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„Der Einsatz digitaler Medien allein macht noch keinen guten Unterricht“

Micro­lear­ning, Flip­ped Class­room und Working out Loud – die Unter­richts­for­men in Zei­ten der Digi­ta­li­sie­rung sind viel­fäl­tig. Die Fremd­spra­chen­leh­re­rin und Blog­ge­rin Moni­ka Heu­sin­ger erklärt, wie digi­ta­le Medi­en schu­li­sche Lern­pro­zes­se unter­stüt­zen können.

Wei­ter­le­sen … (bil­dungs­klick, Tipp von Hart­mut Tschepe)

Im Fol­gen­den ein paar Anmer­kun­gen zu die­sem Interview.

Oft las­sen sich die Lern­pro­zes­se  gami­fi­zie­ren, was die Moti­va­ti­on stei­gert und eben­falls zur Nach­hal­tig­keit beiträgt.

Natür­lich ist die Fra­ge, was genau Frau Heu­sin­ger mit „gami­fi­zie­ren“ meint, aber grund­sätz­lich ist es m.E. ein ver­häng­nis­vol­ler Irr­tum, wenn „die Schu­le“ bzw. Ver­la­ge glau­ben durch Gamif­zie­rung schu­li­sche Inhal­te attrak­ti­ver machen zu kön­nen. Zum einen kann die Schu­le im Wett­be­werb mit pro­fes­sio­nel­len Spie­len nur ver­lie­ren, die wer­den schließ­lich von pro­fes­sio­nel­len Pro­gram­mie­rern designt. Wer sich nur mal allein damit befasst, wie raf­fi­niert und süch­tig-machend das Beloh­nungs­sys­tem bei erfolg­rei­chen Spie­len gestal­tet ist, wird ver­ste­hen, war­um schu­li­sche Games bei den Kids nur ein müdes Gäh­nen her­vor­ru­fen. Viel wich­ti­ger aber ist, dass Gami­fi­zie­rung von Inhal­ten das völ­lig fal­sche Signal sen­det, dass man sich mit ein biss­chen Gedad­del und ohne Arbeit irgend­et­was aneig­nen könne.

Ich mag die Dis­kus­si­on um Mehr­wert nicht, da sie sug­ge­riert, dass man sich für die Nut­zung digi­ta­ler Medi­en im Unter­richt recht­fer­ti­gen muss und die Nut­zung auf den Mehr­wert redu­ziert wird.

Ent­schul­di­gung, geht’s noch? Selbst­ver­ständ­lich muss man die Nut­zung digi­ta­ler Medi­en im Unter­richt recht­fer­ti­gen, schließ­lich geht es um Zehn- bzw. Hun­der­tau­sen­de Euros von Steu­er­gel­dern, die z.B. im Fal­le von Smart­boards in vielen/den meis­ten (?) Fäl­len zum Fens­ter raus­ge­wor­fen wurden.

Es muss über­haupt erst­mal ein Mehr­wert vor­han­den sein, um sol­che rie­si­gen Inves­tio­nen zu recht­fer­ti­gen. Wel­chen Sinn hat es z.B. eine Ein­setz­übung am PC bear­bei­ten zu las­sen, wenn man sie genau­so gut auf Papier machen könn­te? Ein mög­li­cher Mehr­wert könn­te dar­in bestehen, dass die Schü­ler sofor­ti­ges Feed­back über richtig/falsch bekom­men, even­tu­ell noch eine Erklä­rung, war­um ihre Ant­wort falsch war und im Ide­al­fall noch­mal eine Regel/Erklärung prä­sen­tiert bekom­men, bevor sie die sel­be Übung noch­mal durchlaufen.

[…] statt einer krampf­haf­ten Suche nach Mehrwert.

Die eigent­li­che Fra­ge ist doch, war­um die­se Suche „krampf­haft“ ist. Wenn die Vor­tei­le des digi­ta­li­sier­ten Unter­richts so offen­sicht­lich wären, wie sei­ne Ver­fech­ter stän­dig laut­stark ver­kün­den, dann hät­te er sich doch bereits viel stär­ker durchgesetzt.

