Der Autor des folgenden Gastbeitrags, Prof. Dr. Gerd Neuhaus, war als Fachleiter in der Lehrerausbildung tätig und ist Studiendirektor am Bischöflichen Abtei-Gymnasium in Duisburg-Hamborn sowie außerplanmäßiger Professor für Fundamentaltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. Der Veröffentlichung seines Beitrags, der zuerst in der FAZ erschien, erfolgt mit seiner freundlichen Genehmigung.
Im Roman „Die Feuerzangenbowle“ hat der Schüler Hans Pfeiffer mit einem Lehrer zu tun, der so unbedeutend ist, dass er in die Verfilmung gar nicht erst Eingang gefunden hat. Er heißt „Müller 2“ und wird nur mit wenigen Sätzen beschrieben: „Seine Stunden flossen in ermüdender Sachlichkeit dahin, und wenn sie vorüber waren, hatte man zwar das Gefühl, etwas gelernt, nicht aber, einen Lehrer gehabt zu haben.“ In dieser Farblosigkeit wirkt er erzähltechnisch nur als Kontrastfigur. Sein Kollege Bömmel tritt dafür umso farbiger mit seiner Stunde über „de Dampfmaschin“ hervor: „Dafür entschädigte allerdings der Bömmel.“ Er darf im Film etwas sagen, was nicht der Romanvorlage entnommen ist, aber seine pädagogische Gestalt umso deutlicher konturiert. Er sagt nämlich: „Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje.“ Dann hält er einen Augenblick inne, sein Gesicht verzieht sich zu einem leichten Lächeln, und er fügt hinzu: „Nur nit so schön!“
Darin steckt eine tiefe pädagogische Weisheit. Der Leiter des Canisius-Kollegs Klaus Mertes (F.A.Z. vom 19. März) machte darauf aufmerksam, wie sehr für Schüler die Faszinationskraft einer Sache in der Lehrerpersönlichkeit Gestalt anzunehmen vermag. Der Lehrer ist in einem gelingenden Lernprozess für seine Schüler viel mehr ein Lernmedium als alles andere, was sonst darunter firmiert. Zugleich erinnert Mertes an eine Paradoxie pädagogischen Handelns: So können Lob und Tadel nur dann ihre erzieherische Wirkung entfalten, wenn sie authentisch formuliert und ernst gemeint sind. Sie werden wirkungslos, sobald ein Schüler den Eindruck gewinnt: „Das sagt der doch nur, um mich zu ermutigen.“ Gleiches gilt für jede Motivation im Unterricht. Sie wirkt nur in dem Maße, in dem sie sich nicht als Motivation inszeniert, sondern von der Authentizität lebt, in der die im Unterricht zu behandelnde Sache in der Lehrerpersönlichkeit Gestalt gewinnt.
Solche einfachen Sachverhalte sind in der heutigen gymnasialen Lehrerausbildung allerdings nur schwer zu vermitteln, wenn in vernebelnden Sprachspielen über „guten Unterricht“ geredet wird. Die Suggestionskraft vieler pädagogischer Überredungsbegriffe wird von den Betroffenen erst bemerkt, wenn sie davon infiziert sind. Wer will schon ernsthaft etwas gegen Ganzheitlichkeit, Offenheit, Selbsttätigkeit, Kooperation und Produktionsorientierung einwenden? Und wer will das Plädoyer dafür wagen, Schüler „frontal“ zu unterrichten, sie gar zu „instruieren“ und dem Unterrichtsstoff gegenüber in die passive Konsumentenrolle zu drängen?
Solche Begriffe sind willkürlich gewählt und durch die Absicht geprägt, andere Möglichkeiten schon vorher sprachlich zu denunzieren. Die gedankliche Gegenprobe ist hilfreich. So ist mir noch kein Katholik begegnet, der die nachkonziliare Liturgie als „Frontalmesse“ bezeichnet hätte. Hier formuliert man vielmehr freundlich, dass der Priester seiner Gemeinde nunmehr das Gesicht zuwende. Aber mit gleichem Recht ließe sich das, was seit Jahrzehnten Frontalunterricht heißt, als schülerzugewandter Unterricht bezeichnen, in dem der Lehrer seinen Schülern in jeder Hinsicht des Wortes sein Gesicht zeigt.
