Kürzlich hat Sohnemann in einer Stegreifaufgabe [Für Nicht-Bayern: ein nicht angekündigter, max. 20-minütiger schriftlicher Test] einen Satz total vermurkst und dafür drei Fehler kassiert. Sein Nachbar hatte vorsichtshalber gar nichts geschrieben und dafür lediglich zwei Fehler bekommen. Wie so oft fehlte genau dieser eine Punkt zur nächst besseren Note. Er protestierte und die Note musste geändert werden. Aus Sicht des Lehrers blöd gelaufen, aber durchaus vermeidbar.
Dieser Fehler passiert immer dann, wenn man nicht nur Einzelwörter abprüft (wovon ich überhaupt nichts halte), sondern den neuen Wortschatz zusammen mit Grammatik in ganze Sätze packt. Nehmen wir folgendes Beispiel:
3 If you had checked the spelling he would have got a better impression. Wenn du die Rechtschreibung überprüft hättest, hätte er einen besseren Eindruck bekommen.
Was fett formatiert ist, ist in der Originaldatei ausgeblendet formatiert und für den Schüler unsichtbar. Insgesamt vergebe ich für diesen Satz drei Punkte, es ist aber gar nicht so schwer MEHR als drei Fehler zu machen: If you examined the spell, he would have become a better expression.
Als erstes wird die falsche Zeit gewählt, der nächste Fehler ist ein falsches verb wie z.B. examine. Der dritte Fehler ist z.B. spell oder (Verwechslung) spell-checker und der vierte Fehler z.B. expression statt impression. Ein fünfter Fehler könnte dann noch z.B. become statt got sein. Wenn ich auf diese Art munter vor mich hinkorrigiere bzw. anstreiche, kann ein Schüler auf fünf Fehler kommen, während jemand, der gar nichts schreibt, nur auf zwei oder drei kommt. Dies darf natürlich auf keinen Fall passieren. Ich ermuntere meine Schüler immer, es zumindest mit intelligent guessing zu probieren, vielleicht springt ja noch der ein oder andere (halbe) Punkt dabei raus. Jemand, der diesem Rat folgt, und es zumindest versucht, darf auf keinen Fall dafür bestraft werden.
Eine einfache Methode diesen Fehler zu vermeiden ist, sich die Maximalpunkt- bzw. ‑fehlerzahl vor der Musterlösung zu notieren. Im o.a. Beispiel ist der Satz drei Punkte „wert“, anders gesagt, ich darf dafür höchstens drei Fehler anstreichen (bzw. Punkte abziehen). Die Musterlösung mit den Punktzahlen habe ich während der Korrektur natürlich vor mir liegen, so dass ich sofort nachsehen kann, wieviele Punkte ich abziehen muss, wenn jemand gar nichts geschrieben hat. Im anderen Fall sehe ich, dass ich max. drei Fehler anstreichen darf, alle weiteren Fehler kann ich noch korrigieren, darf sie aber nicht mehr markieren.
Ein weiterer Vorteil dieses Verfahrens ist, dass ich beim Erstellen einer Stegreifaufgabe schnell feststellen kann, wie viele Punkte ich bereits vergeben habe. Ich addiere lediglich „von oben nach unten“ die Punkte und weiß sofort, dass ich z.B. erst 27 Punkte vergeben habe, also noch einen weiteren Satz brauche, damit ich auf meine anvisierten 30 Punkte komme. Je mehr Punkte ich insgesamt zu vergeben habe, desto größer sind die Punkte-Spannen für die jeweilige Note. Wenn ich nur insgesamt 20 (oder noch weniger) Punkte vergebe, fehlt mindestens einem Drittel der Klasse nur ein (oder ein halber) Punkt zur nächst besseren Note. Die entsprechenden (berechtigten) Proteste sind dann vorprogrammiert.
Judith
Hallo Jochen,
> ‚Eine einfache Methode diesen Fehler zu vermeiden ist, sich die Maximalpunkt- bzw. ‑fehlerzahl vor der Musterlösung zu notieren. Im o.a. Beispiel ist der Satz drei Punkte „wert“, anders gesagt, ich darf dafür höchstens drei Fehler anstreichen (bzw. Punkte abziehen).‘
Heisst das, du ziehst die maximale Fehlerzahl ab, wenn jemand gar nichts schreibt, oder mehr?
Was machst du, wenn in einem Lückentext einer nichts schreibt? Ich denke es ist ungerecht einen, der es wenigstens probiert und danebengreift, z.B. die falsche Zeit verwendet, und dafür einen Punkt abgezogen bekommt, gleich zu behandeln, wie einen der es gar nicht erst probiert. Deswegen habe ich dafür bisher einen Doppelfehler berechnet, bin jetzt aber an einer neuen Schüler und die Schüler (10. Kl.)haben auf meine Ankündigung es in der SA so zu halten, mit Entsetzen reagiert.
Gruß,
Judith
Jochen
> Heisst das, du ziehst die maximale Fehlerzahl ab, wenn jemand gar nichts schreibt
Ja.
> Ich denke es ist ungerecht einen, der es wenigstens probiert und danebengreift, z.B. die falsche Zeit verwendet, und dafür einen Punkt abgezogen bekommt, gleich zu behandeln, wie einen der es gar nicht erst probiert.
Also nur fürs Probieren bekommt er noch keine Punkte 😉
Nehmen wir o.a. Beispielsatz. Sagen wir er schreibt:
If you checked the spelling he would get a better impression.
d.h. er nimmt statt Typ III den zweiten Typ, das aber konsequent. Dann bekommt er einen Punkt abgezogen und bekommt noch zwei von drei. Wenn er zusätzlich ‚expression‘ statt ‚impression‘ schreibt, bekommt er nur noch einen Punkt. Und wenn er dann noch ‚punctuation‘ statt ’spelling‘ schreibt, bekommt er gar keinen Punkt mehr, obwohl er es „probiert“ hat.