Hinweis: Der folgende Beitrag ist bei der Darstellung des „aktuellen“ Abiturs nicht mehr korrekt. So wurde zum Beispiel die Bewertung durch BE (Bewertungseinheiten = Punkte) durch die 15er-Skala ersetzt. Statt früher drei Fragen gibt es (leider) nur noch zwei usw.
Da ich bereits des öfteren am aktuellen (bayerischen) Abitur rumgenörgelt habe (zum Beispiel in diesem Beitrag), hat mich kürzlich ein Kollege gefragt, wie denn mein ideales (schriftliches) Abitur aussähe. Bitte sehr:
Niemand sollte in einer modernen FremdSPRACHE ohne eine mündliche Prüfung Abitur machen dürfen. Ein paar Jahre lang hatten wir in Bayern ja mal eine mündliche Prüfung, nur war das ein weitgehend inhaltsleeres Geschwafel. Vom Format her würde ich mich am Kolloquium orientieren, d.h. der Schüler wählt sich zum Beispiel drei Schwerpunktthemen und vom Lehrer kommt noch ein viertes Thema z.B. aus der Q12. Dauern würde die Prüfung 15–20 Minuten, von der Wertigkeit fände ich 50 BE/Punkte angemessen.
Den Prüfungsteil Hörverstehen würde ich in der derzeitigen Form einschließlich seiner Wertigkeit von 20 BE beibehalten.
Bei den „Questions on the text“ sollten die Schüler wie bisher zwei Texte, einen Sach- und einen literarischen Text zur Auswahl haben. Die derzeitigen drei Fragen mit ihren insgesamt 50 BE würde ich beibehalten. Beim literarischen Text sollte – wie früher – in jedem Fall (beim Sachtext falls möglich) in einer Frage nach Stilmitteln und ihrer Wirkung gefragt werden. Dabei hätte ich als Formulierung gerne: „Choose three relevant stylistic devices and comment on / describe / analyse their function / effect on the reader“. Das relevant soll klar machen, dass nicht z.B. jede popelige, eher zufälllig Alliteration zum tollen Stilmittel („makes the reader think“) hochgehypt werden darf. Bei allen Fragen sollte vorgeschrieben sein, dass die Schüler ihre Aussagen / Behauptungen über den Text „wissenschaftspropädeutisch“ explizit mit Zeilennummern belegen müssen.
Eine (lehrer- bzw. korrekturfreundliche) Alternative zu unseren traditionellen „Questions on the text“ ist ein Reading Comprehension Test, wie er seit ein paar Jahren in BaWü verlangt wird. True/False, inhaltliche Fragen usw. und alles muss mit Zeilennummern belegt werden. „Schreibkompetenz“ muss der Schüler dann nur noch im Aufsatz nachweisen.
Beim „Composition“ würde ich die Wortzahl deutlich auf „about 500–700 words“ erhöhen. Unsere derzeitigen „about 200 to 250 words“ sind m.E. einfach lächerlich. Kein Mensch kann mit 200 Wörtern einen vernünftigen Aufsatz mit einer interessanten Einleitung, einem Hauptteil mit drei Absätzen / Argumenten und einem abrundendem „final paragraph“ schreiben. Alle „normalen“ Aufsatzthemen (also nicht Cartoonanalyse, Leserbrief, Rede eines Politikers etc.) sollten – wie im richtigen Leben – eine Überschrift haben. Bei der Cartoonanalyse sollte die Anweisung lediglich „Interpret the following cartoon“ (also ohne Describe) lauten. Dieser Aufsatz sollte wie bisher 40 BE „wert“ sein. Der bisherige Mini-Aufsatz hat mit 40 BE gegenüber den Fragen m.E. einen viel zu hohen Stellenwert, für ihn sollte es max. 30 BE geben.
Die Mediation würde ich komplett abschaffen. Dieses Wischiwaschi hat m.E. in schriftlichen Klausuren und im Abitur nichts zu suchen.
