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Übermittlung

War­um ich die (schrift­li­che) Media­ti­on / Sprach­mitt­lung für eine kon­stru­ier­te und fürs „wirk­li­che Leben“ wenig rele­van­te Auf­ga­ben- und Prü­fungs­form hal­te, habe ich bereits an ande­rer Stel­le beschrie­ben. Voll­ends absurd wird die Sprach­MITT­LUNG m.E. aller­dings, wenn für sie ein ÜBER­set­zungs­ver­bot bzw. ein Para­phra­sie­rungs­zwang aus­ge­spro­chen wird. 

Neh­men wir ein kon­kre­tes Bei­spiel. In einem Text über Face­book soll die Kern­aus­sa­ge eines Absat­zes lau­ten: „Die Leu­te haben die Nase voll von der all­ge­gen­wär­ti­gen Wer­bung.“ ICH möch­te jetzt, dass die­ser zen­tra­le Satz mög­lichst wört­lich ÜBERSETZT wird: „Peo­p­le are fed up with ubi­qui­tous adver­ti­sing.“ Vie­le Kol­le­gen wol­len das aber gera­de nicht. Viel­leicht um die Media­ti­on von der Über­set­zung abzu­gren­zen, ver­bie­ten sie „wört­li­ches Über­set­zen“ und zwin­gen die Schü­ler zum Para­phra­sie­ren: „Peo­p­le don’t want to see all this adver­ti­sing that you can see everywhere.“

Die Fol­ge die­ser unsin­ni­gen Vor­ga­be ist, dass vor allem gute Schü­ler gezwun­gen wer­den, sich schlech­ter / pri­mi­ti­ver aus­zu­drü­cken, als sie es eigent­lich könn­ten. Wäh­rend man nor­ma­ler­wei­se froh sein soll­te, dass ein Schü­ler ein Wort wie ubi­qui­tous über­haupt kennt und sogar noch aktiv ver­wen­den kann, wird er hier für sein Wis­sen bzw. Kön­nen auch noch bestraft. Ver­rück­ter geht’s eigent­lich kaum noch …

Um nicht miss­ver­stan­den zu wer­den: Grund­sätz­lich habe ich natür­lich gar nichts gegen Para­phra­sen in der Media­ti­on. Oft bleibt dem Schü­ler ja auch gar nichts ande­res übrig, weil das sprach­li­che Niveau des deut­schen Aus­gangs­tex­tes deut­lich über sei­nen eng­li­schen Aus­drucks­mög­lich­kei­ten liegt. Neh­men wir fol­gen­des Bei­spiel: „Die Demo­kra­ten, tra­di­tio­nell die poli­ti­schen Ver­bün­de­ten derer, die eine Ver­schär­fung des absurd laxen US-Waf­fen­rechts for­dern, haben zer­mürbt auf­ge­ge­ben, nach­dem ihnen das The­ma bei Wah­len immer wie­der Nie­der­la­gen beschert hat.“ Das wird kaum ein Schü­ler wört­lich über­set­zen kön­nen, also muss er para­phra­sie­ren: „The Demo­crats, who tra­di­tio­nal­ly sup­port gun con­trol, have given up this issue after repea­ted­ly losing ground in elections.“

Eine inter­es­san­te Fra­ge ist nun, wel­che Rol­le eigent­lich das zwei­spra­chi­ge Lexi­kon bei der Media­ti­on spie­len soll. Dazu wäre es natür­lich nütz­lich, zu wis­sen, war­um es über­haupt ein­ge­führt wur­de. Damals haben sich alle renom­mier­ten Wör­ter­buch­ex­per­ten GEGEN die Ein­füh­rung des zwei­spra­chi­gen Wör­ter­buchs aus­ge­spro­chen und die ein­zi­ge Begrün­dung, die ich jemals gehört habe, lau­te­te: Alle ande­ren Bun­des­län­der haben es auch und unse­re baye­ri­schen Schü­ler dür­fen nicht benach­tei­ligt werden.

