… von längeren und unbekannten Texten durch Schüler ist m.E. Unfug.
Der klassische Ablauf schaut meistens so aus: Lehrer teilt einen neuen Text aus und sobald der Letzte das Blatt bekommen hat, heißt es: „Peter, please start reading“. Peter stöpselt rum, Lehrer korrigiert (oder auch nicht) und lässt wiederholen, die anderen langweilen sich oder lesen schon vor.
Das laute Lesen von unbekannten Texten ignoriert grundlegende lernpsychologische Tatsachen:
Students do not learn to read by reading aloud. A person who reads aloud and comprehends the meaning of the text is coordinating word recognition with comprehension and speaking and pronunciation ability in highly complex ways. Students whose language skills are limited are not able to process at this level, and end up having to drop one or more of the elements. Usually the dropped element is comprehension, and reading aloud becomes word calling: simply pronouncing a series of words without regard for the meaning they carry individually and together. Word calling is not productive for the student who is doing it, and it is boring for other students to listen to. (Quelle)
Falls du das nicht glaubst, probier es einfach mal selber aus. Versuch einen unbekannten Text laut in einer Sprache zu lesen, die du selber nicht so gut beherrscht.
Noch schlimmer wird es, wenn die Schüler unbekannte, anspruchsvolle Lektüre wie z.B. Shakespeare Stücke laut lesen sollen. Es soll ja Lehrer geben, bei denen „Wir lesen Macbeth“ wirklich bedeutet, dass Schüler den Großteil der Zeit laut lesen und man am Ende der Stunde noch kurz über das Gelesene spricht. Auch eine Art die Zeit rumzubringen …
Natürlich bedeutet dies nun nicht, dass in der Oberstufe überhaupt nicht mehr laut gelesen werden sollte. Selbstverständlich muss weiterhin flüssiges Lesen und korrekte Aussprache geübt werden. Nur sollte dies besser mit bereits bekannten Texten erfolgen und zweitens sollte der Focus klar auf den reading skills bzw. der Aussprache liegen und nicht auf dem Textverständnis.
Eine andere Situation wäre, wenn man (im Rahmen einer Textbesprechung) auf eine ganz bestimmte Passage eines bereits zuhause gelesenen Textes fokussieren möchte, z.B. weil Stilmittel analysiert werden sollen. Ein Schüler liest die Passage laut, ggf. mit der Zusatzaufgabe alle Stilmittel, die ihm auffallen, stimmlich zu betonen.
Längere Texte lasse ich grundsätzlich als Hausaufgabe ZUHAUSE lesen. Falls die Schüler aus irgendeinem Grund gleich in der Stunde mit dem Text arbeiten sollen, lasse ich sie erstmal LEISE für sich lesen.
Lautes Lesen durch den Lehrer (bzw. Vorspielen) ist zwar immer noch besser als das Gestöpsel der Schüler; da stimmt dann (hoffentlich) die Aussprache und die Intonation. Trotzdem bringt es für das Textverständnis der Schüler wenig, im Gegenteil, es stört meistens. Bekanntlich kann man leise viel schneller lesen als laut. Im Idealfall lesen die Schüler selber und ignorieren den Lehrer, im Normalfall werden sie eher behindert. Aus diesem Grund ist es auch so lästig, wenn ein Redner seine Overhead-Folien bzw. Powerpoint slides abliest. Der Zuhörer liest viel schneller als der Redner spricht, folglich langweilt er sich, wenn ihm bereits Gelesenes erneut vorgelesen wird.
Ayten
Hallo!
Ich lebe momentan in Taiwan und moechte nebenher als Englisch Lehrerin arbeiten. Hierzu muss ich sagen, dass es sich um eine (momentan zumindestens) Tutoring taetigkeit handelt.
Weiterhin muss ich dir mitteilen leider:) das es sich bei der Schuelerin um eine 6 Jaehrige handelt. Sie soll das korrekte aussprechen sowie die korrekte Grammatik Benutzung lernen. Bei Taiwanesen ist dies auch wichtig frueh anzufangen, da die Chinesische Grammatik voellig anders ist als die Englische. Ein weiteres Problem ist, dass die Menschen hier Englisch koennen aber nicht in der Lage sind Saetze zu bilden oder auch nur zu reden. Die Schuelerin hat Eltern die mehrere Jahre in Amerika gelebt haben und sie selbst hat auch schon ein paar Monate in Amerika verbracht.
