Wenn Schüler fragen, was denn jetzt eigentlich genau im Kolloquium drankommen kann, bekommen sie meistens die Antwort: „Alles, was wir gemacht haben“. Diese Antwort schafft m.E. sowohl für Schüler als auch für Lehrer nur Probleme.
Im Normalfall arrangiert man rund um ein paar Texte im Buch (bzw. den Büchern) noch andere Dinge: Man hört sich einen Text an und übt Listening Comprehension, zeigt ein Video, bespricht ein paar Cartoons, lässt einen deutschen Text mediatieren (?) oder einen englischen übersetzen usw. Soll das alles jetzt „Stoff“ sein? Für den Lehrer ist natürlich völlig klar, dass z.B. der Hörtext und das Video nicht Stoff der Prüfung sind, aber woher soll der Schüler das wissen? Was ist mit den Cartoons? Die wurden nur mal schnell zu Beginn der Stunde gezeigt und kurz besprochen. Sind die Stoff und falls ja, soll der Schüler sie sich jetzt besorgen? Falls ja, wie und woher? Angesichts all dieser Unwägbarkeiten macht der Schüler meistens das einzig Richtige, nämlich NICHTS.
Besonders schlecht sind die Schüler dran, deren Lehrer sie mit Unmengen an (meistens kopierten) aktuellen Texten bombardieren. Sind die jetzt alle Stoff? Falls nein, welche nicht? Woher soll der arme Schüler wissen, welche Texte der Lehrer wichtig findet und welche nicht?
Doch auch der Lehrer macht sich mit seinem vagen „Alles“ das Leben bzw. die Prüfung unnötig schwer. Er ist sich bewusst bzw. ahnt, dass sich der Schüler eigentlich überhaupt nicht vernünftig vorbereiten kann, also beschränkt er sich auf läppische Aufgaben bzw. Fragen wie „Tell me about the American Dream“ oder „What do you know about British politics?“.
Meine Kolloquiumskandidaten bekommen eine Übersicht, auf der für jedes Thema ganz genau der Stoff bzw. die Texte angegeben sind (GLO = Green Line Oberstufe, NC = New Context). Hier ein Beispiel:
12/1
Sonnets
- Italian vs. English sonnet
- Shakespeare Sonnets 18, 27, 73, 130
- Ewart „Ending“
Religion in the US
- USA Erklärt Zur Religionsfreiheit
- „American religions“ GLO pp. 76–77
- „Divided America“ NC pp. 191–192
- „America is a religion“ GLO pp. 82–83
Short Stories
- Handouts: The Short Story / Narrative Perspectives
- Alun Lewis “The Lapse”
- James Joyce “Eveline” NC pp. 237–240
- Chopin “The Story of an Hour”
Diese Liste zu erstellen macht nicht viel Arbeit, denn ich muss lediglich aus meiner Unterrichtsplanung die Sachen herauslöschen, die ich für das Kolloquium nicht verwenden will.
Entsprechend präziser und anspruchsvoller sind dann aber auch meine Fragen. Anstelle von „What do you know about sonnets?“ heißt es dann z.B. „Tell me about the metaphorical structure of Shakespeare’s sonnet 73“.
Aus meiner Sicht profitieren sowohl Schüler als auch Lehrer von diesem Verfahren. Die Schüler wissen genau, was von ihnen verlangt wird und der Lehrer kann für das Abitur angemessene Fragen stellen und muss sich nicht mit dem sonst üblichen Gelaber begnügen.
Juliane Hellmessen
Lieber Jochen, liebe Kollegen,
da kann ich voll und ganz zustimmen. Ich habe den Schülern auch nochmals alle Texte zusammengeschrieben, die wir zu den Themenbereichen behandelt haben. Diese Aufstellung habe ich ihnen schon vor Ostern ausgeteilt, und so konnten sie zum einen genau prüfen, welches Spezialgebiet sie haben wollten, und zum anderen konnten sie ihre Unterlagen auf Vollständigkeit prüfen. Ich habe dann einige Themenbereiche (insbes. jene, welche viele gewählt haben) nochmals in zwei bis drei Stunden wiederholt, in Gruppenarbeit und mit einer bestimmten Fragestellung. Eine andere Aufgabe war, sich Fragen zu dem Stoff zu überlegen. Und das war super: die Schüler waren voll motiviert und für mich selber war es auch eine Art Wiederholung, habe dadurch auch den Stoff „aufgefrischt“. Was ich zukünftig anders machen werde: ich werde immer gleich nach Abschluss jedes Themengebietes mir alle diese Texte (gleich im WORD aufschreiben) und mir auch gleich Fragen fürs Colloquium überlegen; da kommen die besten Fragen, wenn man so mitten drin im Stoff ist!
Vielleicht ist das ja für den einen oder anderen ein Tipp?
Kollegiale Grüße Juliane