Das Korrigieren von Klausuren bzw. in Bayern GLN („großen Leistungsnachweisen“) ist wohl die zeitaufwendigste und gleichzeitig die sinnloseste Arbeit eines Lehrers. Nach wenigen Berufsjahren verabschieden sich die meisten Lehrer von der Illusion, dass Schüler sich ihre Arbeiten sorgfältig anschauen, um aus ihren Fehlern zu lernen. Ausführliche Kommentare, positive Verbesserungen etc. werden meistens ignoriert, ein Lernfortschritt ist häufig nicht feststellbar. Gleichzeitig steigt der Korrekturaufwand durch immer mehr bzw. größere Kurse/Klassen permanent an. Höchste Zeit also sich zu überlegen, wo man Zeit sparen kann, ohne deshalb gleich zu schlampen und zu schludern.
Im Folgenden beschreibe ich Tipps und Tricks, die ich in über 30 Berufsjahren entwickelt und erprobt habe. Viele Tipps beziehen sich in erster Linie auf die Oberstufe (meinen Arbeitsschwerpunkt), andere sind allgemein gültig. Meine Verfahren orientieren sich natürlich an den in Bayern üblichen Vorgaben für Klausuren und lassen sich u.U. nicht oder nur eingeschränkt auf andere Bundesländer übertragen. Tipps zu „kleinen“ schriftlichen Leistungsnachweisen („Stegreifaufgaben“ bzw. „Extemporalien“) findest du hier.
Inhalt
Fitness
Ich korrigiere grundsätzlich nur in fittem Zustand. In müdem Zustand spät abends „nur mal drübergehen“ um am nächsten Tag nochmal alles „sorgfältig“ durchzugehen, vergeudet nach meiner Erfahrung nur Zeit und Kraft.
Überblick verschaffen
Bevor ich mich in die Arbeit stürze, überprüfe ich erstmal, ob meine guten bzw. besten Schüler die jeweilige Aufgabe halbwegs richtig bearbeitet haben. Manchmal passiert es trotz guter Vorbereitung und präziser Aufgabenstellung, dass eine Aufgabe selbst von den besten vermurkst wird. Falls meine Gewissensprüfung ergibt, dass z.B. die Aufgabenstellung doch nicht klar genug war, reduziere ich meine Erwartungen von vorneherein.
Nachträgliche Musterlösung
Wenn du beim Erstellen der Klausur keine Zeit hattest, eine Musterlösung zu erstellen, kannst du das ohne großen Aufwand auch nachträglich machen. Nimm dir einfach die Arbeiten deiner besten Schüler und erstelle daraus eine Musterlösung.
Nur EIN Durchgang
Zeitlich plane ich so, dass ich eine Aufgabe in einem Durchgang (mit maximal zwei kurzen Pausen) durchkriege. Dadurch ist gewährleistet, dass ich auch bei großen Klassen beim Schüler Zwicklbauer noch weiß, wie ich bei Adam bewertet habe. Erfahrungsgemäß ist man am Anfang noch relativ großzügig und locker, wird dann aber häufig im Laufe der Korrektur immer genervter und strenger. Wenn die Schüler Adam und Zwicklbauer dann zufällig nebeneinander sitzen und ihre Arbeiten vergleichen, kann es dann zu erheblichen Diskrepanzen und (berechtigten) Protesten kommen.
Entscheidungsfreudigkeit
Ich schreibe nie etwas mit Bleistift auf die Arbeit (was ich später wieder mühsam wegradieren müsste) und notiere auch nichts auf Extrablättern. Ich entscheide mich sofort (im Zweifelsfall wie immer zugunsten des Schülers) und merke mir diese Entscheidung(en) bis ich (mit dieser Aufgabe) beim letzten Schüler angekommen bin.
Doppel-Moppeln
Gehörst du auch zu den Leuten, die bei Korrekturen erst den eigentlichen Fehler markieren und zusätzlich am Rand noch mal ein entsprechendes Symbol (für halben bzw. ganzen Fehler) anbringen? Wozu diese Verdoppelung? Weil du es im Referendariat so gelernt hast? Man lernt im Referendariat ja eine Menge, nur leider fast nie, wie man ÖKONOMISCH arbeitet. Es geht auch anders.
