­tig), weil sie gera­de „kei­nen Bock“ hat. Und es gibt auch kei­ne „Alternativ“-Beschäftigungen mehr („Uns gefällt Bas­ket­ball aber nicht, bei Frau XY dür­fen wir statt­des­sen immer Fris­bee spielen“).

Und es darf nicht mehr soviel Gere­de geben. Ja doch, das sind sicher­lich alles päd­ago­gisch super-wert­vol­le Gesprä­che, wich­tig fürs sozia­le Kli­ma und den Zusam­men­halt. Jede darf bzw. soll sagen, wie es ihr vor, wäh­rend und nach der Stun­de so geht, was ihr (nicht) gefal­len hat und so wei­ter. Alles schön und gut, aber die ent­schei­den­de Fra­ge ist doch: Sind die­se Gesprä­che wich­ti­ger als Bewe­gung? Wohl nur in den sel­tens­ten Fäl­len. Beson­ders augen­fäl­lig sind die Unter­schie­de wenn Jun­gen und Mäd­chen gleich­zei­tig auf dem Sport­platz sind. Ich hole mei­ne Jun­gen zusam­men und gebe das heu­ti­ge Pro­gramm bereit: „Wir lau­fen uns 5 Minu­ten ein, dann üben wir wei­ter Ball­an­nah­me, Ball füh­ren und Innen­seit­stoß und in der zwei­ten Hälf­te spie­len wir.“ Und dann geht’s los und alle müs­sen (ger­ne lang­sam) LAUFEN und kei­ner darf gehen. Die Mäd­chen sit­zen im Kreis rum und reden. Wir sind mit dem Ein­lau­fen fer­tig, die Mäd­chen sit­zen noch immer. Irgend­wann ste­hen sie dann mal auf und set­zen sich in Bewe­gung, die meis­ten gehen gemäch­lich, ger­ne auch mit Han­dy in der Hand und Kopf­hö­rern im Ohr. Danach geht es dann oft zur Weit­sprung­gru­be, da sitzt man dann auch erst­mal wie­der rum … 

Statt­des­sen soll­te buch­stäb­lich jede Minu­te Unter­richts­zeit wert­voll sein und es soll­te kei­ne Zeit ver­schwen­det wer­den. Und wenn ich schon unbe­dingt zum x‑ten Mal Weit­sprung machen will (war­um eigent­lich???), dann mache ich das nicht mit der gan­zen Grup­pe, son­dern tei­le sie und die ande­re Hälf­te darf bzw. MUSS etwas ande­res machen. Aber das soll­te mög­lichst etwas sein, wo man sich bewegt und nicht nur (wie bei Base­ball und Fris­bee) rum­steht. Und die Leh­re­rin soll­te sich immer wie­der fra­gen, wie sie Abläu­fe (z.B. beim Auf- und Abbau von Gerä­ten) ver­bes­sern bzw. beschleu­ni­gen und noch mehr Bewe­gungs­zeit „raus­ho­len“ könnte.

Spielen

Nach mei­ner Erfah­rung wird vor allem in der Unter­stu­fe viel zu viel Zeit mit „klei­nen“ Spie­len ver­geu­det. Ja doch, Fang­spie­le, Brenn- und Jäger­ball, Mat­ten-Schub­sen & Co sind lus­tig und man kann sie ger­ne immer mal wie­der (z.B. fürs Auf­wär­men) machen. Aber viel wich­ti­ger ist doch, dass man von Anfang an die Grund­la­gen vor allem fürs Wer­fen und Schie­ßen legt. Wenn die Mäd­chen z.B. beim Brenn­ball ein­fach irgend­wie (also falsch) wer­fen dür­fen, haben sich die Bewe­gungs­ab­läu­fe irgend­wann so ver­fes­tigt, dass man in der 7. Klas­se kei­ne Chan­ce mehr hat, ihnen noch einen rich­ti­gen Wurf bei­zu­brin­gen. Und wenn ich dann die Mäd­chen in der 11. Klas­se bekom­men, sind sie frus­triert, weil sie in Bas­ket­ball kei­ne lan­gen Pass spie­len kön­nen, in Leicht­ath­le­tik lächer­li­che 15,40 m „weit“ wer­fen und in Bad­min­ton kei­nen Über­kopf-Clear hin­krie­gen, weil sie stän­dig das fal­sche Bein (und den Ellen­bo­gen) vor­ne haben und des­halb nicht rich­tig aus­ho­len und wer­fen bzw. schla­gen können. 

