Auch in diesem Beitrag verwende ich das inklusive Maskulinum. Die Gründe dafür kannst du in diesem Artikel und (ausführlicher) in diesem Buch nachlesen.
Auch bei Sportlehrern gibt es eine starke „Hamma imma scho so gmacht“-Fraktion, die seit zwanzig+x Jahren dasselbe macht und keinen Gedanken daran verschwendet („Des hamma noch nie gmacht“) mal etwas Neues auszuprobieren bzw. veraltete Inhalte über Bord zu werfen bzw. zumindest nicht mehr so häufig / ausführlich zu machen. Und so müssen die armen Schüler bis in alle Ewigkeit verrostete Stahlkugeln durch die Gegend stoßen, dürfen sich an Reck und Barren blaue Flecken holen bzw. endlos in eine Sandgrube hupfen.
Im Folgenden beschreibe ich MEINE Kriterien, wenn es darum geht, was ich im Unterricht mache bzw. wenn ich mir überlege, was ich Neues ausprobieren könnte.
Die folgenden Kriterien sind NICHT nach Wertigkeit geordnet. Selbstverständlich kann keine Sportart alle Kriterien erfüllen, aber wenn man vergleicht, kommt man doch relativ schnell zu klaren Entscheidungen.
The more the merrier: Je mehr Schüler ich gleichzeitig beschäftigen kann, umso besser. Ideal ist es, wenn ich wie bei Rope Skipping, Aerobic und Workout ALLE Schüler die GANZE Zeit beschäftigen. Wenn hingegen nur ein paar aktiv sind und der Rest nur rumsitzt bzw. ‑steht (wie beim traditionellen Geräteturnen) ist das schlecht.
Herzensangelegenheit: Je gleichmäßiger und länger Herz und Kreislauf (aerob) trainiert werden, umso besser. Gut ist es, wenn neben Herz-Kreislauf auch noch Kraft, Beweglichkeit und / oder Koordination gefördert werden.
Corpore sano: Je gesünder eine Sportart ist und je weniger sie z.B. Gelenke und Rücken belastet, umso besser. Weitsprung und Kugelstoßen schneiden in dieser Hinsicht ganz schlecht ab.
Students Just Want to Have Fun: Wieviel Spaß macht die Sportart und wie abwechslungsreich ist sie? Wie lange muss ich üben bevor z.B. ein (spannendes) Spiel zustandekommt? Hallenhockey / Floorball kann man schon in der ersten Stunde spielen, während die meisten Schüler in Volleyball noch nach mehreren Jahren meistens frustriert rumstehen und kein Spiel zustande kommt. (Näheres zur Eignung von verschiedenen Ballsportarten in diesem Beitrag.)
Rhythm Is It: Immer mehr Schüler hören selbst einen hämmernden Rhythmus nicht bzw. können sich nicht im passenden Tempo dazu bewegen. Falls ich etwas mit Musik kombinieren kann (aber nicht nur als Hintergrundgedudel!) so wie z.B. bei Aerobic, Rope Skipping, Workout, Laufübungen usw. ist das ein großer Vorteil.
Carpe diem: Je weniger Zeit ich durch aufwändigen Geräteauf- bzw. abbau verliere, umso besser. Geräteparcours sind eine tolle Sache, aber wenn Auf- und Abbau nicht perfekt organisiert sind (und die Schüler diszipliert mitmachen!), dauert es ewig.
No gain without pain ist ein für den Sportunterricht völlig untaugliches Motto. Sport darf vor allem den Schlechten nicht wehtun. Natürlich dürfen die Muskeln bei crunches, squats und Liegestützen mal so richtig schön brennen, aber ich kann keinen Sinn darin sehen, wenn Schüler z.B. frontal gegen den Kasten knallen oder sich beim Reck- oder Barrenturnen blaue Flecke holen. Diese Art von „Abhärtung“ hat in einem modernen Sportunterricht nichts mehr zu suchen.
Non scholae sed vitae: Je häufiger eine Sportart auch noch nach der Schulzeit praktiziert wird (sog. „Lifetime“ Sportarten), umso wichtiger sollte sie für den Schulsport sein. Schon aus diesem Grund müssen alle Mädchen Fußball lernen, denn Frauenfussball ist eine der beliebtesten Frauen-Sportarten! Hingegen hopsen nach der Schule nur wenige Leute freiwillig in Sandgruben …
Money, Money, Money: Je billiger Ausrüstung / Geräte sind, umso besser. Rollerblading wäre ja eine tolle Sache, aber die ganze Ausrüstung ist so teuer, dass es einfach keinen Sinn hat, diesen Sport in der Schule praktizieren zu wollen.
Chacun à son gout: Je leichter ich eine Sportart auf die unterschiedlichen Könnensstufen abstimmen kann („Binnendifferenzierung“) und je weniger Schüler über- aber auch unterfordert sind, umso besser.
Kreationismus: Je leichter Schüler kreativ werden und mit Bewegungsformen bzw. ‑kombinationen experimentieren können, umso besser: „Probiert mal aus, auf wieviele verschiedene Arten man einen Hockeyschläger balancieren kann.“ / „Wie kann man sich aus der Kaskade heraus gegenseitig einen Ball zuwerfen?“
Move ya body at home: Je leichter es ist, eine Sportart auch außerhalb der Schule bzw. zu Hause zu betreiben bzw. eine Bewegung zu üben, umso besser. Jonglieren, Seilspringen, Liegestütze und Aerobicschritte üben geht problemlos auch zu Hause bzw. im Park, Geräteturnen kann man hingegen nur in der Schule.
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