Microlearning, Flipped Classroom und Working out Loud – die Unterrichtsformen in Zeiten der Digitalisierung sind vielfältig. Die Fremdsprachenlehrerin und Bloggerin Monika Heusinger erklärt, wie digitale Medien schulische Lernprozesse unterstützen können.
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Im Folgenden ein paar Anmerkungen zu diesem Interview.
Oft lassen sich die Lernprozesse gamifizieren, was die Motivation steigert und ebenfalls zur Nachhaltigkeit beiträgt.
Natürlich ist die Frage, was genau Frau Heusinger mit „gamifizieren“ meint, aber grundsätzlich ist es m.E. ein verhängnisvoller Irrtum, wenn „die Schule“ bzw. Verlage glauben durch Gamifzierung schulische Inhalte attraktiver machen zu können. Zum einen kann die Schule im Wettbewerb mit professionellen Spielen nur verlieren, die werden schließlich von professionellen Programmierern designt. Wer sich nur mal allein damit befasst, wie raffiniert und süchtig-machend das Belohnungssystem bei erfolgreichen Spielen gestaltet ist, wird verstehen, warum schulische Games bei den Kids nur ein müdes Gähnen hervorrufen. Viel wichtiger aber ist, dass Gamifizierung von Inhalten das völlig falsche Signal sendet, dass man sich mit ein bisschen Gedaddel und ohne Arbeit irgendetwas aneignen könne.
Ich mag die Diskussion um Mehrwert nicht, da sie suggeriert, dass man sich für die Nutzung digitaler Medien im Unterricht rechtfertigen muss und die Nutzung auf den Mehrwert reduziert wird.
Entschuldigung, geht’s noch? Selbstverständlich muss man die Nutzung digitaler Medien im Unterricht rechtfertigen, schließlich geht es um Zehn- bzw. Hundertausende Euros von Steuergeldern, die z.B. im Falle von Smartboards in vielen/den meisten (?) Fällen zum Fenster rausgeworfen wurden.
Es muss überhaupt erstmal ein Mehrwert vorhanden sein, um solche riesigen Investionen zu rechtfertigen. Welchen Sinn hat es z.B. eine Einsetzübung am PC bearbeiten zu lassen, wenn man sie genauso gut auf Papier machen könnte? Ein möglicher Mehrwert könnte darin bestehen, dass die Schüler sofortiges Feedback über richtig/falsch bekommen, eventuell noch eine Erklärung, warum ihre Antwort falsch war und im Idealfall nochmal eine Regel/Erklärung präsentiert bekommen, bevor sie die selbe Übung nochmal durchlaufen.
[…] statt einer krampfhaften Suche nach Mehrwert.
Die eigentliche Frage ist doch, warum diese Suche „krampfhaft“ ist. Wenn die Vorteile des digitalisierten Unterrichts so offensichtlich wären, wie seine Verfechter ständig lautstark verkünden, dann hätte er sich doch bereits viel stärker durchgesetzt.
Nehmen wir mal als Beispiel das Konzept des flipped classroom. Schüler erarbeiten sich zu Hause selbständig Lerninhalte und in der Schule diskutieren wir darüber und wenden die neu gewonnen Kenntnisse an. Klingt doch super, nur bin ich halt leider nicht der einzige Lehrer, dessen Oberstufenschüler es bereits als Zumutung empfinden einen 1,5 seitigen Text zu lesen, ein paar läppische Fragen dazu zu beantworten und – Gipfel der Unverschämtheit – sich auch noch die entsprechenden Zeilennummern zu notieren. Das beliebte „Meine Schüler sind alt genug um selber zu entscheiden, ob sie Hausaufgaben machen“ ist in den meisten Fällen doch lediglich Ausdruck der (verständlichen) Resignation in diesem zermürbenden Kampf. Und die selben Schüler, die nicht bereit sind 15–20 Minuten für eine normale Hausaufgabe aufzuwenden, sollen sich jetzt plötzlich ein 30–40 Minuten langes Video „erarbeiten“? Das machen sie halt einfach nicht, auch wenn der Lehrer ausflippt.
Zurück zur „krampfhaften“ Suche nach Mehrwert. Welchen Sinn hat es z.B. Seiten aus dem Buch per Beamer zu projezieren oder als pdf den Schülern am PC zur Verfügung zu stellen? Welcher „Lehr-Lern-Prozess“ wird hier „sinnvoll unterstützt“? Oder: Welchen Mehrwert hat es mühsam mit einem Spezialstift auf einem Smartboard zu schreiben statt mit Kreide auf einer normalen Tafel? Um das Tafelbild „abfotografieren“ zu können um es einem kranken Schüler zu schicken? Das kann man auch mit jedem stinknormalen Handy. Weil man die Beiträge von Schülern besser integrieren kann? Eher nicht. Weil das Ergebnis sauberer/übersichtlicher wird? Auch eher nicht. Weil … (?) Die Suche ist einfach „krampfhaft“, weil Praktiker keine Vorteile erkennen können, bzw. die wenigen Vorteile in keinem sinnvollen Verhältnis zu den Kosten, dem Einarbeitungsaufwand, den technischen Problemen etc. stehen.