Stattdessen sollte es einen sprachpraktischen “English in Use” Teil geben, wie er beim CAE , TOEFL und den meisten anderen internationalen Tests üblich ist. Gerade schlechtere Schüler sähen dann einen Sinn darin, endlich Grammatik und vor allem Wortschatz zu lernen und zu üben. Der große Vorteil für den Lehrer wäre, dass dieser Teil (im Gegensatz zur Mediation) schnell zu korrigieren wäre. Für diesen Teil sollte es 40 BE geben.
Ein Problem bei diesem Teil wäre natürlich die Benutzung von Lexika, die den Sinn dieses Prüfungsteils in Frage stellen würde. Analog zur Hörverstehensprüfung, wo „während der Hörphasen die Benutzung der Wörterbücher jedoch untersagt“ ist (KSM vom 29.09.2010 „Kombinierte Abiturprüfung […]“ S. 7) dürften auch in diesem Prüfungsteil keine Lexika benutzt werden. Man könnte diesen Teil gleich am Anfang durchführen und die Arbeiten einsammeln, bevor die Schüler die anderen Teile bekommen und mit Wörterbüchern arbeiten dürfen bzw. sollen.
Insgesamt käme man beim Abitur dann auf 200 BE: 50 Mündlich + 20 Hörverstehen + 50 Fragen + 40 Aufsatz + 40 English in Use.
max
May the „Men from the Ministry“* smile on your proposals! 🙂
* Anspielung: http://www.youtube.com/watch?v=Ce9ZeD0Ypzg
Manuela
„Man könnte diesen Teil gleich am Anfang durchführen und die Arbeiten einsammeln, bevor die Schüler die anderen Teile bekommen (…)“
Finde ich noch problematischer als beim Hörverstehen, da die Schüler keine bzw. deutlich weniger Zeit haben, die Aufgaben noch einmal durchzulesen, zu kontrollieren und ggf. zu verbessern. Wie oft ist mir selbst damals gegen Ende einer Schulaufgabe etwas eingefallen, was ich vergessen hatte zu erwähnen, falsch oder nicht verständlich genug erklärt hatte. Und oft kommt sowas gerade mitten im Schreiben der Questions on the text oder Composition, weil man z.B. gerade überlegt, wie die Satzstellung richtig lautet, welche Zeit man benutzen muss etc.
An sich fände ich einen Grammatik- und Wortschatzteil aber auch sinnvoll und ich stimme dir auch in den anderen Punkten stimme zu.
Jochen
> was ich vergessen hatte zu erwähnen, falsch oder nicht verständlich genug erklärt hatte
Hast du dir den „English in Use“ Test mal angesehen? Da gibt es nichts zu „erwähnen“ oder zu „erklären“. Deswegen sehe ich kein Problem darin, die Arbeiten nach einer angemessenen Zeit einzusammeln.
Manuela
Mir geht es darum, dass viele SuS mitten in einer Schulaufgabe Fehler bemerken und diese dann korrigieren. Dass man bei English in Use nichts erklären muss, ist mir bewusst. Ich wollte lediglich zu bedenken geben, dass die Zeit, in der die SuS ihre Arbeiten bzw. einen bestimmten Teil ihrer Arbeit überprüfen können, stark beschnitten wird. Zudem hindert man sie an einer freien Arbeitseinteilung. Auch wenn es sicherlich sinnvoll ist, einen English in Use-Teil vor einer Composition zu bearbeiten, so sollte dies dennoch jeder Schüler für sich selbst entscheiden dürfen.
Jochen
Ich stimme dir schon grundsätzlich zu, aber das beißt sich halt mit dem zweisprachigen Lexikon.
Philipp
Was die mündliche Teilprüfung betrifft, sieht es ja angeblich ganz gut aus, dass deine Bitten erhört werden. Für die bundeseinheitlichen Bildungsstandards hat das bayerische Abitur momentan einen Teil zu viel. Der Teil, der wegfallen soll (wohl ab Abi 2015) ist dann voraussichtlich eben diese mündliche Teilprüfung. Ebenso wird damit gerechnet, dass dann auch die Version endgültig fällt und nur noch die Mediation übrig bleibt. Daran glaube ich im Freistaat Bayern allerdings erst, wenn es tatsächlich soweit ist. Die Version scheint eine extrem einflussreiche Lobby zu haben. Es ist ja jetzt schon irgendwie pervers, dass mit der Version im Abitur etwas drankommt, was gemäß Lehrplan gar nicht zum Üben vorgesehen ist, völlig unabhängig davon, was man persönlich von dieser Aufgabenform hält.
susann
Ich habe gerade – April 2015 – diese Teilprüfung abgehalten. Es scheint tatsächlich das letzteJahr zu sein, in dem es diese Prüfung gibt.
