… ist leider bei vielen Kollegen zum elften Gebot des Englischunterrichts geworden. Eine vernünftige Fehlerkorrektur wird damit häufig unmöglich oder zumindest sehr umständlich.
Nehmen wir ein konkretes Beispiel: Ein Schüler erzählt von seinem USA Aufenthalt, vergleicht seine Erfahrungen und sagt: „Standards in Germany are more higher than in the US.“
Ich korrigiere so einen Fehler ganz einfach: Ich wiederhole (natürlich im Normalfall erst, wenn der Schüler ausgeredet hat) den Fehler mit einem fragenden Ton und ggf. begleitendem Stirnrunzeln. Meine Schüler wissen, dass es sich jetzt um einen sprachlichen Fehler handelt und nicht z.B. um einen inhaltlichen Aspekt. Im Idealfall erkennt der Schüler seinen Fehler selber, kann ihn beschreiben / analysieren („I’ve used the comparative twice“) und korrigieren (indem er den ganzen Satz nochmal richtig sagt). Eventuell hängen wir noch eine kurze Wiederholung der Regeln für die Steigerung von Adjektiven dran und üben noch anhand von ein paar Beispielen. So weit – so einfach.
Falls man nun aber als Trend-gläubiger Lehrer o.a. Gebot befolgen will, wird es kompliziert. Am einfachsten ist noch die positive Korrektur: „Standards are HIGHER …“. Schwierig kann es aber bereits werden, wenn der Schüler empört erwidert: „That’s what I said!“. – „No, you said … [und muss man rumdrucksen, weil man den Fehler ja nicht wiederholen darf].
Im Hinterkopf hat man nun aber normalerweise, dass es pädagogisch wertvoll sei, wenn der Schüler den Fehler selber erkennt und korrigiert und nicht einfach die richtige Lösung vom Lehrer serviert bekommt. Man kann es also mit einem allgemeinen „You’ve made a mistake“ versuchen. Der Erfolg wird meistens bescheiden sein, denn der Schüler war bei seiner Äußerung auf den INHALT und nicht auf die (grammatikalische) Form fokussiert. Auch das konkretere „You’ve used a wrong comparative“ wird deshalb wenig nutzen. Die Folge wird ein umständlicher Eiertanz sein, bei dem sich der Schüler zu Recht fragt, warum ihm der Lehrer nicht einfach sagt, was er falsch gemacht hat.
Ich kenne zwei Begründungen für diesen Quatsch. Die erste besagt, dass Lehrer grundsätzlich nur Richtiges von sich geben sollten. Das ist prinzipiell natürlich in Ordnung, nur lerne ich im Einzelfall das Richtige eben erst durch den Kontrast mit dem Falschen. Im Sport mache ich eine Bewegungen ja auch manchmal absichtlich falsch vor, um die Unterschiede zur richtigen Bewegung deutlich zu machen [Jaja, ich weiß, in einigen Bundesländern darf der Lehrer gar nichts mehr vormachen, weil die Schüler alles selber herausfinden sollen.]
Die zweite Begründung finde ich noch abstruser. Sie geht davon aus, dass der Schüler die ganze Zeit geistig abwesend ist, just in dem Moment aufpasst, in dem der Lehrer einen Fehler wiederholt und sich diesen Fehler (weil er ja vom Lehrer kommt) merkt. Wenn unser hypothetischer Schüler den fragenden Ton in meiner Stimme, die begleitende Mimik, die anschließende Korrektur und richtige Wiederholung nicht mitkriegt, dann hat er halt einfach Pech gehabt. Sich bei der Fehlerkorrektur deshalb selber ins Knie zu schießen, ist einfach unsinnig.
Auch die Fachdidaktik gibt keinerlei Begründung für diesen Blödsinn. So listet Thaler in Englisch Unterrichten (Amazon) auf S. 318 sechs „mündliche Feedback-Typen“ auf, von denen bei drei der Fehler explizit wiederholt wird:
- explizite Korrektur (explict correction): ausdrücklicher Hinweis auf den Fehler, z.B. „Don’t say goed, but went.“
- Fehlerwiederholung (repetition) mit auffälliger Betonung: „He goed home?“
- metalinguistisches Feedback (metalinguistic feedback): „The simple past of go is not goed.“
Originell ist darüberhinaus ja auch, dass das mündliche Wiederholen von Schülerfehlern inzwischen ganz bäh ist, während die bewährten „Spot the error“ Übungen sich auch in den neuesten Lehrwerken finden. In Context 21 findet man z.B. auf S. 250 (LP 8 Common errors) eine klassische „Find the mistakes“ Übung und das CEG Practice Book 2 hat bei vielen Tests „Spot the Mistakes“ Übungen dabei.
Es ist einleuchtend, dass nicht der Schüler den Fehler wiederholen sollte (also nicht: „Please say again this last sentence about standards in Germany“), damit sich durch die Wiederholung der Fehler nicht verfestigt. Aber es spricht nichts dagegen, dass der Lehrer den Fehler (mit Intonation und Mimik entsprechend „eingebettet“) wiederholt: Thou shalt help thy students improve their English by repeating their mistakes.
herrmess
Wie Bäh sind denn schriftliche „Spot the mistakes“-Übungen auf einer Skala von 1 bis 10? Ich mache sowas in der Oberstufe immer bei der Herausgabe einer Schulaufgabe, weil ich auf diese Weise nicht nur den Inhalt des Tests, sondern auch die sprachlichen Probleme zusammenfassen und gegebenfalls wiederholen kann. Neben der Übung lasse ich immer einen Korrekturstreifen frei, wo die Schüler längst vergessene Regeln eintragen können, nebst der verbesserten Version des Satzes.
Philipp
Ich persönlich finde sie zu dem geschilderten Zweck überhaupt nicht bäh. Ich halte sie nur als Aufgabentyp in schriftlichen Leistungserhebungen für problematisch, weil dort nach meiner Ansicht die Anwendung von Regeln im Kontext und nicht diese Form von Abstrahierung abgeprüft werden sollte. Dass man wie geschildert bei einer Korrektur da was draus lernen kann, steht aber auf einem ganz anderen Blatt.
Stefan
Was spricht denn dagegen, den/die Fehler gesondert am Ende des inhaltlichen Blockes zu thematisieren? Wenn wir von Unterricht ohne abgehobenen Fachseminarleiter sprechen, sehe ich dann auch kein Problem darin, den Fehler an der Tafel zu notieren und gemeinsam zu korrigieren.
In einer Spanisch-Didaktik habe ich mal gelesen, dass Lehrer bestimmte Fingerbewegungen machen, wenn sprachliche Fehler gemacht werden. Das finde ich als Zeichen, dass wir mal kurz auf die Form schauen, eindeutiger. Aber vielleicht ist dein Stirnrunzeln noch eindeutiger 🙂