Statt­des­sen üben wir rich­ti­ges Wer­fen von Anfang an und ver­lan­gen es dann auch z.B. bei Völ­ker­ball. Wenn jemand beim Wurf das fal­sche Bein vor­ne hat, bekommt die geg­ne­ri­sche Mann­schaft den Ball. Und wir ler­nen eben­so von Anfang an, dass wir den Fuß­ball nicht mit der Schuh­spit­ze („Pike“) füh­ren und schie­ßen, son­dern mit dem Innen­spann bzw. der Innen­sei­te. Und ja doch, das dau­ert alles end­los und ist müh­sam und oft frus­trie­rend. Aber wenn sie es nicht gleich in der 5. Klas­se rich­tig ler­nen, ler­nen sie es nie mehr!

Und dann muss ein­fach viel häu­fi­ger bzw. viel län­ger gespielt wer­den. Im Jun­gen-Sport ist es üblich, dass die Dop­pel-Stun­de hal­biert wird. In der ers­ten Hälf­te wird irgend­was geübt, in der zwei­ten Stun­de wird gespielt. Nach mei­nem Ein­druck (der immer wie­der z.B. in Ver­tre­tungs­stun­den von Schü­le­rin­nen bestä­tigt wur­de) wird, falls über­haupt, meis­tens nur ganz kurz am Stun­den­en­de in den letz­ten 10 Minu­ten gespielt. 

Der Grund dafür ist meis­tens eine fal­sche Schwer­punkt­set­zung. Der Mäd­chen­sport ori­en­tiert sich noch viel zu sehr an den typi­schen Schul­sport­ar­ten wie Tur­nen und Leicht­ath­le­tik und viel zu wenig an den real life Sport­ar­ten. Der Sport­un­ter­richt berei­tet die Mäd­chen viel zu sel­ten auf das „wah­re“ Leben nach der Schu­le vor. Wer turnt nach der Schu­le noch am Boden oder an irgend­wel­chen Gerä­ten bzw. springt in eine Sand­gru­be? Wenn man mal von Lau­fen / Jog­gen absieht, tau­chen Leicht­ath­le­tik und Gerä­te­tur­nen bei den belieb­tes­ten aktiv betrie­be­nen Sport­ar­ten über­haupt nicht auf. Und dass nur 14% der Frau­en eine Mann­schafts­sport­art aus­üben, liegt m.E. in ers­ter Linie dar­an, dass die Mäd­chen in der Schu­le nie gelernt haben rich­tig zu spie­len, son­dern immer nur läp­pi­sche „klei­ne Spie­le“ gespielt haben. Im Mäd­chen­sport spie­gelt sich nur sel­ten wider, was außer­halb der Schu­le pas­siert, Initia­ti­ven wie z.B. „Mäd­chen an den Ball“ wer­den meis­tens kom­plett ignoriert. 

Kein Wun­der, dass auf die­se Wei­se kein Spiel­ver­ständ­nis ent­ste­hen kann. Egal, ob ich in Ver­tre­tungs­stun­den Fuß­ball, Bas­ket­ball oder Hockey spie­len ließ, fast immer herrsch­te das „Hühnerhaufen“-Syndrom: Alle ren­nen dem Ball hin­ter­her und schie­ßen / wer­fen / schla­gen ihn ein­fach irgend­wo hin. Des­halb muss zusätz­lich zur Tech­nik auch ein ele­men­ta­res Spiel­ver­ständ­nis auf­ge­baut und per­ma­nent geübt wer­den. Und wenn nach vie­len Wochen beim Fuß­ball­spie­len immer noch alle auf einem Hau­fen zusam­men­ste­hen und irgend­wie auf den Ball bol­zen, dann geben wir uns nicht damit zufrie­den („Sind halt Mäd­chen“), son­dern geben ent­spre­chend schlech­te Spiel­no­ten (die wir vor­her natür­lich erläu­tert haben). 

