.. ist, wie wir alle wissen, eine ganz tolle Sache. Die Schüler arbeiten produktiv, motiviert und eigenverantwortlich und erwerben auch noch alle möglichen Kompetenzen. Interessant ist es deshalb zu beobachten wie sich Lehrer (von denen die meisten wahrscheinlich häufig Gruppenarbeit in ihrem eigenen Unterricht machen) sich selber z.B. bei Lehrerfortbildungen verhalten. Nach meiner Erfahrung läuft das oft folgendermaßen ab:
Die erste Reaktion der Teilnehmer auf die Ankündigung des Leiters, dass jetzt erstmal eine Gruppenarbeitsphase käme, ist meistens genervtes Augenrollen. Schließlich war man gekommen um möglichst effizient zu lernen und handfeste Unterrichtstipps zu bekommen. Aber als braver Beamter fügt man sich der Anordnung und auch schon schnell mit bekannten Kollegen/innen bzw. sympathischen Nachbarn eine Gruppe gebildet. Doch, oh Schreck, der pädagogisch versierte Leiter möchte partout mit Hilfe von farbigen Kärtchen, Zahlen oder einem anderen raffinierten System zufällige Gruppen bilden („damit wir uns alle besser kennenlernen“). Grummelnd fügt man sich in sein Schicksal …
Als nächstes gilt es möglichst schnell jemanden zu finden, der von dem Thema eine Ahnung hat, bereit ist im Team (steht bekanntlich für: „Toll, ein anderer macht’s“) die Arbeit zu machen und am Ende die Ergebnisse zu präsentieren. Falls nicht gerade zwei Experten aufeinanderstoßen und sich gegenseitig beharken, sind die restlichen Gruppenmitglieder normalerweise mit allem einverstanden, was der Fachmann vorschlägt und spielen lediglich wenn der Leiter in die Nähe kommt und sich nach dem Fortgang der Arbeit erkundigt, eine lebhafte Diskussion vor. Sobald der Leiter verschwunden ist, wird geratscht bzw. einer Fremdbeschäftigung nachgegangen. Die Frage, ob man denn schon fertig sie, wird fast immer verneint, schließlich muss man die Zeit bis zur nächsten Kaffeepause irgendwie überbrücken.
Hier der entscheidende Unterschied bei Gruppenarbeit in der Schule:
Schüler reagieren auf die Ankündigung von Gruppenarbeit meistens mit einer Mischung aus Gelassenheit und Vorfreude. Aus jahrelanger Erfahrung wissen sie, dass Gruppenarbeit oft mit vorzeitigem Stundenende gleichzusetzen ist. Viele Lehrer setzen eine Gruppenarbeit („Vergessen Sie ja den Methodenwechsel nicht!“) oft am Ende der Stunde, z.B. in den letzten zwölf Minuten an. Ein Blick auf die Uhr und jeder Schüler weiß sofort, dass da nichts mehr Vernünftiges rauskommen kann. Die Gefahr, dass ausgerechnet er am Ende der Stunde noch irgendwelche Ergebnisse „präsentieren“ muss, ist so verschwindend gering, dass man sich keine größeren Sorgen machen braucht. Im Zweifelsfall hat die Gruppe „lebhaft diskutiert“ und die Zeit hat „leider“ nicht gereicht.
Für eine richtige Gruppenarbeit muss man natürlich erstmal die Bänke entsprechend umstellen, da kann man schon mal ordentlich Zeit schinden (am Ende der Stunde sausen die Schüler davon und der Lehrer schiebt die Bänke fluchend selber zurück). Wenn man noch schöne alte Bänke mit Ablage hat, braucht man nur ein bisschen zu kippen und schon ergießt sich ein Schwall von vergammelten Orangenschalen, angebissenen Brezen und zerknültem Papier auf den Fußboden. Dieser Dreck muss natürlich auch erstmal beseitigt werden.
Gruppenarbeit (als Hausaufgabe) zu Hause ist für Schüler noch praktischer. Der Beste macht die Arbeit und schickt sie vielleicht noch per Mail an die anderen, damit sie ggf. noch etwas ergänzen können. Alle bekommen die gleiche Note und der Lehrer freut sich, dass die Gruppe so schön gearbeitet hat.
Philipp
Bei der Bildung der Gruppen im Unterricht passt man auch auf, dass die Gruppen einigermaßen ausgewogen besetzt sind. Der/Die Beste macht dann die Arbeit und ein/e Schwächere/r, der/die noch eine gute mündliche Note braucht, präsentiert und bekommt für seine/ihre konstruktive Mitarbeit in der Gruppe und die interessanten Ergebnisse der Gruppe verdientermaßen die Note, die er/sie braucht. Bei Gruppenreferaten ist das ganze noch viel besser…
Börni
Hallo Jochen,
du sprichst mir aus der Seele. Ich finde Gruppenarbeiten ganz fürchterlich. Genau so wie es du beschrieben hast. Aber im Referendariat kommt man ja leider nicht davon, man muss diese Methode einsetzen.