Neh­men wir mal als Bei­spiel das Kon­zept des flip­ped class­room. Schü­ler erar­bei­ten sich zu Hau­se selb­stän­dig Lern­in­hal­te und in der Schu­le dis­ku­tie­ren wir dar­über und wen­den die neu gewon­nen Kennt­nis­se an. Klingt doch super, nur bin ich halt lei­der nicht der ein­zi­ge Leh­rer, des­sen Ober­stu­fen­schü­ler es bereits als Zumu­tung emp­fin­den einen 1,5 sei­ti­gen Text zu lesen, ein paar läp­pi­sche Fra­gen dazu zu beant­wor­ten und – Gip­fel der Unver­schämt­heit – sich auch noch die ent­spre­chen­den Zei­len­num­mern zu notie­ren. Das belieb­te „Mei­ne Schü­ler sind alt genug um sel­ber zu ent­schei­den, ob sie Haus­auf­ga­ben machen“ ist in den meis­ten Fäl­len doch ledig­lich Aus­druck der (ver­ständ­li­chen) Resi­gna­ti­on in die­sem zer­mür­ben­den Kampf. Und die sel­ben Schü­ler, die nicht bereit sind 15–20 Minu­ten für eine nor­ma­le Haus­auf­ga­be auf­zu­wen­den, sol­len sich jetzt plötz­lich ein 30–40 Minu­ten lan­ges Video „erar­bei­ten“? Das machen sie halt ein­fach nicht, auch wenn der Leh­rer ausflippt.

Zurück zur „krampf­haf­ten“ Suche nach Mehr­wert. Wel­chen Sinn hat es z.B. Sei­ten aus dem Buch per Bea­mer zu pro­je­zie­ren oder als pdf den Schü­lern am PC zur Ver­fü­gung zu stel­len? Wel­cher „Lehr-Lern-Pro­zess“ wird hier „sinn­voll unter­stützt“? Oder: Wel­chen Mehr­wert hat es müh­sam mit einem Spe­zi­al­stift auf einem Smart­board zu schrei­ben statt mit Krei­de auf einer nor­ma­len Tafel? Um das Tafel­bild „abfo­to­gra­fie­ren“ zu kön­nen um es einem kran­ken Schü­ler zu schi­cken? Das kann man auch mit jedem stink­nor­ma­len Han­dy. Weil man die Bei­trä­ge von Schü­lern bes­ser inte­grie­ren kann? Eher nicht. Weil das Ergeb­nis sauberer/übersichtlicher wird? Auch eher nicht. Weil … (?) Die Suche ist ein­fach „krampf­haft“, weil Prak­ti­ker kei­ne Vor­tei­le erken­nen kön­nen, bzw. die weni­gen Vor­tei­le in kei­nem sinn­vol­len Ver­hält­nis zu den Kos­ten, dem Ein­ar­bei­tungs­auf­wand, den tech­ni­schen Pro­ble­men etc. stehen.

Das Poten­zi­al digi­ta­ler Medi­en liegt in den Mög­lich­kei­ten für indi­vi­dua­li­sier­tes, kol­la­bo­ra­ti­ves bzw. koope­ra­ti­ves, gami­fi­zier­tes sowie immersi­ves Ler­nen mit Vir­tu­al und Aug­men­ted Reality.

Vor nicht all­zu lan­ger Zeit soll­ten PCs das „neue“ Ler­nen ermög­li­chen. Danach wur­den Note­books zum neu­en Non plus ultra hoch­ge­ju­belt. Aber dann kamen ja Smart­boards, die waren rich­tig toll. Die wur­den dann aber lei­der ganz schnell von Tablets bzw. iPads abge­löst, mit denen konn­te man jetzt aber mal so rich­tig „auto­nom“ und „kol­lo­bo­ra­tiv“ arbei­ten. Ach nee, ist auch schon wie­der Schnee von ges­tern, inzwi­schen ist ja Bring Your Own Device ange­sagt. Und das nächs­te gaa­anz gro­ße Ding ist jetzt halt Vir­tu­al bzw. Aug­men­ted Rea­li­ty. Lei­der nicht ganz bil­lig, weil man ja völ­lig neue, leis­tungs­star­ke Hard­ware braucht, aber dafür wer­den die Schü­ler jetzt end­lich „indi­vi­dua­li­siert, kol­la­bo­ra­tiv bzw. koope­ra­tiv, immersiv“ ler­nen. Allein das „kol­la­bo­ra­tiv“ stel­le ich mir schwie­rig vor, wenn alle mit ihren 3D Spe­zi­al­bril­len rum­sit­zen, aber dann quat­schen sie wenigs­tens nicht mehr die gan­ze Zeit …

Jugend­li­che arbei­ten [im Unter­richt] ger­ne mit Anwen­dun­gen, die sie auch pri­vat nut­zen wie Snap­chat, Insta­gram oder Minecraft.