Wo das Wort „frontal“ für den Außenstehenden Assoziationen der Feindseligkeit wachruft, die der Duden durch Wortzusammensetzungen wie „Frontalangriff“ oder „Frontalzusammenstoß“ bezeugt, widerstehen Schüler dieser verbalen Suggestionskraft in der Regel, wenn sie im Alltag erfahren, was ungeachtet aller positiven Konnotierung hinter „ganzheitlichen“, „offenen“ und „kooperativen“ Unterrichtsformen in Wirklichkeit steht. So kann es durchaus geschehen, dass sie auf einen Lehrer mit der Frage zukommen: „Können Sie nicht bei uns mal eine Stunde Frontalunterricht machen? Wir haben gerade wieder modernen Unterricht.“ Da war soeben Gruppenarbeit arbeitsteilig organisiert worden, und damit die Schüler sich bei deren Vorbereitung und Durchführung gegenseitig kennenlernten, wurden die Aufgaben nicht von vornherein an namentlich bestimmte Schüler vergeben, sondern an denjenigen, der als letzter Geburtstag hatte, an diejenige, deren Anschrift die niedrigste Hausnummer hat, oder an den, dessen zweiter Buchstabe im Vornamen als erster im Alphabet vorkommt. Es ist kein Wunder, dass nicht nur Oberstufenschüler, die so etwas ertragen müssen, sich dadurch infantilisiert fühlen. Sie sagen selbst, man sei hier nicht im Kindergarten (was übrigens eine Beleidigung des Kindergartens sein dürfte). Die Funktionen, die auf diese Weise vergeben werden, sind die des Protokollanten, des Berichterstatters für die anschließende Präsentation vor dem Plenum und vor allem die des Zeitnehmers, der die Uhr im Auge behält. Damit wird unter den Schülern eine Gestalt der „Vollbeschäftigung“ hergestellt, die genauso künstlich ist wie diejenige, die einst von sozialistischen Staaten propagandistisch herausgekehrt wurde. Der methodische Aufwand solcher Unterrichtsformen steht in keinem Verhältnis zum gewünschten Lernerfolg. Aus Verärgerung verabschiedete eine Schülerin jüngst mehrere Stunden lang eine Studienreferendarin mit der Feststellung: „Heute haben wir schon wieder nichts gelernt.“
Die Asymmetrie von methodischem Aufwand und Lernerfolg findet ihre Grundlegung in der allseits geforderten „Kompetenzorientierung“. Wer die Zielformulierung in den Unterrichtsentwürfen von Referendaren liest, wird feststellen, dass auffallend oft Kompetenzen „erweitert“ oder „vertieft“ werden oder für etwas schon Bekanntes neu „sensibilisiert“ werden müssen. Der Lerninhalt gerät dabei zur Nebensache und wird zum austauschbaren Medium; die jeweilige Kompetenz ist zum eigentlichen Planungsziel geworden. Nicht selten tritt dabei der Unterricht auf der Stelle.
Für Referendare kann eine solche Ausbildung auf den ersten Blick von fragwürdigem Vorteil sein. Gerade solche Lehramtsanwärter, die fachwissenschaftlich nur lückenhafte Kenntnisse aufzuweisen haben, entdecken schnell, dass sie hinter den sogenannten schülerorientierten Arbeitsformen ihre eigenen Defizite verstecken können, wenn der Lehrer nur noch Impulsgeber und Prozesshelfer für selbstgesteuerte Lernprozesse ist, die der Schüler angeblich autonom in die Hand nimmt.
Schüler durchschauen einen solchen Spuk schnell. Allerdings machen sie ihn in entscheidenden Situationen mit. Bei anstehenden Unterrichtsbesuchen durch die Seminarausbilder – den sogenannten Lehrproben – wollen sie nämlich den Referendaren helfen zu bestehen. Hier wird dann die eingangs genannte Paradoxie pädagogischen Motivierens auf eine Weise wirksam, welche Simulationsprozesse fördert, die mit dem Unterrichtsalltag nicht mehr das Geringste zu tun haben. Weil Schüler durchschauen, was Referendare gerade vorhaben, lassen sie sich in Prüfungssituationen brav zur gewünschten Leistung motivieren, die sie im Unterrichtsalltag aus dem gleichen Grund verweigern würden. Auf diese Art entsteht ein Teufelskreis: Die Schüler erwecken bei den „Lehrproben“ gegenüber den Ausbildern den Eindruck, sie würden die besagten Arbeitsformen bereitwillig akzeptieren, und die Ausbilder sind dann umso mehr von der Effizienz ihrer methodischen Ansätze überzeugt. So entsteht eine Lehrerausbildung, in der Referendare für das Bestehen ihrer „Lehrproben“ ausgebildet werden. Danach aber sind sie oft schutzlos dem Unterrichtsalltag ausgeliefert. Denn jetzt nehmen die Schüler nicht mehr solche Rücksicht, die sie ihnen als Referendaren noch entgegengebracht haben. Hans Pfeiffer hätte heute bei modernem schüler- und kompetenzorientiertem Unterricht nicht nur das Gefühl, keinen Lehrer gehabt zu haben.