Aber egal, war­um es ein­ge­führt wur­de, wir haben es jetzt nun mal und müs­sen ent­spre­chen­de didak­ti­sche Kon­se­quen­zen dar­aus zie­hen. Eine m.E. ein­leuch­ten­de Kon­se­quenz wäre: Lie­ber Schü­ler, das zwei­spra­chi­ge Lexi­kon soll dir hel­fen, dich bes­ser und prä­zi­ser aus­zu­drü­cken, als du das frü­her mit dem ein­spra­chi­gen konn­test. Bei der Media­ti­on bekommst du einen Text vor­ge­legt, der absicht­lich sprach­lich über dem liegt, was du der­zeit aus­drü­cken kannst. Zum einen sollst du zei­gen, dass du Pas­sa­gen sinn­ge­mäß zusam­men­fas­sen kannst, zum ande­ren sollst du aber auch zei­gen, dass du mit dem zwei­spra­chi­gen Lexi­kon umge­hen kannst und zen­tra­le Pas­sa­gen mög­lichst genau ins Eng­li­sche über­set­zen kannst.

Auf das obi­ge Bei­spiel bezo­gen bedeu­tet das, das du z.B. ‚ver­schär­fen‘ nach­schla­gen  und erken­nen sollst, dass hier tigh­ten die rich­ti­ge Über­set­zung ist, und nicht z.B. aggrava­te, denn „Das Gro­ße Oxford Wör­ter­buch“ erklärt ja sehr schön, dass man tigh­ten für „Gesetz, Kon­trol­le, Maß­nah­me“, wäh­rend aggrava­te eher für  „Kri­se, Lage etc.“ ver­wen­det wird. Also erwar­te ich, dass du schreibst: „The Demo­crats […] who demand a tigh­tening of US gun laws“ oder „… that US gun laws are tightened“.

Auch wenn man nicht so anspruchs­voll ist, soll­te man doch auf kei­nen Fall einen Schü­ler dafür bestra­fen, dass er ver­sucht, sich so gut wie mög­lich auszudrücken.

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HW Indian Waiter

  1. Wo steht, dass das Über­set­zen *ver­bo­ten* ist?
    Es liegt an der Auf­ga­ben­stel­lung inkl. Aus­wahl des zu media­dings­da Tex­tes (ZMT).
    1. Die rei­ne Leh­re der guten Mediation(1) sagt, dass die Zusam­men­fas­sung eines kom­ple­xen Tex­tes zum selbst­stän­di­gen For­mu­lie­ren anre­gen soll.
    2. Die gute Media­ti­on gibt außer­dem einen kom­mu­ni­ka­ti­ven Kon­text vor, der die kom­plet­te Über­nah­me des Inhalts des ZMT unmög­lich macht, das heißt, der Medi­ie­rer muss aus den Inhal­ten die aus­wäh­len, die über­haupt ver­langt sind.
    3. Aus 1 und 2 ergibt sich, dass es am Leh­rer liegt, ob er a) einen guten Text (d.h.: kom­plex, diver­se inhalt­li­che Aspek­te) aus­ge­wählt hat und ob er b) eine gute Auf­ga­ben­stel­lung dazu vor­ge­ge­ben hat (d.h.: sinn­vol­le Kür­zung, sinn­vol­le Aus­wahl aus den inhalt­li­chen Aspek­ten). Wenn es dann trotz­dem sowohl zur Kür­zung als auch zur Aus­wahl passt, dass man einen (oder gar meh­re­re) der Sät­ze ins Eng­li­sche über­setzt, dann ist das doch pri­ma, wenn der Schü­ler das hin­kriegt. Aller­dings wird es nicht so oft vorkommen.
    ______________________
    (1) Schön beschrie­ben von Eli­sa­beth Kolb in „Fini­te Resour­ces – Infi­ni­te Com­mu­ni­ca­ti­on: Sprach­mitt­lung im Eng­lisch­un­ter­richt der Unter­stu­fe“ (PDF-For­mat)

    • > Wo steht, dass das Über­set­zen *ver­bo­ten* ist?

