… ist der Titel einer „Streitschrift“ von Bernhard Bueb, dem langjährigen Leiter der Internatsschule Schloss Salem. Um es mal von Anfang an klar zu machen: Mit den Grundthesen seines Buches stimme ich völlig überein. Das hier wird also ein „reaktionärer“ Beitrag, denn ich denke wir Lehrer müssen auf die zunehmenden Disziplinlosigkeiten unserer Schüler angemessen reagieren.
Das aktuelle Bild von Lehrern in den Medien ist inzwischen eines von Burnout-gefährdeten, bemitleidenswerten Geschöpfen, die unter ihren Schülern leiden. Als typisches Beispiel hier der Anfang des SZ Streiflichts vom 18.01.07:
Hierzulande gehören Lehrer zu den erbarmenswertesten Geschöpfen, und selbst als ehemaliges Opfer ihrer Willkür […] treibt es einem die Tränen in die Augen, wenn von ihrem grausamen Schicksal die Rede ist. Demütigungen aller Art sind ihr tägliches Los, keiner folgt ihnen mehr, sie sind Zielscheibe von Spott und Wurfgeschossen, und wenn sie nach dem Unterricht nach Hause fahren, wird ihr Kleinwagen vom Landrover ihres schlechtesten Schülers in den Straßengraben gedrängt. Generationstypische Fehlleistungen bei der Bedienung eines Handys oder des Computers untergraben zusätzlich die Autorität unserer Pädagogen, ja überhaupt sind sie an allem schuld, an der Pisa-Blamage, an der Krise des Genitivs und an der Lateinprüfung, die der Landrover-Fahrer aus der Klasse 12 a vermasselt hat. Manchmal, wenn sie abends bei einem Glas Billigwein entnervt vor sich hindämmern, träumen sie vom Kaiserreich, wo der Lehrer noch was galt. […]
Bereits an anderer Stelle habe ich geschrieben, dass Unterricht ohne entsprechende Disziplin und notfalls Strafen nicht möglich bzw. sehr anstrengend ist (vgl. dazu „Wer gerecht erziehen will, muss bereit sein zu strafen“ S. 107 ff). Da wir eine sog. „Seminarschule“ sind (die Referendare ausbildet) ist das Thema Disziplin bei uns natürlich besonders dringlich. Viele Referendare kämpfen bekanntlich in erster Linie ums Überleben, geordneter Unterricht findet (wenn kein Betreuungs- bzw. Seminarlehrer hinten drinnen sitzt) oft so gut wie überhaupt nicht statt. Aber auch „etablierte“ Lehrer haben immer häufiger Schwierigkeiten z.B. einen Schüler dazu zu bewegen ein Papierl vom Boden aufzuheben. Es war natürlich nichts seins und wie kommt er überhaupt dazu … und am Ende hebt es der Lehrer halt selber auf. Wie wohltuend in diesem Zusammenhang die Kapitelüberschrift „Man muss nicht immer über alles diskutieren“ (S. 78 ff).