Und über­haupt akzep­tie­ren wir nicht mehr, dass Mäd­chen „von Natur aus“ irgend­was nicht kön­nen. Mäd­chen „haben ein­fach kei­ne Kraft“? Kom­plet­ter Unsinn: „Es ist bekannt, dass bis zur Puber­tät die Leis­tungs­fä­hig­keit bei­der Geschlech­ter sich nahe­zu iden­tisch ent­wi­ckelt, und zwar in kör­per­li­cher wie psy­chi­scher Hin­sicht.“ Und außer­dem: „Im Schul- und Brei­ten­sport ist das Geschlecht unter allen Fak­to­ren, die Ein­fluss auf die Leis­tung haben, prak­tisch der unwich­tigs­te.“ (Quel­le) Und außer­dem machen 25% der Frau­en nach der Schu­le irgend­ei­ne Form von „Kraft­sport“. Des­halb machen wir von Anfang an Kraft­trai­ning und machen z.B. Noten auf Lie­ge­stüt­ze, Wand­sit­zen, Hän­gen an der Stan­ge / an den Rin­gen, usw. (dabei kann man sich natür­lich wie­der das gan­ze Schul­jahr lang ver­bes­sern). Und dabei gel­ten in der Unter­stu­fe (zumin­dest in der 5. und 6. Klas­se) für Mäd­chen und Jun­gen die sel­ben Tabel­len bzw. Leis­tungs­an­for­de­run­gen. Und das heißt dann aber auch, dass ich in der Unter­stu­fe z.B. bei Wurf- und Schuss­tech­nik nach den­sel­ben Kri­te­ri­en bewer­te! Es darf nicht mehr sein, dass ein Jun­ge für mie­se Schüs­se mit der Pike eine 5 und das Mäd­chen eine 3 bekommt, weil Mäd­chen „das halt nicht können“. 

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Besser Tango tanzen: Workout

  1. Scheint sich im Bereich „Mäd­chen­sport“ in den letz­ten 40 Jah­ren kaum was geän­dert zu haben. Som­mer: Leicht­ath­le­tik, Win­ter: Gerä­te­tur­nen bzw. Zir­kel­trai­ning / Jeweils im Wech­sel 14tägig mit Schwim­men. Unter­stu­fe: 10 Minu­ten am Schluß Brenn­ball oder Völ­ker­ball – spä­ter dann Vol­ley­ball. Nur die Noten schei­nen rea­lis­ti­scher aus­ge­fal­len zu sein.

    • Es ist ein­fach zum Ver­zwei­feln! Ich hat­te die Hoff­nung, dass z.B. die groß­ar­ti­gen Erfol­ge der Frau­en-Fuß­ball­na­tio­nal­mann­schaft in den letz­ten Jah­ren etwas ver­än­dern wür­den, aber die­se Hoff­nung hat sich auch nicht erfüllt. Und die­ses ster­bens­lang­wei­li­ge Vol­ley­ball, wo selbst in der Ober­stu­fe kaum je mal ein län­ge­rer Ball­wech­sel zustan­de kommt, geschwei­ge denn irgend­ei­ne Span­nung auf­kommt und wo man nur rum­steht, ist tota­ler Mist (sie­he auch https://jochenlueders.de/?p=15438).

  2. Nora

    Ich stim­me Ihnen grund­sätz­lich zu, dass Noten, die nicht genug zwi­schen den guten und den weni­ger guten Schü­lern dif­fe­ren­zie­ren, unnütz sind. In allen Fächern übri­gens. Aber wenn schon in Fächern wie Mathe, Deutsch, Englisch/Französisch schön­ge­färbt wird, was das Zeug hält (4 Voka­beln von 10 gewusst? nur mini­ma­le Schreib­feh­ler? zumin­dest war der gute Wil­le zum Wort erkenn­bar- das gibt noch eine 2-.…??) , damit der Klas­sen­durch­schnitt irgend­wie geret­tet wer­den kann, wie­so soll es dann erst bei weni­ger greif­ba­ren Fächern wie Sport plötz­lich anders sein?
    Ja, man soll­te als Schü­ler theo­re­ti­sche Grund­re­geln über Ball­sport­ar­ten und Leicht­ath­le­tik ler­nen und viel­leicht auch üben, aber ich weiß noch aus mei­ner Schul­zeit, dass jeder so sei­ne Sport­art hat und bei Fuß­ball hät­te ich mich schon aus Angst vor Ver­let­zun­gen nicht rich­tig ein­brin­gen wol­len. Für die Beno­tung soll­te man sei­ne Dis­zi­plin aus­wäh­len dür­fen (im Rah­men des Mach­ba­ren), schon auch aus dem Grund, dass nicht alle Schü­le­rin­nen die glei­chen kör­per­li­chen Vor­aus­set­zun­gen mit­brin­gen (Gro­ße, Klei­ne, mit schwä­che­rem Bin­de­ge­we­be, mit über­dehn­ba­ren Bän­dern etc.). Sport ist Gott sei Dank so viel­fäl­tig, dass man hier für die Beno­tung sehr vie­le Arten von Bewe­gung berück­sich­ti­gen kann. Wer gelen­ki­ger ist, kann mit Gym­nas­tik punk­ten, wer rhyth­mi­scher ver­an­lagt ist, mit Tank­cho­reo­gra­fien, wer der Aus­dau­er­typ ist, mit Zir­kel- oder Lauf­trai­ning. So wird auch nie­man­dem der Spaß an der Bewe­gung verdorben.