Hartmut Börner
Da scheint sich ja eine Web-Allianz gegen Gruppenarbeit zu bilden. 🙂
Damit Gruppenarbeit gelingen kann, und da schreibe ich nichts Neues, müssen halt viele Faktoren passen. Entsprechenden Elemente und Strukturen beschreibt die Instruktionsstrategie „kooperatives Lernen“. Dazu gibt es nicht nur bei Autoren wie Green, Miehe und Weidner viel nachzulesen und im (Lehrer-)Team zu erproben. In jedem Unternehmen sind Menschen gefragt, die effektiv miteinander arbeiten können. In manchem Lehrerteam wird Schulentwicklung dadurch behindert, dass die traditionellen Einzelkämpfer nur selten das Gespräch und die Kooperation mit den Kollegen suchen. Wie sollen sie den Schülern etwas beibringen, das sie nicht vorleben???
Wolfgang
Wer öfter an Lehrerfortbildungen teilnimmt, weiß:
Wer am meisten Wert auf Pünktlichkeit bei seinen Schülern legt, poltert ohne Entschuldigung mit der Kaffetassse in der Hand zehn Minuten zu spät in den Seminarraum.
Wer sich regelmäßig über undisziplinierte und verschwätzte Schüler aufregt, führt angeregte Nebengespräche mit dem Nachbarn, wenn andere Teilnehmer oder der Referent etwas zum Thema sagen.
Wer immer wieder über ’nicht gymnasiable Schüler‘ klagt, beschwert sich bei der Auswertung von Einzelarbeiten, die Aufgabenstellung sei missverständlich formuliert gewesen, man habe es völlig anders aufgefasst, ach ja, und dass die Ergebnisse schriftlich festgehalten werden sollten, sei ja – angesichts der knappen Bearbeitungszeit – eine Zumutung.
Wichtiger Hinweis: Jede Ähnlichkeit mit lebenden und noch nicht pensionierten Kollegen ist rein zufällig und fast nicht beabsichtigt 😉
Lena
Solange Methoden durchdacht sind und zum jeweiligen Lehrer passen, ist nichts gegen sie zu sagen. Methoden- und Sozialform-Bashing kann man doch, wenn man’s bedenkt, stets und ständig und zu allen Varianten betreiben.
Eine gute, gelingende Gruppenarbeit sollte halt nicht aus dem Nichts und nur um ihrer selbst willen geheimnisvoll auftauchen, sondern sich logisch in die voranschreitende Erarbeitung eines Sachverhalts einfügen.
Mein Credo diesbezüglich:
Vermeide Einseitigkeit, nutze die Fülle der Möglichkeiten und mache dabei die praktische Vernunft zu deinem Instrument.
Ich würde übrigens gerne mal mit dir in einer Gruppe arbeiten, Jochen! 😉
Jochen
@Hartmut
> Da scheint sich ja eine Web-Allianz gegen Gruppenarbeit zu bilden.
Das ist natürlich überhaupt nicht meine Absicht, aber ein bisschen Satire muss schon erlaubt sein. Gruppenarbeit ist inzwischen bei vielen Kollegen fast sakrosankt und per se gut, das kann’s nicht sein.
Hartmut
@Jochen
Da war ja auch ein Smiley hinter dem Satz. 🙂
Satire regt zum Nachdenken an, wenn sie als solche verstanden wird. Und mit Begriffen wie Projekt- und Gruppenarbeit ist viel Schindluder getrieben worden. Nicht alles, was man schlecht macht, ist auch schlecht. 🙂
Damian Duchamps
Bei Fortbildungen begrüße ich Gruppenarbeit, wenn die Teilnehmer tatsächlich etwas gemeinsam erarbeiten. Dann ist die Arbeit ergebnisoffen. Wenn die Methode jedoch nur Selbstzweck ist und der Moderator damit sein Moderationsgeschick beweisen möchte, dann lehne ich dieses ab. Geht es lediglich um die Vermittlung von Wissen, so genügt für mich ein schneller Input mittels Referat beziehungsweise Vortrag.
Matt
Dazu kommt das Sprachproblem in Englisch: Gruppenarbeit = sich auf Deutsch austauschen
Philipp
Das stimmt nicht immer. Manche „braven“ Schüler/innen bemühen sich tatsächlich auf Englisch, zum Teil auch sprachlich recht ansprechend. Künstlicher geht’s aber freilich kaum! Auch wenn man als Lehrer seine Runden dreht, merkt man auch genau, wie bei den Meisten das Motto ist: jetzt kommt er wieder, jetzt müssen wir wieder Englisch. Und einige geben sich noch nicht einmal dann Mühe…