Claudia Boerger
Ein wirklich interessante Analyse. Ich denke wie so häufig gilt „Die Dosis macht das Gift“. Mittlerweile ist es ein Gemeinplatz: weder der frontale Weg ist der allein erfolgversprechende noch macht der ausschließliche Einsatz z.B. autonomer Methoden „guten Unterricht“ aus.
Aber genau hier tun wir uns häufig schwer. Nicht nur im schulischen Zusammenhang, sondern in nahezu allen Lebensbelangen ist es oft einfacher in Extremen zu leben. So muss man nur eine „Polung“ im Kopf haben, in die es sich zu orientieren gilt. Eindimensionales Denken in vorgegebenem Schwarz oder Weiß ist für manchen einfach weitaus unanstrengender und damit angenehmer als selber stets situationspassend neue Grautöne zusammenstellen zu müssen.
Um zur Schule zurückzukehren: Das Schwierige für den Lehrer ist also zu erkennen, für welche Unterrichtsinhalte man lerneffizient und arbeitsökonomisch welche Erarbeitungsform optimalerweise einsetzt. Dazu gehört in der Lehrerausbildung aber in der Tat ein für alle Wege offener Fachleiter, der seine Referendare nicht in eine einzige (nämlich seine eigene Leib-und-Magen) Methoden-Richtung drängt.
Dies ist sicherlich aber nur die Hälfte der Miete wie der Artikel von Gerd Neuhaus richtig andeutet. Außerdem ist lehrerseits nämlich zu überlegen, wie gelingt, dass die Schüler die angebotene Lernform motiviert annehmen. Und hier kommt auch zentral ins Spiel, was der Autor als „Lehrerpersönlichkeit“ bezeichnet und welche in der Lehrerausbildung kaum bis keine Beachtung findet. Ich bin davon überzeugt, dass Schüler auch „für ihren Lehrer lernen“, soll heißen, wen die Schüler mögen oder gar bewundern, den wollen sie auch durch ihre Lernerfolge beeindrucken. Authentizität der Lehrperson wird hier sicherlich richtig als Schlüsselwort genannt. Die interessante Frage, die hier für mich entsteht und im Artikel offen bleibt: Lässt sich diese im Zuge der Lehrerausbildung stärken? Und: Ist das Didaktische Coaching unter Umständen der fachdidaktischen Ausbildung gleichberechtigt nebenzustellen?
Ich persönlich glaube nämlich in der Tat, dass die Förderung psycho-sozialer Aspekte einen viel größeren Raum in der Lehreraus- und ‑fortbildung einnehmen sollte.
Herr Rau
Mir fällt gerade kein sinnvoller Diskussionsbeitrag ein. Aber danke für den Text. Muss man ja auch mal sagen.
ReferendarXY
Ich kann den im Artikel angeführten Aussagen voll und ganz zustimmen.
Ein Beispiel:
VOR Beginn meines Referendariats (also mit nahezu NULL Ahnung/Erfahrung hinsichtlich „moderner“ Methodik und Didaktik) habe ich eine Vertretungsstelle an einer Gesamtschule angenommen.
Ich habe ein halbes Jahr lang eine 11te und drei 8te Klassen unterrichtet, insbesondere in der 8 habe ich einen „Standardunterricht“ durchgezogen.
–> Buch auf, Text vorspielen, Übung XY machen, Workbook auf etc…
Think-Pair-Share, Karten ziehen, Zeitwächter und Gruppenpuzzle waren „Fremdworte“ für mich.
In der 11 war es methodisch abwechslungsreicher, aber der Großteil meines Unterrichts lief auch dort frontal ab.
Ich habe den Unterricht lediglich durch für die S. interessante Unterrichtsinhalte (youtube Videos etc.) aufgelockert.
Auch hier muss ich dem Autor des Artikels insofern recht geben, als ich „schülerautonome“ Arbeitsphasen u.a. auch deshalb eingebaut habe, um eigene „Unzulänglichkeiten“/ Unsicherheiten zu kaschieren/ aber auch um die S. mehr aus ihrer „Konsumentenhaltung“ herauszulocken.