Fehlerbezeichnungen am Rand
Ebenso unökonomisch finde ich es (wie bei Deutschlehrern üblich) den Rand mit Fehlerbezeichnungen (wie A, Gr, Sz bzw. expr, gr, syntax usw.) vollzupflastern. Wenn ich ein falsches Wort unterstreiche bzw. durchstreiche und das richtige Wort drüberschreibe, erkennt wohl jeder Depp, dass das Wort falsch war. Wozu soll ich dann zusätzlich noch mal in den Rand ein w oder voc schreiben? Wenn ich nicht positiv korrigiere, also das richtige Wort nicht drüberschreibe, kommt ein kleines w (für Wortfehler) als zusätzliche Information rechts an meine Unterstreichung (für entsprechende Abkürzungen siehe mein Handout Marking). Die zusätzliche Randschreiberei ist m.E. nur gerechtfertigt, wenn ich durch reines Fehlerzählen z.B. einen Fehlerquotienten bilden muss, mit dem dann irgendwie weitergerechnet wird. Bei uns (in Bayern) werden die Sprachpunkte nicht aufgrund von Fehlerquotienten errechnet, also kann ich mir diese zusätzliche Arbeit sparen. Abgesehen davon machen diese Abkürzungen die Arbeit noch „roter“ und damit für den Schüler (noch) abschreckend(er).
Ökonomisch korrigieren
Gehörst du auch zu den Idealisten, die unverdrossen hoffen bzw. erwarten, dass ihre Schüler aus Fehlern wirklich etwas lernen wollen? Dann heißt es ständig „positiv“ korrigieren, d.h. nicht nur Fehler zu markieren, sondern auch die jeweils richtige bzw. bessere Lösung hinzuschreiben. Konsequent angewendet führt das oft zu der absurden Situation, dass der Lehrer genau so viel (oder sogar noch mehr) schreibt als der Schüler. Der Schüler schreibt zwei bis drei minimalistische Sätzchen und der Lehrer kommentiert und verbessert in ganzen Sätzen: „You should have mentioned that … You have forgotten that … Also your syntax is …“
Ich habe mich von diesem arbeitsintensivem Ideal schon längst verabschiedet. Ich entscheide immer, welche Art von Korrektur in der jeweiligen Situation die ökonomischte ist. Bevor ich erst ein Wort mit Lineal unterstreiche und ein sp (für spelling / Rechtschreibfehler) hinschreibe, streiche ich besser gleich den falschen Buchstaben durch und schreibe den richtigen drüber; d.h. falls es nicht allzu aufwendig ist, korrigiere ich „positiv“. Falls es sich aber z.B. um einen völlig vermurksten Satz handelt, markiere und kategorisiere ich lediglich (z.B. mit syn und awk), schreibe aber nicht den verbesserten Satz hin. Falls ein Schüler ausnahmsweise doch mal wissen möchte, wie es besser hätte heißen sollen, kann er natürlich jederzeit zu mir kommen und bekommt dann auch eine Musterlösung. Falls inhaltlich etwas fehlt, gebe ich das lediglich stichwortartig an; wofür die entsprechenden Stichwörter stehen, wird dann wiederum bei der Besprechung genau erläutert.
Aus diesem Grund bin ich auch nicht verärgert bzw. zutiefst deprimiert, wenn mir ein Schüler, nachdem er kurz einen Blick auf die Arbeit geworfen hat, sie mir sofort wieder zurück gibt. Im Gegenteil denke ich mir: „Immerhin schon mal eine Arbeit, der ich nicht ewig hinterherlaufen muss.“ Besonders unökonomisch finde ich dieses positive Korrigieren bei Stegreifaufgaben, wo ich bei der Rückgabe bzw. Besprechung ja sowieso genau sage, was wie hätte heißen müssen. Wozu wieder doppelt moppeln? Manche Kollegen „trippeln“ sogar bei Korrekturen: das falsche Wort unterstreichen, das richtige drüberschreiben und an den Rand noch zusätzlich w, voc oder etwas ähnliches, sozusagen „korrektiver Overkill“.
Fehlercodes
Statt lange vollständige Sätze zu schreiben, schreibe ich lediglich die Fehlercodes meines Handouts Questions on the Text. In einem Artikel habe ich die Vorteile dieser Methode beschrieben.
Rand-Kommentare
Sparsam gehe ich auch mit kritischen bzw. „ermutigenden“ (Rand-)Kommentaren um. Manche Kollegen kommentieren fast jede zweite Aufgabe mit Sachen wie „You have grasped the main aspects of the text but …“ oder „On the whole your command of English is quite good but …“. So etwas kostet enorm viel Zeit und hat m.E. nur eine geringe Wirkung.