Meine Frage nun nach dem ganzen bla bla 🙂 wie kann man es schaffen das die Schuelerin lernt mehr Englisch zu sprechen und die richtige Grammatik zu benutzen. Wie gesagt regeln sind bekannt.
Ich hatte vor sie aus bekannten Buechern vorlesen zu lassen und zu pruefen wie gut Ihr English ist oder auch ihre aussprache. Wie noch kann man den Bildungstand ermitteln?
Danke Ayten
Jochen
> wie kann man es schaffen das die Schuelerin lernt mehr Englisch zu sprechen und die richtige Grammatik zu benutzen.
Puh, da bin ich ehrlich geschrieben überfragt. Mit 6‑jährigen habe ich leider überhaupt keine Erfahrung, ich unterrichte ja fast ausschließlich Oberstufe. Keine Ahnung, ob es für diese Altersstufe bereits irgendwelche Tests gibt. Spontan würde ich sagen, dass man versuchen sollte altersgerechte Materialien (Bildgeschichten etc.) zu finden und mit ihr darüber zu sprechen bzw. sie Geschichten erfinden zu lassen. Auch Lieder, Reime etc. können ankommen – aber alles nur Ideen OHNE eigene Erfahrung.
Sabine
Ich persönlich bin ein großer Fan von Lyrik – es gibt eine Menge englischer Gedichte, die zum Rezitieren und Sich-im-Mund-Zergehen-Lassen geradezu herausfordern. So kennen zum Beispiel letztendlich alle Schüler, die durch meine Hände gehen, das unwiderstehliche Gedicht „Disobedience“ von A.A. Milne, und zwar mit der Zeit auswendig. Hervorragend eignet sich auch T.S.Eliot’s „Old Possum’s Book of Practical Cats“ – und für kleinere haben Leute wie Shel Silverstein und Jack Prelutsky herrliche Gedichte geschrieben. „Twaddletalk Tuck“ ist bei kleineren Schüler DER Renner (http://mrspeppers.com/favorite_poems.html).
Heute habe ich in einer 11ten Klasse das bekannte „My mistress‘ eyes are nothing like the sun“ als Dialog und dann als Barroom Brawl gemacht. Die Schüler haben sich reingesteigert und sehr gelacht und dann verwundert festgestellt, dass sie das Sonett auswendig können.
Danke übrigens für die Bestätigung, dass das Vorlese-Gestopsel ein Graus ist!
Sabine
Oh ja, ganz vergessen habe ich für Ayten: Shel Silverstein’s „Boa Constrictor“. Ein Traum!
Jochen
> Barroom Brawl
Wie hat man sich das vorzustellen? Die Schüler lallen und pöbeln rum? 😉 Das ist ja eine originelle Idee!
Sabine
Irgendwann haben sie in der Tat rumgepöbelt. Ich sollte den Entwurf mal zusammenschreiben – es war ein schwellenpädagogischer Spontaneinfall, folgte einer Stunde, nachdem das Sonett eingeführt worden war und hat den Schülern viel Spaß bereitet. Sie sollten zuerst das Gedicht selber in Schönheitskatalog und Kritik einteilen und dann zu zweit mit verteilten Rollen vorlesen. Interessanterweise haben alle Paare die Zeilen verschieden verteilt.
Beispiel:
My mistress‘ eyes are NOTHINGlike the sun // Coral is FAR MORE RED THAN her lips‘ red etc. etc.
Dann habe ich ein Paar an einen Tisch in eine Fishbowl gesetzt – die anderen waren Regisseure und haben den Auftritt dirigiert. Am Schluss haben die Zuschauer sich in zwei Gruppen formiert (die Idee der Schüler) und wie ein griechischer Chor und ein Ballett gleichzeitig den Streit der Schönheitsbewunderer mit Lauten und Geste kommentiert. Es war sehr spaßig.
Sabine
Ich habe vielleicht vergessen, dass die Schülergruppe nur noch aus den 11 armen Neusprachlern besteht, die sich die Flucht ins Ausland nicht leisten konnte oder wollte. Das ist natürlich paradiesisch. Ich werds’s aber demnächst nochmal mit dem LK (23 Leutchen) probieren.