Nachdem ich nach den 6 Monaten „Vorlaufzeit“ mit dem Referendariat begann, bekamen die S. einen jungen Lehrer, der gerade sein Referendariat beendet hatte.
NOCH HEUTE (über 1 1/2 Jahre später) sprechen mich einige S. an und sagen, dass seine Methoden „seltsam“ seien, er „nicht unterrichten“ könne und es in seinem Unterricht „immer so laut“ sei…
Ich plädiere keineswegs für reinen Frontalunterricht, eher für die „goldene Mitte“. Partner- und Gruppenarbeiten haben m.E. schon ihre Berechtigung wenn sie „funktional“ angewandt werden, ebenso sollten S. natürlich auch „entdeckend“ und eigenverantwortlich lernen können.
Der Frontalunterricht muss aber m.E. den größten Anteil im Unterricht einnehmen.
Was habe ich schließlich davon, wenn die S. zwei Doppelstunden lang „autonom“ einen Text erarbeiten, sich darüber austauschen und diesen präsentieren (und dabei evtl. vollkommen in die „falsche Richtung“ arbeiten), wenn ich den selben Text frontal in einer Schulstunde erarbeitet hätte.
Wie gesagt, ein „gesunder (Methoden-)Wechsel“ ist m.E. der richtige Weg, die Vorzüge des Frontalunterrichts verdienen aber wieder (viel) mehr Aufmerksamkeit.
Danke für das Posten des Artikels!
Christian
Danke Claudia für deinen Kommentar. Genau so sehe ich das auch. Was ich fürchterlich finde, ist das Gegeneinander auspielen von unterschiedlichen Unterrichtsansätzen. Ich z.B. bin nicht gut im frontal unterrichten und sehe deswegen auch gar nicht ein, diese Art Unterricht als größten Teil einzusetzen. Die Schülerrückmeldungen am ende dieses Schuljahres haben aber gezeigt, dass die SuS durchaus der Meinung sind, etwas gelernt zu haben. Ein Lehrer sollte den Unterricht machen, den er kann und in dem er am ehesten authentisch wirkt. Bei dem einen mag das frontal sein, beim anderen nicht. Solange der Unterricht auf Erweiterung von Wissen und Kompetenzen angelegt ist, kommen die SuS damit glaube ich gut zurecht.
@ Referendar XY: Man kann die Aussagen der SuS über den jungen Lehrer mit den merkwürdigen Methoden übrigens auch anders deuten. So kann es sein, dass die SuS in der Tat nicht in die Lage versetzt worden sind, sich selbst zu disziplinieren (ja, ich weiß, gleich kommt das Argument, dass dafür ja der Lehrer zuständig sei), sie nicht gelernt haben, sich selbst Wissen anzueigenen, etc. Deswegen haben sie nun die Probleme mit dem neuen Lehrer. Dann wäre die Schüleraussage nicht Bauchpinselei der eigenen frontalen Unterrichtsmethoden, sondern eher Kritik.
Matthias Heil
Ich stimme Claudia und Christian zu: So wie es verschiedene Lerntypen gibt, so gibt es auch verschiedene Lehrtypen, so dass sich Schwarz/Weiß-Malerei verbietet – und (auch) Neuhausens Forderung der Authentizität der Lehrperson kann nur entsprechen, wer die methodischen, didaktischen und pädagogischen Werkzeuge, welche Ausbildung und Lehrerfahrung liefern, in ein konstruktives und auf die Bedürfnisse der Lernenden abgestimmtes Zusammenspiel zu bringen vermag. – In der Ausbildung sollte m.E. schon verlangt und überprüft werden, dass mehrere Ansätze und Methoden (die Begriffe sind etwas eng) reflektiert und zumindest ansatzweise realisiert werden können, nur sehe/wünsche ich mir Ausbildende dabei eher als Erforschungs-PartnerInnen denn als mit Notenknarre nicht nachvollziehbar um sich schießende MaßreglerInnen… diese (noch nicht so verbreitet realisierte) Rolle müsste institutionell stärker gefördert werden (z.B. durch eine intensivere UB-Praxis und eine noch stärkere Trennung zwischen Beratung und Benotung.
Max
>Aber mit gleichem Recht ließe sich das, was seit Jahrzehnten Frontalunterricht
>heißt, als schülerzugewandter Unterricht bezeichnen, in dem der Lehrer seinen
>Schülern in jeder Hinsicht des Wortes sein Gesicht zeigt.