Schlechte bzw. unleserliche Schrift
Viele Kollegen jammern ständig über unleserliches Gekrakel, scheuen aber davor zurück konsequent Punkte abzuziehen. Der Schüler sieht deshalb keine Notwendigkeit seine Schlamperei aufzugeben. Wenn ich etwas nach dem zweiten Versuch nicht entziffern kann, ziehe ich konsequent Punkte ab. Vor der ersten Arbeit erläutere ich, dass unleserliches Geschmotzel hinsichtlich der Kommunikation zu leisem bzw. undeutlichem Sprechen entspricht und „Verständigung“ be- bzw. sogar verhindern kann.
Belegen
Alle Behauptungen, Interpretationen etc. müssen bei mir explizit mit Zeilennummern am Text belegt werden. Dadurch erkenne ich sofort, ob jemand den Text verstanden hat und sich zumindest auf die richtige(n) Passage(n) bezieht, auch wenn seine Antwort ansonsten sprachlich weitgehend unverständlich ist. Näheres dazu hier.
„In the given order“
Falls eine Frage/Aufgabe aus mehreren Teilen besteht, müssen diese der Reihe nach beantwortet werden. Es kostet Zeit, wenn eine Antwort ständig hin- und herspringt und man sich die einzelnen Bestandteile zusammensuchen muss. Ebenso gibt es klare Regeln für Ergänzungen, die sicherstellen, dass ich diese eindeutig zuordnen kann.
Absätze
Es beschleunigt die Korrektur erheblich, wenn Schüler gelernt haben Absätze zu machen und die erste Zeile einzurücken. Ich bekomme oft einen Schreikrampf, wenn ich als Zweitkorrektor einen Composition korrigieren soll, der aus einem einzigen Textblock besteht. Man vergeudet viel Zeit damit, überhaupt erstmal herauszufinden, ob denn z.B. nun die Einleitung (falls es überhaupt eine gibt) aufhört und der Hauptteil anfängt.
Computer
Bei Korrekturen von Stegreifaufgaben bzw. Schulaufgaben arbeite ich immer mit dem PC. Falls dein Computer ganz woanders steht, solltest du dir überlegen dir ein (gebrauchtes) Notebook zu kaufen. Für Tabellenkalkulation bzw. Textverarbeitung muss es nicht das neueste Super-Modell sein, es genügt ein älteres und damit deutlich billigeres Gerät.
Während der Korrektur habe ich vier Programme geöffnet: Tabellenkalkulation mit der entsprechenden Tabelle, Textverarbeitung mit Angabe, Musterlösung (und ggf. Common Mistakes), PONS und das OALD.
Noten-Tabellen
Mit meinen Tabellen spare ich sehr viel Zeit, vermeide lästige Additionsfehler und die damit verbundenen nervigen Diskussionen. Alle Punkte-Eingaben erfolgen ausschließlich in der Tabelle, nicht auf der Schülerarbeit, d.h. es gibt bei Änderungen kein Radieren bzw. Tipp-Exen. Ganz am Ende wird die ganze Tabelle auf DIN A4 Etiketten ausgedruckt, der entsprechende Schüler-Streifen wird ausgeschnitten, auf die Arbeit geklebt und abgezeichnet.
Grenzfälle
Wenn einem Schüler nur wenige Punkte zur besseren Note fehlen, wird mir das in der Tabelle für die 5.–11. Klasse als + angezeigt. Dadurch sehe ich auf einen Blick, welche Arbeiten ich mir nochmal genauer anschauen muss. Bei mir bekommt kein Schüler wegen einem oder sogar nur einem halben Punkt knapp die schlechtere Note.
Aktualisieren
Falls ich während der Korrektur feststelle, dass eine Aufgabenstellung z.B. unklar war, wird dies sofort in der entsprechenden Word-Datei korrigiert, schließlich werde ich ja diese Schulaufgabe wahrscheinlich nochmal halten. Außerdem ergänze bzw. überarbeite ich, falls nötig, die Musterlösung, damit ich mich beim nächsten Mal noch ein bisschen leichter tue.
Common Mistakes
Falls ich häufige Fehler für eine entsprechende Folie sammele, werden die natürlich auch gleich notiert. Bei diesen Folien arbeite ich mit dem Aufdeckverfahren. Erst kommt der falsche Satz und die Schüler müssen herausfinden, was alles falsch ist. Ihre Analyse muss mit den entsprechenden Regeln meiner Handouts (vor allem Questions on the Text) begründet werden. Danach wird die nächste Zeile aufgedeckt und die Schüler sollen einen richtigen Satz formulieren. Als letztes wird dann die Musterlösung aufgedeckt und ggf. mit der Schüler-Lösung verglichen. Für Folien nehme ich mindestens eine Schriftgröße von 14 pt (besser 16 pt), damit man sie auch noch aus größerer Entfernung lesen kann.