      Sie­he Kom­men­tar von Georg. 

      > dann ist das doch pri­ma, wenn der Schü­ler das hinkriegt. 

      So sehe ich das auch, und nur dar­um geht’s mir. 😉

      • > nur dar­um geht’s mir

        Das war mir klar. Mein Bei­trag soll­te die­sen Aspekt dei­nes Blog­posts unter­stüt­zen. Ist wohl nicht deut­lich gewor­den. Aber nun wenigs­tens hiermit. 😉

    • Thor

      @ Jochen: Ja, das mit der Beno­tung mag sehr unre­flek­tiert von mir gesagt wor­den sein und war auch nicht aus­schließ­lich auf den Bei­trag bezo­gen. Es ging mir mehr um das Beno­ten von Sprach­er­werb i.A. und nicht abiturspezifisch. 

      Auch ich muss beno­ten. Ich fin­de trotz­dem, man kann ent­we­der die Ein­stel­lung haben, die Noten und die eige­ne Art zu beno­ten sind aller­hei­ligst (schlech­te Note=schlechter, fau­ler Schü­ler, Angst vor Noten aufbauen/fördern), oder man kann durch­aus Spiel­räu­me schaf­fen im „Sys­tem“, um “schwä­che­re“ Schü­ler nicht über die Maßen zu frustrieren. 

      Bei mir gibt es kei­ne End­no­te für den ers­ten Ver­such. Ich neh­me mir die Zeit und gebe Feed­back für die Revi­si­on der Auf­ga­be. Klas­sen­ar­bei­ten wer­den nicht über­aus klein­lich beno­tet, da wo Spiel­räu­me sind.

      Nicht jeder kann in Prü­fungs­si­tua­tio­nen unter Noten­druck gleich gut „per­for­men“. Daher gebe ich aus­rei­chend „extra lear­ning oppor­tu­ni­ties“, die nicht der Prü­fungs­si­tua­ti­on ent­spre­chen, aber den Stoff trotz­dem zum Gegen­stand haben. Nur wenn die­se „oppor­tu­ni­ties“ den klar for­mu­lier­ten Erwar­tun­gen ent­spre­chend aus­ge­führt wor­den sind zäh­len sie zur Gesamt­no­te und heben dadurch den Schnitt. 

      Vor allem ver­su­che ich trans­pa­rent in mei­ner Beno­tung zu sein, um im Vor­feld Pro­ble­me zu vermeiden. 

      Wohl­ge­merkt, ich ver­schen­ke kei­ne guten Noten, aber ich schaf­fe eine posi­ti­ve Atmo­sphä­re auch dadurch, dass etli­che Schü­ler mit weni­ger Angst in mei­nem Unter­richt sit­zen, als bei Kol­le­gen, weil sie ler­nen, dass ihnen Mög­lich­kei­ten gege­ben wer­den den Stoff auf unter­schied­li­che Wei­se anzu­wen­den und jeder sich eine gute Note unab­hän­gig von der Tages­form bei z.B. Klas­sen­ar­bei­ten erar­bei­ten kann. 

      Leh­rer die mit Noten und Beno­tung ein Sys­tem der Angst im Klas­sen­zim­mer instal­lie­ren, sind heut­zu­ta­ge sehr wohl fehl am Platz m.E. nach. Ich weiß, dar­um ging es im Arti­kel gar nicht. Trotz­dem habe ich mich zu mei­nem Kom­men­tar hin­rei­ßen las­sen. Da gab es wohl Frust bei mir kürz­lich wegen dem eige­nen Kind.