Hier kann man sehr schön eine weitere Methode sehen: Den peripatetischen Unterricht! 😉
http://tinyurl.com/b5cuvj
Fontanefan
Nichts gegen Methodenwechsel und den Hinweis darauf, dass es keinen Sinn hat, wenn systematisch vermieden wird, den Kompetenzvorsprung einzelner zu nutzen. In der Tat kann ich mir schwer vorstellen, dass chinesische Professoren
Habermas nach China einladen würden, damit er dort überall Gruppenarbeit zu philosophischen Themen anleiten, aber nie zu einem inhaltlichen Beitrag Stellung nehmen würde.
Aber es gibt seit rund dreißig Jahren eine Alternative zu vom Lehrer organisiertem Unterricht: den vom Lehrer angeleiteten und wenn nötig unterstützten Unterricht durch die Schüler, Lernen durch Lehren (http://wiki.zum.de/LdL).
So gut mir die Ehrenrettung von Vortrag, sokratischer Methode und authentischem Erfahrungsbericht gefällt. Schüleraktivierung und Nutzung des Kompetenzvorsprungs des Lehrenden brauchen sich nicht auszuschließen.
Max
Interessanter FAZ-Leserbrief zum Thema http://tinyurl.com/r2ek4q
Matthias Heil
Was ist denn der Ertrag des Leserbriefs? 2€ sind mir zuviel um das selbst herauszufinden…-(
UK222
Wie man sieht, sind die jungen Lehrer und Referendare schon so eingenommen von dem Fokus auf die neuen Unterrichtsmethoden, dass sie schon gar nicht mehr anders können, als diese für gut zu heißen, weil sie ja mit gar nichts anderem mehr in Berührung kommen.
Bestes Beispiel: Christian (siehe oben). Da äußern Schüler Kritik an Unterrichtsmethoden, und das wird dann als Kritik am Frontalunterricht gedeutet, der den Schülern nicht das Selbstdisziplinieren und Selbstlernen beigebracht habe. Frage: wenn es berechtigte Kritik an Unterrichtsmethoden gibt, wie muss man die dann äußern, damit die nicht weggedeutet und in Lob von Unterrichtsmethoden umgedeutet werden?!
Ein solches willkürliches Umdeuten von Kritik hat einen Namen: Ideologie!
Und diese Ideologie beherrscht die Schulen heute so vollständig, dass gar keiner mehr bemerkt, dass die Schüler immer und immer weniger können (in NRW hatten Lernstandserhebungen und ZP10 an Gymnasien nur noch Hauptschulniveau!), obwohl doch die Methoden immer und immer moderner werden.
Leute, macht doch einfach mal die Augen auf und lasst euren mit didaktischen Phrasen verkleisterten Verstand schweigen!
Christian
„Ein solches willkürliches Umdeuten von Kritik hat einen Namen: Ideologie!“
Bevor du mir ideologisches Handeln vorwirfst, hinterfrage doch bitte ersteinmal deine eigenen Ideologien. Habermas hat uns gelehrt, dass hinter jedem Handeln eine Ideologie steckt, nämlich die Grundannahmen über die Zwecke, Ziele, etc. des eigenen Handelns. Ganz ohne Ideologie wirst also auch du nicht sein.
Und wenn du mein Posting genau gelesen hättest, dann hättest du auch mitbekommen, warum ich diese Methoden (nicht alle davon) für mich besser finde als andere.
„(in NRW hatten Lernstandserhebungen und ZP10 an Gymnasien nur noch Hauptschulniveau!)“
Woher willst du denn wissen, ob das nicht vor fünfzehn Jahren, als noch keine zentralen Prüfungen stattfanden und fröhlich weitgehend frontal unterrichtet wurde nicht anders war. Die Zusammenhänge, die du hier herstellst müsstest du ersteinmal beweisen. Zum Beispiel könnte ein anderer Grund sein, dass sich vermehrt die falschen SChülerinnen am Gymnasium befinden, da diese trotz fehlender Fähigkeiten am Gymnasium sind.