Ist das jetzt noch ernst gemeint oder schon Sati­re? Das Rum­dad­deln auf Snap­chat und Insta­gram wird jetzt schon mit dem Prä­di­kat „arbei­ten“ geadelt? Und Mine­craft ist ein SPIEL und damit das genaue Gegen­teil von (schu­li­scher) Arbeit.

Sie sind aber auch inter­es­siert, neue Anwen­dun­gen ken­nen­zu­ler­nen, wenn die­se so ein­ge­setzt wer­den, dass das Poten­zi­al mobi­ler Gerä­te genutzt wird

Da habe ich völ­lig ande­re Erfah­run­gen gemacht. Und das ist ja auch kein Wun­der, wenn man weiß, dass tau­sen­de der bes­ten Pro­gram­mie­rer der Welt ein­zig und allein dar­an arbei­ten die scre­en­ti­me der User z.B. auf Face­book zu ver­län­gern. Die Vor­stel­lung, dass schu­li­sche Inhalte/Apps auf einem Smart­phone mit Snap­chat, Insta­gram oder Face­book kon­kur­rie­ren könn­ten, ist ein­fach nur unglaub­lich naiv und weltfremd.

Auf digi­ta­le Medi­en soll­te man ver­zich­ten, wenn sie nur um ihrer selbst wil­len ein­ge­setzt wer­den und nicht the­men- sowie lern­grup­pen­spe­zi­fisch. Der Ein­satz digi­ta­ler Medi­en allein macht noch kei­nen guten Unterricht.

Stimmt!

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  1. c.p.

    Hut ab vor die­sem tref­fen­den Beitrag!

  2. S-Man

    Als Nicht-Pädo­go­ge, aber Soft­ware­ent­wick­ler, hat­te ich schon län­ger die Vermutung.

    Eine wei­te­re Sicht: Ich hat­te neu­lich einen Prak­ti­kan­ten, der in einem Neben/Aushilfsjob die teu­ren Smart­boards einer Schu­le war­tet. Der Clou war halt, dass die Din­ger die Schu­le (so gut wie?) nichts gekos­tet haben, weil die För­der­gel­der dafür beka­men. Aller­dings blieb es nur bei der Anschaf­fung. Ein­füh­rung in die Bedie­nung oder gar tech­ni­sche Schu­lung war Fehl­an­zei­ge. Das wur­de nicht bezahlt, und dar­um küm­mer­te sich also auch nie­mand. Jetzt sind die Din­ger 5 Jah­re alt und gehen immer mal wie­der kaputt oder sind mit neue­ren Gerä­ten inkom­pa­ti­bel (aka fal­scher Ste­cker, das kann für Frau Kunst­un­ter­richt durch­aus ein Pro­blem sein). Es gibt nie­man­den vor Ort, der weiß, was zu tun ist. Denn für Aus­bil­dung oder gar War­tung ist kein Geld vor­ge­se­hen. Jetzt krat­zen die monat­lich ne klei­ne Sum­me zusam­men, um einen Stu­den­ten dafür zu bezah­len, mal mehr mal weni­ger gro­ße Repa­ra­tu­ren zu machen.

    Das Pro­blem sehe ich an zahl­rei­chen Stel­len: Es wird immer nur über die Anschaf­fung gere­det. Über Fol­ge­kos­ten oder Schu­lung macht sich kei­ner einen Kopf.

    Mal ne ande­re Frage:
    Ich habe Smart­boards noch in der Uni ken­nen gelernt. Aus in einem Fach fand ich die Din­ger immer ner­vig, weil der geschrie­be­ne Text immer er sekun­den spä­ter auf dem Board erschien, was den Schrei­ber extrem ver­lang­sam­te und auch zu extrem kra­ke­li­gen Schrift­bil­dern führ­te. Ist das inzwi­schen bes­ser geworden?

    • > Ist das inzwi­schen bes­ser geworden?

      Das hängt offen­bar stark vom ver­wen­de­ten Smart­board ab. Die Reak­ti­ons­zeit ist bes­ser gewor­den, aber das Schrift­bild ist, zumin­dest mei­ner Mei­nung nach, immer noch sehr kra­ke­lig. Ner­vig ist aber vor allem, dass die Schrift, wenn die Din­ger nicht kor­rekt kali­briert sind, nicht da erscheint, wo man eigent­lich schreibt, son­dern mal drü­ber, drun­ter oder seit­lich versetzt.

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