    • > Für die Beno­tung soll­te man sei­ne Dis­zi­plin aus­wäh­len dürfen

      Wie soll das kon­kret aussehen? 

      Wir üben zum Bei­spiel fünf Wochen lang eine Tanz Cho­reo ein und am Ende fra­ge ich: „Wer will sich jetzt beno­ten las­sen?“ Und dann mel­det sich jemand, der schon seit ein paar Jah­ren Hip Hop (oder was auch immer) tanzt und für die die­se Cho­reo natür­lich läp­pisch ist und bekommt 15 Punk­te. Und danach mel­det sie sich natür­lich nicht mehr, weil sie außer Tan­zen nichts kann. Und im Zeug­nis soll sie dann 15 Punk­te bekom­men? Ist das dann eine „gerech­te“ Note?

      Und was mache ich mit denen, die ein­fach kei­nen Bock haben und sich bei kei­ner Dis­zi­plin mel­den? Die krie­gen ein­fach kei­ne Note? Oder muss ich sie dann doch zu irgend­was zwin­gen? Falls ja, nach wel­chen Kri­te­ri­en zu was? 

      Wie schaut es mit Mit­ar­beit und Leis­tungs­be­reit­schaft aus, wenn man weiß, dass es eh kei­ne Noten gibt? 

      Dein Vor­schlag macht aus dem Sport­UN­TER­RICHT ein (weit­ge­hend frei­wil­li­ges) SportANGEBOT.

  3. Nora

    Ich ken­ne das eher so, dass man die Noten unter­schied­lich gewich­tet – also jeder bekommt eine Note auf jede Dis­zi­plin, die unter­rich­tet wird, aber für die End­no­te wer­den die vom Schü­ler oder der Schü­le­rin aus­ge­wähl­ten Sport­ar­ten stär­ker gewich­tet. Ist für mich ein fai­res Kon­zept für bei­de Seiten.

    • > also jeder bekommt eine Note auf jede Disziplin

      Vor­her hast du geschrie­ben: „Für die Beno­tung soll­te man sei­ne Dis­zi­plin aus­wäh­len dür­fen.“ Was denn jetzt?

      > aber für die End­no­te […] stär­ker gewichtet.

      Also gut: Wie soll das jetzt kon­kret funk­tio­nie­ren? Dür­fen die SuS bestim­men, wel­che Sport­ar­ten wie stark gewich­tet wer­den oder macht das der Leh­rer? Also maxi­mal zwei Sport­ar­ten dür­fen mit 5 mul­ti­pli­ziert wer­den, maxi­mal zwei wei­te­re mit 3 und alle ande­ren mit 1? Ganz schön auf­wän­dig, ohne Excel-Tabel­le geht’s dann nicht mehr.

  4. Nora

    Die Gewich­tung wird vom Leh­rer fest­ge­legt. Excel ist die eine Mög­lich­keit oder auch bei­spiels­wei­se Platt­for­men wie edu­pa­ge (hier ein pdf dazu: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwiIjavVzcz-AhVaSvEDHS3mBKsQFnoECAQQAQ&url=https%3A%2F%2Feob.edupage.org%2Ffiles%2FSportnoten_in_edupage_eingeben.pdf&usg=AOvVaw0RHUFmVXE6lP4dvRSKRwdW), in denen du die Sport­ar­ten, die du im Unter­richts durch­neh­men und bewer­ten möch­test ein­trägst und mit einer pro­zen­tua­len Gewich­tung ver­siehst. Das sind nur beschei­de­ne Vor­schlä­ge mei­ner­seits, nichts ist in Stein gemei­ßelt und die Dis­kus­si­on, ob und wie Sport bewer­tet wer­den soll, wird schon seit Jahr­zehn­ten erbit­tert geführt. 😉

    • > die Dis­kus­si­on [..] wird schon seit Jahr­zehn­ten erbit­tert geführt. 

      Ich hof­fe doch mal, dass weder mein Arti­kel noch unse­re Dis­kus­si­on „erbit­tert“ waren / sind. 😉

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