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No Homework, No Cry

Wenn ich einen Ober­stu­fen­kurs über­neh­me, ist am Anfang bei den Schü­lern, die mich nicht ken­nen und sich nicht über mich erkun­digt haben, die Empö­rung meis­tens groß: Haus­auf­ga­ben wer­den kon­trol­liert und müs­sen über­ar­bei­tet wer­den, es gibt Nach­ar­bei­ten bei zu häu­fi­gem Ver­ges­sen von Haus­auf­ga­ben, Lay­out-Vor­ga­ben – eine schier end­lo­se Lis­te von Zumu­tun­gen. Die meis­ten sind ja bereits aus der 10. Klas­se gewohnt, dass sich fast kein Leh­rer mehr um Haus­auf­ga­ben küm­mert, die Schü­ler sind schließ­lich „alt genug“ um sel­ber zu ent­schei­den, was für sie rich­tig ist.

Nach­dem ich mich ein Jahr lang mit mini­ma­lis­ti­schen Auf­sät­zen und schlam­pi­gen Über­ar­bei­tun­gen her­um­ge­är­gert habe, ände­re ich im drit­ten Semes­ter oft mei­ne Regeln für schrift­li­che Haus­auf­ga­ben. Schrift­li­che Haus­auf­ga­ben sind ab sofort nur noch frei­wil­lig, ich bie­te ledig­lich einen Kor­rek­tur­ser­vice an. Vie­le Schü­ler glau­ben ja ernst­haft, sie wür­den bes­ser arbei­ten und mehr ler­nen, wenn sie wie an der Uni völ­lig selb­stän­dig ent­schei­den könn­ten, ob und wann sie etwas tun.

Die­se roman­ti­sche Vor­stel­lung von Uni­ver­si­tät hat mit der Rea­li­tät eines heu­ti­gen Bache­lor Stu­di­ums natür­lich so gut wie gar nichts zu tun. Wäh­rend es z.B. der Schu­le heut­zu­ta­ge meis­tens egal ist, wenn Schü­ler ein­fach nicht zum Unter­richt erschei­nen, wird man an der Uni oft gar nicht zur Prü­fung zuge­las­sen, wenn man z.B. öfter als 10% gefehlt hat.

Das Ver­ges­sen von Büchern, Arbeits­blät­tern und ande­ren Mate­ria­li­en notie­re ich mir aller­dings nach wie vor, die Zahl der erlaub­ten MOs ver­rin­gert sich aller­dings von sechs auf vier.

Im Fol­gen­den die Bedin­gun­gen bzw. Regeln für mei­nen Korrekturservice:

Schrift­li­che Haus­auf­ga­ben sind frei­wil­lig, es gibt kei­ner­lei Kon­trol­len mehr. Das hat den enor­men Vor­teil, dass ich fast nichts mehr zu kor­ri­gie­ren habe. Wenn ich über­haupt mal irgend­was bekom­me, dann fast immer nur von (sehr) guten Schü­lern, deren Arbei­ten man schnell durch­ge­le­sen und kor­ri­giert bzw. kom­men­tiert hat.

Wenn jemand einen Übungs­auf­satz schrei­ben möch­te, wählt er sich ent­we­der sel­ber ein The­ma oder nimmt eines der ver­gan­ge­nen Abitur­the­men.

Aller­dings neh­me ich nur Haus­auf­ga­ben an, die mei­nen Regeln ent­spre­chen. So müs­sen Auf­sät­ze ent­spre­chend mei­ner Lay­out-Regeln for­ma­tiert sein. Wer es nach über einem Jahr immer noch nicht schafft, trotz der ent­spre­chen­den Anlei­tung, einen Text 1,5‑zeilig zu for­ma­tie­ren und Absät­ze ein­zu­rü­cken, hat halt Pech gehabt.

An der Uni wer­den Semi­nar­ar­bei­ten z.T. gar nicht erst ange­nom­men, wenn sie nicht dem vom Pro­fes­sor vor­ge­ge­be­nen Lay­out­re­geln entsprechen.

Auf­sät­ze, die nicht den gefor­der­ten Umfang von „at least 250 words“ auf­wei­sen, neh­me ich eben­falls erst gar nicht an. Dar­über­hin­aus been­de ich die Kor­rek­tur, wenn ich fest­stel­le, dass wie­der mal irgend­ein Mist von LEO & Co über­nom­men wur­de („they send text mes­sa­ges hither and thi­ther“), ohne die gefun­de­nen Über­set­zun­gen erst­mal im OALD zu über­prü­fen. Auch wenn die Über­ar­bei­tung wie üblich schlam­pig hin­ge­hau­en wird, kor­ri­gie­re ich für den Rest des Semes­ters nichts mehr von die­sem Schü­ler. Bei Ques­ti­ons on the Text neh­me ich die Haus­auf­ga­be ent­spre­chend nicht an, wenn z.B. Aus­sa­gen über den Text nicht mit Zei­len­num­mern belegt werden.

Mei­ne Kor­rek­tur­ser­vice endet sechs Wochen vor dem Abitur. Die meis­ten Schü­ler bekom­men erfah­rungs­ge­mäß erst kurz vor dem Abitur Tor­schluss­pa­nik und wol­len plötz­lich alles Mög­li­che kor­ri­giert haben. Ich habe jedoch kei­ne Lust plötz­lich mit Arbeit über­häuft zu werden.

