Dank der UNaufgeklärten Einsprachigkeit, die derzeit in Bayern angesagt ist, kommt es bei der Einführung von neuem Wortschatz, vor allem von lesson vocab, immer wieder zu absurden Situationen.
Nehmen wir an, ein Schüler erzählt, dass er irgendwas versucht hat, aber letzten Endes keinen Erfolg gehabt hat. Der Lehrer möchte nun futile einführen und schreibt deshalb a futile attempt an die Tafel. ICH würde nun kurz ins Deutsche wechseln, die Übersetzung „ein vergeblicher Versuch“ geben, die Schüler würden sich englischen Ausdruck und deutsche Entsprechung notieren, ich würde noch einen englischen Beispielsatz oder eine Paraphrase dranhängen und schon ginge es wieder auf Englisch weiter.
Aber so einfach und effizient darf es inzwischen ja nicht mehr zugehen. Der Lehrer schreibt nach wie vor den englischen Ausdruck an die Tafel, den die Schüler auch brav abschreiben. Jetzt gilt es futile zu semantisieren / erklären. Das ist auf Anhieb gar nicht so einfach, wahrscheinlich kommt irgendwas à la you try something but it doesn’t work heraus, denn leider können nur die wenigstens von uns Wörter so präzise wie das OALD definieren. Unter den Schülern entsteht allgemeines Rätselraten, was futile denn nun bedeuten könnte. Besonders abstrus wird es, wenn ein Schüler explizit nachfragt, was das Wort denn nun genau auf Deutsch bedeutet. Da der Lehrer die deutsche Bedeutung nicht sagen darf, kommt vermutlich wieder eine vage Definition bzw Paraphrase. Irgendwann schaut ein Schüler dann genervt auf seinem Handy nach und kann die (hoffentlich richtige) Bedeutung dann zumindest seinen Nachbarn weitergeben.
Wenn Lektionswortschatz hängenbleiben soll, dann muss er natürlich gelernt werden. Nur was soll der Schüler denn eigentlich lernen? Bislang hat er ja nur einen englischen Ausdruck (a futile attempt) in seinem Heft (bzw. seinem Zettel) stehen. Die Verfechter der strikten Einsprachigkeit schlagen allen Ernstes vor, der Schüler möge doch bitteschön zuhause im zweisprachigen Lexikon die Bedeutung des Wortes nachschlagen, notieren und lernen.
Dieser Vorschlag ist m.E. einfach nur lächerlich und unrealistisch. Zum Einen macht das einfach kaum ein Schüler. Zum Zweiten werden die wenigen, die das Lexikon zur Hand nehmen mit Sicherheit die ERSTE Bedeutung nehmen, auch wenn die überhaupt nicht in den Kontext passt. Und schließlich wird sich der Schüler völlig zu Recht fragen, was dieses läppische „Sag ich nicht …“ Spielchen des Lehrers überhaupt soll, wenn der Schüler am Ende doch wieder die deutsche Bedeutung heraussuchen und lernen soll. Warum dann das Ganze nicht gleich im Unterricht?
Unsinnig ist dieses Zurückhalten der deutschen Bedeutung aber auch im Hinblick auf die Mediation und die Verwendung des zweisprachigen Lexikons. Da hat es also eine Prüfungsform zu Abiturehren gebracht, in der ständig vom Deutschen ins Englische übersetzt, pardon, sprachgemittelt werden muss und dann darf man im Unterricht nicht die deutsche Bedeutung eines englischen Wortes sagen? Und unsere Schüler dürfen bzw. sollen ständig unbekannte Wörter im zweisprachigen Lexikon nachschlagen, aber man verweigert ihnen im Unterricht deutsche Bedeutungen? Blöder geht’s doch kaum noch …
Philipp
„Sag ich nicht“ ist genau der Schlüssel. Man gibt natürlich in der geschilderten Situation die deutsche Bedeutung, weil man sich nicht zum Deppen machen will, wie du sehr realistisch beschreibst, und sagt es einfach niemandem, dass man dem KMS nicht folgt. 😉 Wenn irgendjemand Weisungsbefugtes in deinen Unterricht kommt, der es absolut einsprachig haben will, dann kriegt er/sie das natürlich so, und du freust dich, wenn tatsächlich die geschilderte Situation entsteht, um die Sinnlosigkeit des Unterfangens augenfällig zu machen. Ich gehe mal davon aus, dass du das sowieso machst.
Das Ganze finde ich übrigens fast noch absurder bei Grammatikerklärungen. Erkläre mal einem Schüler im 2. Lernjahr auf Englisch, wie man das Present Perfect verwendet. Das ist m.E. noch viel größere Zeitverschwendung, weil die das ja schon auf Deutsch kaum kapieren.
Susann
Genau. So. Ist. Es.
Die Idee, dass jemand im 2. Lernjahr besser Englisch lernt, indem er unverständliche Grammatikerklärungen auf Englisch bekommt, ist doch von jeder Realität meilenweit entfernt.
herrmess
Das sehe ich genauso. Bei uns sind die Schüler es von Latein gewohnt, auch die deutsche Bedeutung mitzubekommen, und selbst wenn anhand der englischen Erklärung die Bedeutung klar ist, fragt eigentlich IMMER einer die deutsche Bedeutung nach oder meldet sich, um nochmal nachzufragen. In dem Fall nicke ich kurz, und gut is. Vor allem in der Oberstufe finde ich die Einsprachigkeit echt absurd, weil die Erklärung von sehr abstrakten Begriffen zum richtigen Eiertanz wird. Bei mir herrscht das Prinzip „so wenig Deutsch wie nur irgendmöglich“, ohne die Möglichkeit auszuschließen, gelegentlich auch mal ins Deutsche zu wechseln. Wenn wir alle strikt einsprachig sein müssten, könnte man auch so Aufgabenformen wie die Mediation aus dem Unterricht werfen…
Charlotte
Wow, davon hatte ich noch gar nicht gehört. Was für ein Eiertanz. Ich denke eine der guten Ideen dahinter war, Kinder mit anderer Muttersprache als Deutsch nicht zu benachteiligen. Praktikabel ist das aber, fürchte ich nicht. Es ist zwar möglich, allerdings dauert der Spracherwerb in solchen Kursen (in denen alle unterschiedliche Muttersprachen und daher gezwungenermaßen keine gemeinsame Basis haben) sehr viel länger.
Stefan
Diese Eiertänze kenne ich und mag ich ganz gar nicht. Das Kernproblem, das meiner Meinung nach dahintersteckt: Entweder will der Lehrer immer die Übersetzung oder immer die Erklärung in der Zielsprache. Das verwirrt Schüler und der Hauptteil der Lehrer stützt sich dann auf deine Position, um den Wechsel in die Muttersprache in jedem Fall zu rechtfertigen. Mir ist das zu einfach und zu bequem- Schüler sollten Kompensationsstrategien (Gegenteil, Synonym, Umschreibungen) gerade in solchen Phasen üben. Insofern sollte man sich genau überlegen, welche Begriffe man einsprachig einführt und welche nicht. Was spricht beispielsweise dagegen, „young“ einsprachig einzuführen?