UK222
Du hast natürlich Recht: niemand kann sich von Ideologie freisprechen. Aber die Frage ist, welche Konsequenzen man aus dieser Einsicht zieht. Ich würde hier mit Popper vorschlagen: Immer wenn man eine Behauptung aufstellt, frage man sich, in welchem Fall (bei auftreten welcher Tatsachen) man seine Behauptung als widerlegt ansehen würde. Wer sich in keinem Fall als widerlegt ansehen wird, der ist nicht nur im Sinne von Habermas ein (notwendiger) Ideologe, sondern der ist ein unverbesserlicher Ideologe. Und da habe ich heute doch eher folgenden Eindruck:
Moderne Unterrichtsmethoden gelten als der Stein der Weisen (in meinem Seminar gab es nicht einen Ref, der es gewagt hätte, auch nur bei einer einzigen Lehrprobe Frontalunterricht zu zeigen). Und schlechte Unterrichtsergebnisse werden keineswegs als Indiz gewertet, dass diese Methoden vielleicht doch nicht das Optimum sind, sondern dann wird immer argumentiert, dass dann wohl die Methoden nicht vernünftig angewandt wurden. Kurz: nicht einmal schlechte Lernergebnisse werden heute im Sinne Poppers als Hinweis gesehen, die Methoden in Frage zu stellen. Das riecht mir nach unverbesserlicher Ideologie.
Deshalb meine ich auch, dass es gefährlich ist, was Du oben getan hast: sich eine Kritik der Schüler an Methoden einfach wegerklären und ganz außer Acht lassen, dass es vielleicht eine sehr berechtigte Kritik gewesen sein könnte. Deshalb hab ich ja die Frage gestellt, woran Du eine berechtigte Kritik an Methoden erkennen würdest? Oder ist jede Kritik an Methoden a priori unberechtigt? Das wäre dann unverbesserliche Ideologie.
Es gibt noch ganz andere Einwände gegen die Methoden des selbständigen Lernens, auf die ich hier nicht eingehen kann. Nur so viel: es gibt Dinge – und zwar die wesentliche Dinge! – , die sich Schüler nicht selbst beibringen können, sondern die sie nur im Vertrauen auf ihren Lehrer als eine Autoritätsperson lernen können.
Bei mir im Unterricht gibt es nur ganz wenige Methoden, in der Hauptsache läuft Frontalunterricht. Aber Du kannst mir glauben: wenn sich meine Lernergebnisse als schlechter erweisen werden als die meiner methodengläubigen Kollegen, dann werde ich sofort auf Methoden umschwenken (es geht ja nicht um mich und meine Meinung, sondern um die Schüler!). Bisher ist das nicht der Fall gewesen, sondern das Gegenteil, so dass sich meine Kollegen immer wundern, warum ich immer an die lernstarken Lerngruppen gerate. Zum Nachdenken bringt es sie offensichtlich nicht.
Kat Lehramtsstudi
Dieser Bericht beruhigt mich als Studentin doch sehr, wird doch schon jetzt im ersten Semester der Frontalunterricht von Didaktivlehrern verteufelt. Und das obwohl in der Uni selbst ja fast ausschließlich frontal unterrichtet wird ( wie auch sonst bei 300+ Studies?).
Ganz allgemein noch vielen, vielen Dank an den Seiteninhaber!
Ihre Seite ist sehr informativ und aus dem Leben gegriffen. Grade die Frage, wie man mit Unterrichtsstörungen, Vergessen und Zuspätkommen zurecht kommt, hat mich sehr belastet, da man da von den Profs keine Antworten bekommt.
Hier habe ich diese Antworten gefunden. Danke sehr, jetzt gehe ich mit weniger „Angst“ ans Studium.
Jochen
> Und das obwohl in der Uni selbst ja fast ausschließlich frontal unterrichtet wird ( wie auch sonst bei 300+ Studies?).
Das finde ich auch immer sehr originell. Auch bei wesentlich weniger Studenten werden z.B. in Seminaren so gut wie nie all die tollen Methoden angewendet (Freiarbeit an der Uni???), die in der Schule angeblich so hervorragend funktionieren sollen.
max
Dieser Artikel im Handelsblatt „Frontalunterricht ist besser als sein Ruf / Eigenständiges Arbeiten führt nicht zu besseren Leistungen“ (http://tinyurl.com/6tyvkmd) berichtet von einer israelischen Studie. (Tipp von Lutz Szemkus in der ENPAED-Liste)
max
„Frontalunterricht macht klug“ FAS 15.12.2012 Problemorientierter oder offener Unterricht – die ganze moderne Pädagogik stiftet wenig Nutzen. Am besten ist noch immer moderner Frontalunterricht, fanden Forscher heraus. Von Inge Kloepfer … http://tinyurl.com/cqfo6zu