Aktive Pausen
Wenig überraschend empfehle ich dir als Sportlehrer für die Pausen vor allem Bewegung.
Schon kurze Übungen helfen gegen Verspannungen und Rückenschmerzen.
Du tanzt gerne? Dann spiel fetzige Musik und hupf einfach ein bisschen im Zimmer rum.
Für mich ist Jonglieren eine ideale Beschäftigung für kurze Korrekturpausen. Ich muss mich vollständig auf etwas anderes konzentrieren und muss trotzdem „locker“ bleiben, sonst geht gar nichts.
Auch Qi Gong Übungen eignen sich sehr gut um „runterzukommen“, zu entspannen und neue Kraft zu tanken.
Tipps von Kollegen/innen
Der „Lehrerfreund“ empfiehlt für effizientes Korrigieren die Pomodoro-Technik.
Um mich selbst beim Korrigieren etwas zu belohnen, fasse ich immer fünf Klausuren mit einer Büroklammer zusammen, und wenn ich die fünf dann fertig habe, gönne ich mir eine kleine Pause. Außerdem sehe ich dann schneller, wenn ich auf der Hälfte bzw. dem Viertel bin! Sicherlich sehr simpel, aber es wirkt! (E. Haus-Stahlberg)
Nach Herausgabe der Arbeit gehe ich in der Klasse herum und lasse mir meine Korrekturen erklären. Dadurch zwinge ich die Schüler sich mit ihrer Arbeit zu beschäftigen. Auf diese Art habe ich zumindest ein bisschen das Gefühl nicht völlig umsonst gearbeitet zu haben. (N. Wagner)
Seit ich mir ein günstiges Notebook gekauft habe, korrigiere ich falls immer möglich auf dem Balkon bzw. im Garten. Dadurch bin ich bei schönem Wetter nicht mehr gar so frustriert wie früher, als ich immer am Schreibtisch saß. Schöne Steine sorgen dafür, das die Schulaufgaben bzw. Angaben nicht davonfliegen. (C. Schmidt)
Früher habe ich bei nächtlichen Korrektur-Sessions Unmengen von Kaffee in mich reingeschüttet und „zum Trost“ Schokolade gemampft. Trotz allem war ich mit der Qualität meiner Arbeit nicht zufrieden und habe auf die Dauer natürlich zugenommen. Wenn ich heute beim Korrigieren eine Pause mache, trinke ich einen Obst-Shake. Statt Schokolade knabbere ich Karotten oder esse Obst. (S. Cosar)
Ich korrigiere nicht mit den üblichen billigen roten Kulis bzw. Faserstiften, sondern habe mir einen schönen Füller gekauft. Wenn ich mit so einem qualitativ hochwertigen Gerät arbeite, habe ich das Gefühl, dass auch meine Korrekturen qualitativ besser sind. (P. Neunhauser)
Wasser (am besten mit einem Schuß Zitrone) ist unerlässlich für Konzentrationsfähigkeit und geistige Arbeit. Während der Korrektur trinke ich regelmäßig einen Schluck aus einem schönen Glas. Wenn der „kleine Hunger“ kommt, esse ich Nüsse (wie z.B. Cashew-Nüsse), die ebenfalls die Konzentration fördern. (G. Kleyden)
Ich tendiere zu dicken Beinen beim langen Sitzen am Schreibtisch und korrigiere deshalb immer im Lesesessel: gute passende Armlehnen, rechts neben mir Getränk und Wörterbücher (bin Linkshänderin), rechts die zu korrigierenden Arbeiten aufgeschlagen, gestapelt. Ich motiviere mich durch: schon 10%, …30%, …etc. auch total simpel, aber es hilft ungemein! Die Beine auf dem Hocker vor mir auf passender Höhe zum Sessel. Die Hefte bzw. Klausurblätter auf dem englischen Knietablett, das Format passt bei Heften perfekt. So halte ich’s lange aus. (J. Stakowski)
max
Mehr Info dazu hier:
http://castonguaylesarts.blogspot.com/2009/04/le-petit-bal-perdu-video-de-philipp.html
Und der Songtext (Bourvil „C’etait Bien“), den ich als gemeiner Schmalspurfranzose dringend brauche. 😉
http://www.songtexte.com/songtext/bourvil/cetait-bien-au-petit-bal-perdu-5bcd4fd8.html