  2. Georg

    Das ist halt wie­der ein­mal so ein Fall, wo ver­sucht wird, die Erfor­der­nis­se bzw. Mög­lich­kei­ten der Rea­li­tät an die rei­ne Leh­re anzu­pas­sen statt umgekehrt.
    Wo die­se star­re, ja stu­re Hal­tung von Kol­le­gen her­kommt: Mei­ner Ansicht nach nicht zuletzt von den Vor­ga­ben des ISB, wie sie auf der Link-Ebe­ne des Lehr­plans zu fin­den sind. In einem Doku­ment fin­det man dort (http://tinyurl.com/but5xbg; das Doku­ment „Hin­wei­se …“ ankli­cken) u.a.:

    „Nicht genannt und auch nicht erwünscht sind wört­li­che Übersetzungen,
    • weil sie in einem ein­spra­chi­gen Unter­richt einen Fremd­kör­per darstellen,
    • weil sie ande­re Fähig­kei­ten erfor­dern als die vor­wie­gend kom­mu­ni­ka­ti­ven Kom­pe­ten­zen, die in den ande­ren Berei­chen des Eng­lisch­un­ter­richts ange­strebt werden
    • weil in ihnen wich­ti­ge Sprech- und Schreib­stra­te­gien, wie z. B. Ver­mei­dung von unbe­kann­ten Wör­tern, Umschrei­bung von Aus­sa­gen, Erläu­te­rung von kul­tur- und spra­chen­spe­zi­fi­schen Begrif­fen, nicht vor­ge­se­hen sind. “

    Sol­che Aus­sa­gen wer­den dann wahr­schein­lich in fremd­sprach­li­chen Fach­sit­zun­gen vor­ge­tra­gen, nicht genü­gend reflek­tiert und von man­chen unkri­tisch-dog­ma­tisch umge­setzt. Die Leid­tra­gen­den sind die sprach­in­ter­es­sier­ten Schü­ler, denen man auf die­se Wei­se den Wil­len zu einer Erwei­te­rung ihrer Sprach­kennt­nis­se sys­te­ma­tisch austreibt.

  3. > “Nicht genannt und auch nicht erwünscht sind wört­li­che Über­set­zun­gen, weil sie in einem ein­spra­chi­gen Unter­richt einen Fremd­kör­per darstellen

    Arrgghh, wenn ich sowas schon lese. Sobald Bedeu­tungs­un­ter­schie­de sub­ti­ler wer­den und Kon­no­ta­tio­nen eine Rol­le spie­len, geht es doch oft nur über die Mut­ter­spra­che (vgl. https://www.jochenlueders.de/?p=384). Ver­such z.B. mal nur auf Eng­lisch die Unter­schie­de zwi­schen fri­end, mate, bud­dy, pal und acquain­tance zu erklären.

  4. Thor

    Die Mut­ter­spra­che kann im ESL Unter­richt gar nicht kom­plett aus­ge­blen­det wer­den. Ich fin­de es wich­tig, dass Schü­ler Bedeu­tun­gen in ihrer Mut­ter­spra­che im Kon­text rich­tig reproduzieren/übersetzen kön­nen. Wer im 21. Jahr­hun­dert Schü­le­rin­nen und Schü­ler noch durch ein anti­quier­tes „gra­ding sys­tem“ bestraft soll­te mal sein eige­nes Halt­bar­keits­da­tum überprüfen.

    • > Die Mut­ter­spra­che kann im ESL Unter­richt gar nicht kom­plett aus­ge­blen­det werden. 

      Stimmt, aber genau das ist der­zeit didak­tisch (z.B. in der Aus­bil­dung von Refe­ren­da­ren) ange­sagt. Vor allem SOLLTE sie nicht aus­ge­blen­det wer­den, son­dern (didak­tisch reflek­tiert) gezielt zur Unter­stüt­zung bzw. Beschleu­ni­gung des Lern­pro­zes­ses ein­ge­setzt werden. 

      > Wer im 21. Jahr­hun­dert Schü­le­rin­nen und Schü­ler noch …

      Ver­ste­he ich nicht. Hat das irgend­was mit der Rol­le der Mut­ter­spra­che zu tun?

      Was meinst du mit „gra­ding sys­tem“? Ein­fach „Noten“? Wenn man wie ich an einem staat­li­chen Gym­na­si­um arbei­tet, bleibt einem lei­der (unab­hän­gig vom eige­nen „Halt­bar­keits­da­tum“) nichts ande­res übrig als zu benoten.

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