Bizarr finde ich übrigens die Mode mit einer Klasse einen „Vertrag“ auszuhandeln, der dann von allen unterschrieben wird. Damit macht man elementare Pflichten von Schülern zu einem Gegenstand von Diskussion und Verhandlung. Das Kernelement von Verhandlungen ist der Kompromiss, also signalisiert man als Lehrer, dass Disziplin „verhandelbar“ sei, so etwa in dem Sinne „Wenn ihr wenigstens ab und zu eure Hausaufgaben macht, komme ich euch in punkto Disziplin auch entgegen.“ Was als Demokratisierung der Schule gut gemeint ist, endet oft genug im Chaos („The road to hell …“). Bueb sieht die Sache m.E. völlig richtig:
Ein neuer Lehrer betritt den Raum einer Mittelstufenklasse zu Beginn des Schuljahres. Die Art seines Auftretens entscheidt über das Machtverhältnis der nächsten Zeit in der Klasse. Der neue Lehrer ist gut beraten, wenn er seine Machtposition gleich am Anfang deutlich markiert. Die Schüler erwarten einen Lehrer, der weiß, was er will, der Konflikte nicht scheut und seinen klaren Führungsanspruch geltend macht. Zugleich erwarten sie einen Lehrer, der deutlich zu erkennen gibt, dass er aus Fürsorge seinen Führungsanspruch erhebt, dass Liebe zu Jugendlichen das Motiv seines Handelns ist und dass sich dadurch seine Macht zu Autorität wandelt. Er muss aber wissen: Liebe allein genügt nicht. Es ist kein partnerschaftliches Verhältnis. Versäumt er es, sich klar zu positionieren und seine Macht zu etablieren, kann im schlimmsten Fall seine Autorität für das ganze Schuljahr infrage stehen. Schüler nutzen unbarmherzig Schwächen aus, die sie bei Lehrern entdecken. Noch als Väter und Großväter berichten sie stolz, wie sie Lehrer „fertig gemacht“ hätten. Es wird einem Lehrer nicht verziehen, wenn er den Machtkampf verliert. (S. 50)
Schwierig wird es immer dann, wenn die Schulleitung Regeln durchsetzen möchte (vor dem Schulhaus Rauchen verboten, während der Pause kein Aufenthalt in den Gängen, Ordnung in Klassenzimmer etc.) aber gleichzeitig explizit (oder implizit) klarmacht, dass Strafen natürlich keine geeignenten Maßnahmen sind und man stattdessen besser im vertrauensvollen Gespräch … Dann sollte man u.U. über einen Schulwechsel nachdenken.
Zum Abschluss noch ein „inspirational quote“:
Lehrer sind und bleiben die wichtigsten Personen, um junge Menschen auf dem Weg zu sich selbst zu begleiten. Wer das Glück hat, einen Lehrer zu finden, der ihm zum Glauben an sich selbst und an seine Talente verhilft, hat den Grundstein für sein künftiges Leben gelegt. (S. 159)
Fazit: Ein wichtiges Buch für alle, die sich ihre Arbeitskraft erhalten und noch viele Jahre Spaß am Umgang mit Kindern/Jugendlichen und am Unterrichten haben wollen.
Lob der Disziplin (bei buecher.de)
PS. Dazu passend: Wir lernen nichts
moca
wahrscheinlich macht es wenig sinn, hier einen kommentat zu schreiben. ich mach es trotzdem, weil es mich einfach traurig macht, dass es viel zu viele menschen gibt, die büb’s rufen nach einer art von disziplin, die in einer demokratie keinen platz haben dürfte, freudig zustimmen.
als ob strafe, druck und gehorsam je selbstbewusste, freidenkende menschen hervorgebracht hätte…eintrauerspiel.
exemplarisch verweise ich auf ein posting eines erfahrenen lehrers, dem sein beruf nach eigener aussage stets freude bereitet hat und der dennoch einen anderen umgang mit schülerInnen gewählt hat.
http://de.groups.yahoo.com/group/Sudbury_Germany/message/3858
Jochen
> die büb’s rufen nach einer art von disziplin, die in einer demokratie keinen platz haben dürfte,
Weil Disziplin automatisch „totalitären und faschistischen Denkmustern“ entspricht? Wow, echt hilfreich, werde ich gleich mal meinen ausgebrannten Kollegen erzählen, die kaum mehr unterrichten können, weil die ganze Zeit ein unglaublicher Lärm herrscht und sie mit Papierkügelchen und Plastikflaschen beworfen werden.
aj
Tipp zum Weiterlesen:
DIE ZEIT vom 1.3.07:
Von der Kunst des Erziehens – Der ehemalige Kinderladen-Aktivist Daniel Cohn-Bendit im Gespräch mit Bernhard Bueb, dem Autor des Buches »Lob der Disziplin«
oder online:
http://www.zeit.de/2007/10/C‑CohnBendit-Bueb