Ins­ge­samt ist das eine für alle Betei­lig­ten ange­neh­me Lösung: Sowohl Leh­rer als auch Schü­ler haben nichts bzw. weni­ger zu tun und kön­nen sich sogar noch der Illu­si­on hin­ge­ben, dass das auch noch beson­ders päd­ago­gisch wert­voll sei (vgl. „auto­no­mes“ bzw. „eigen­ver­ant­wort­li­ches“ Nichts­tun, Ler­nen). Die Schü­ler – vor allem die schlech­te­ren – üben und ler­nen zwar nichts mehr, aber das inter­es­siert schließ­lich nie­man­den. In der Abitur­re­de bzw. ‑zei­tung kön­nen sie sich ja immer noch dar­über bekla­gen, dass die Leh­rer sie nicht aus­rei­chend „invi­du­ell geför­dert und moti­viert“ hätten.

Anspie­lung in der Überschrift …

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Muttersprache als Sprachmutter

  1. Der Link auf online OALD hat nicht funk­tio­niert. es kam die Mel­dung, den Autor der Sei­te zu informieren.
    NO HOMEWORK NO CRY hat mich erschüt­tert. Gibt es sol­che Schü­ler, die ein­fach nicht zum Unter­richt kom­men, eigen­ver­ant­wort­li­ches Nichts­tun ..??? MEINE Schul­zeit liegt schon „Äonen“ zurück. Ich bin seit eini­ger Zeit völ­lig „geplät­tet“ dar­über, was den heu­ti­gen Schü­lern im Inter­net alles gebo­ten wird, kos­ten­los in vie­len Fäl­len. Wie kommt es, dass auf die­ser revo­lu­tio­nä­ren Sei­te, seit 2007 im Inter­net, kei­ne Kom­men­ta­re von den Schü­lern stehen??
    Freund­li­che Grü­ße aus Bad Hom­burg von Elisabeth

    • > Der Link auf online OALD hat nicht funktioniert.

      Dan­ke für den Hin­weis, habe ich korrigiert. 

      > kei­ne Kom­men­ta­re von den Schü­lern stehen??

      Es gibt schon immer mal wie­der Kom­men­tar von Schü­lern, aber die Haupt­ziel­grup­pe sind natürlch Lehrer.

  2. Oliver

    Und nutzt du die­ses Sys­tem auch wei­ter­hin? 11.1 und 11.2 nach den übli­chen Home­work Regeln und in 12.1 auf frei­wil­li­gen Ser­vice umschal­ten? Thanks Jochen.

    • Weiß ich ehr­lich gesagt noch nicht. Habe im nächs­ten Jahr zum ers­ten Mal einen G8 12er Kurs und will erst­mal abwar­ten, wie es läuft.

  3. Inzwi­schen hast du ja offen­sicht­lich einen G8-Jahr­gang (fast bis) zum Abitur geführt – wie war’s? Frei­wil­lig­keit in Q12?
    Ich über­le­ge mir gera­de, Haus­auf­ga­ben für 12.2 wie­der ver­pflich­tend zu machen.

    • Ich wer­de bei den HAs dif­fe­ren­zie­ren. Wei­ter­hin ver­pflich­tend sind z.B. ’notes‘ bei der Vor­be­rei­tung von Tex­ten. Da wen­de ich auch wei­ter­hin gna­den­los mei­ne MO / HW bzw. Nach­ar­beits-Regeln an. Ich habe kei­ne Lust (wie in ande­ren Kur­sen) nur mit ein paar Han­seln zu reden, weil der Groß­teil der (ungern) „Ler­nen­den“ den Text nicht mal gele­sen, geschwei­ge denn sich Gedan­ken gemacht hat. Frei­wil­lig sind hin­ge­gen Com­po­si­ti­ons, Trans­la­ti­ons / Media­ti­ons und aus­for­mu­lier­te Ques­ti­on on the Text. Da bie­te ich mei­nen Kor­rek­tur-Ser­vice an, aller­dings auch nur wenn mei­ne Lay­out-Regeln ein­ge­hal­ten wer­den und Schü­ler ihre Tex­te sorg­fäl­tig über­ar­bei­ten. Die­ser Ser­vice endet aller­dings Mit­te März, denn ich habe kei­ne Lust auf den letz­ten Drü­cker mit irgend­ei­nem Mist („Wie schreibt man eigent­lich einen Auf­satz?“) bom­bar­diert zu werden.

  4. Sehr geehr­ter Herr Lüders,

    dan­ke für die vie­len hilf­rei­chen Tipps auf Ihrer Web­site. Sie sind auch für Nicht­leh­rer hochinteressant. 

    Die Anspie­lung im Arti­kel oben funk­tio­niert aller­dings nicht – Haus­auf­ga­ben selbst kön­nen schlecht wei­nen. Der jamai­ka­ni­sche Titel „No, woman, nah cry“ heißt ins Eng­li­sche über­setzt “No, woman, don’t cry”, also auf deutsch etwa „Nein, Frau, wei­ne nicht“. Das kann man im ver­link­ten Wiki­pe­dia-Arti­kel nachlesen.

    Mit den bes­ten Grüßen
    Doreen Schoon-Hammermann

    • > Die Anspie­lung im Arti­kel oben funk­tio­niert aller­dings nicht – Haus­auf­ga­ben selbst kön­nen schlecht weinen.

      Rich­tig, aber gemeint ist ja auch, dass ICH bzw. der Leh­rer nicht wei­nen braucht, wenn die Schü­ler kei­ne HAs machen. 

      > Der jamai­ka­ni­sche Titel „No, woman, nah cry“ heißt ins Eng­li­sche über­setzt “No, woman, don’t cry”, also auf deutsch etwa „Nein, Frau, wei­ne nicht“. 

      Auch rich­tig, aber bekannt ist das Lied nun mal (vgl. die Über­schrift des Wiki­pe­dia Arti­kels) unter „No Woman, No Cry“.

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