„Läppisches Blabla“ trifft es ganz gut. Ich frage mich, warum man von Abiturienten nicht verlangen darf, dass sie sich zu bestimmten landeskundlichen Themen gut vorbereiten. Stattdessen immer wieder dasselbe oberflächliche Gelaber, wo es darum geht, zu einem Impulsbild einen mehrminütigen stream-of-consciousness-Monolog zu halten, in dem man alle Themen unterbringt, die auch nur vage mit dem Bild zu tun haben. Hält man die Abiturienten für so blöd, dass man ihnen nicht zutraut, sich auf ein Thema vorzubereiten?
Jochen
> Es scheint tatsächlich das letzteJahr zu sein, in dem es diese Prüfung gibt.
Nicht nur „scheint“ – IST (zumindest was Bayern angeht). Aus dem entsprechenden Rundschreiben des Ministeriums:
„Vor diesem Hintergrund und da in der Qualifikationsphase gemäß § 54 Abs. 3 Nr. 2 entweder in der Jahrgangsstufe 11 oder 12 eine Schulaufgabe in mündlicher Form gefordert wird, wird ab dem Abiturtermin 2016 die bisher vorhergesehene dezentrale mündliche Teilprüfung ersatzlos gestrichen.“
Julian
Was findet ihr denn alle so schlimm an der Version? Ich finde, dass sie wesentlich fairer zu bewerten ist, als die Mediation. Bei der Mediation kommt es doch viel eher darauf an, dass man den Stil des Lehrers trifft und Sympathien können eher eine Rolle spielen. Außerdem ist die Version zeitlich besser kalkulierbar und ich finde es super, dass man durch gelungene Übersetzungen Fehler ausgleichen kann. Im Anglistikstudium ist das Übersetzen ein Bestandteil und auch im Berufsleben kann es durchaus die Aufgabe sein, englische Texte zu übersetzen. Seitdem ich mich im Hinblick auf das Abitur verstärkt mit Übersetzungen auseinandergesetzt habe, hat sich meine Fähigkeit englische Texte zu verstehen wesentlich verbessert und ich habe so verschiedene Textformen kennengelernt wie beispielsweise die Rede. Man sollte diese Aufgabenart verstärkt in den Unterricht an bayerischen Gymnasien einbauen und sie keinesfalls aus dem Abitur verbannen. Werde im Englischabi morgen die Version wählen, wenn der Text einigermaßen gut zu übersetzen ist.
Sud
Zur Wortzahl: Auch wir an der Uni sollen in die Sprachpraxiskursen zur Textproduktion immer nur Texte um die 300 Wörter schreiben. Ich habe immer massive Probleme diese Grenze einzuhalten, da man so keinen wirklich tollen Text zustande bringt.
Jochen
Und was soll das dann sein? Ein „Essay“???
Sud
Das kommt immer drauf an. Im Aufbaumodul mussten wir in Spanisch zwei Texte à 250 Wörter schreiben: einen narrativen und einen argumentativen Text. Natürlich kann man sich die Qualität vorstellen, da beide Textformen nicht wirklich auf solch kurze Texte ausgelegt sind.
In Französisch mussten wir im Aufbaumodul einen argumentativen Text (war ein Brief) à 300 Wörter schreiben. Im Vertiefungsmodul 2 Texte: eine Zusammenfassung eines Textes à 150 Wörter und einen argumentativen Text à 350 Wörter.
Die Examensaufgaben sehen (in Bayern!) auch nicht wirklich anders aus: Man verlangt dort pro Teilaufgabe auch nie mehr als 350 Wörter. Ziemlich bitter meiner Meinung nach …
Außerdem kann man einfach nicht zeigen, was man kann, da man sich ja extrem kurz fassen muss.