Das Potenzial digitaler Medien liegt in den Möglichkeiten für individualisiertes, kollaboratives bzw. kooperatives, gamifiziertes sowie immersives Lernen mit Virtual und Augmented Reality.
Vor nicht allzu langer Zeit sollten PCs das „neue“ Lernen ermöglichen. Danach wurden Notebooks zum neuen Non plus ultra hochgejubelt. Aber dann kamen ja Smartboards, die waren richtig toll. Die wurden dann aber leider ganz schnell von Tablets bzw. iPads abgelöst, mit denen konnte man jetzt aber mal so richtig „autonom“ und „kolloborativ“ arbeiten. Ach nee, ist auch schon wieder Schnee von gestern, inzwischen ist ja Bring Your Own Device angesagt. Und das nächste gaaanz große Ding ist jetzt halt Virtual bzw. Augmented Reality. Leider nicht ganz billig, weil man ja völlig neue, leistungsstarke Hardware braucht, aber dafür werden die Schüler jetzt endlich „individualisiert, kollaborativ bzw. kooperativ, immersiv“ lernen. Allein das „kollaborativ“ stelle ich mir schwierig vor, wenn alle mit ihren 3D Spezialbrillen rumsitzen, aber dann quatschen sie wenigstens nicht mehr die ganze Zeit …
Jugendliche arbeiten [im Unterricht] gerne mit Anwendungen, die sie auch privat nutzen wie Snapchat, Instagram oder Minecraft.
Ist das jetzt noch ernst gemeint oder schon Satire? Das Rumdaddeln auf Snapchat und Instagram wird jetzt schon mit dem Prädikat „arbeiten“ geadelt? Und Minecraft ist ein SPIEL und damit das genaue Gegenteil von (schulischer) Arbeit.
Sie sind aber auch interessiert, neue Anwendungen kennenzulernen, wenn diese so eingesetzt werden, dass das Potenzial mobiler Geräte genutzt wird
Da habe ich völlig andere Erfahrungen gemacht. Und das ist ja auch kein Wunder, wenn man weiß, dass tausende der besten Programmierer der Welt einzig und allein daran arbeiten die screentime der User z.B. auf Facebook zu verlängern. Die Vorstellung, dass schulische Inhalte/Apps auf einem Smartphone mit Snapchat, Instagram oder Facebook konkurrieren könnten, ist einfach nur unglaublich naiv und weltfremd.
Auf digitale Medien sollte man verzichten, wenn sie nur um ihrer selbst willen eingesetzt werden und nicht themen- sowie lerngruppenspezifisch. Der Einsatz digitaler Medien allein macht noch keinen guten Unterricht.
Stimmt!
c.p.
Hut ab vor diesem treffenden Beitrag!
S-Man
Als Nicht-Pädogoge, aber Softwareentwickler, hatte ich schon länger die Vermutung.
Eine weitere Sicht: Ich hatte neulich einen Praktikanten, der in einem Neben/Aushilfsjob die teuren Smartboards einer Schule wartet. Der Clou war halt, dass die Dinger die Schule (so gut wie?) nichts gekostet haben, weil die Fördergelder dafür bekamen. Allerdings blieb es nur bei der Anschaffung. Einführung in die Bedienung oder gar technische Schulung war Fehlanzeige. Das wurde nicht bezahlt, und darum kümmerte sich also auch niemand. Jetzt sind die Dinger 5 Jahre alt und gehen immer mal wieder kaputt oder sind mit neueren Geräten inkompatibel (aka falscher Stecker, das kann für Frau Kunstunterricht durchaus ein Problem sein). Es gibt niemanden vor Ort, der weiß, was zu tun ist. Denn für Ausbildung oder gar Wartung ist kein Geld vorgesehen. Jetzt kratzen die monatlich ne kleine Summe zusammen, um einen Studenten dafür zu bezahlen, mal mehr mal weniger große Reparaturen zu machen.
Das Problem sehe ich an zahlreichen Stellen: Es wird immer nur über die Anschaffung geredet. Über Folgekosten oder Schulung macht sich keiner einen Kopf.
Mal ne andere Frage:
Ich habe Smartboards noch in der Uni kennen gelernt. Aus in einem Fach fand ich die Dinger immer nervig, weil der geschriebene Text immer er sekunden später auf dem Board erschien, was den Schreiber extrem verlangsamte und auch zu extrem krakeligen Schriftbildern führte. Ist das inzwischen besser geworden?
Jochen
> Ist das inzwischen besser geworden?
Das hängt offenbar stark vom verwendeten Smartboard ab. Die Reaktionszeit ist besser geworden, aber das Schriftbild ist, zumindest meiner Meinung nach, immer noch sehr krakelig. Nervig ist aber vor allem, dass die Schrift, wenn die Dinger nicht korrekt kalibriert sind, nicht da erscheint, wo man eigentlich schreibt, sondern mal drüber, drunter oder seitlich versetzt.