Info für Nicht-Bayern: Stegreifaufgaben bzw. Extemporalien („Exen“) sind nicht angesagte, kurze Tests (meistens über Wortschatz und Grammatik) über den Stoff der letzten (bzw. letzten beiden) Stunde(n). Exen werden in derselben Stunde in der sie zurückgegeben und besprochen wurden, auch wieder eingesammelt.
[Das im Folgenden Gesagte gilt auch für Wortschatz/Grammatik-Teile in Schulaufgaben/Klausuren, die eine eindeutige Lösung haben.]
Immer wieder sehe ich, wie (vor allem junge) Kollegen/innen Stegreifaufgaben „positiv“ korrigieren, also Fehler unterstreichen, Falsches durchstreichen, Richtiges drüberschreiben und vielleicht auch noch, weil’s so schön ist, doppel-moppeln. Mir ist das alles viel zu viel Aufwand, ich korrigiere (mit Ausnahme von Rechtschreibfehlern) ausschließlich „negativ“, d.h. ich markiere lediglich durch Unterstreichen (und ggf. das Häkchen für einen halben Fehler) die Fehler.
Wozu so aufwändig „positiv“ korrigieren, wenn es im Normalfall doch nur EINE richtige Lösung gibt, die du bei der Besprechung / Verbesserung schön langsam und deutlich angibst, damit Schüler, die das wollen, Zeit haben die richtige Lösung zu „ihren“ Fehlern mitzuschreiben. Seien wir ehrlich: Normalerweise interessiert die Verbesserung keine S**. Otto Normalschüler überprüft höchstens noch, ob der Lehrer bei der Addition der Fehler richtig gerechnet hat, ansonsten ist die Ex „abgehakt“ und du musst die Schüler zwingen extrinisch motivieren, wenigstens so zu tun, als ob sie sich bei der Verbesserung ihre Arbeit anschauen würden.
Ah ok, verstehe, du korrigierst so aufwändig, weil du möchtest, dass deine Schüler „aus ihren Fehlern lernen“. Ich schlage dir folgendes Experiment vor: Nachdem du die nächste Ex zurückgegeben hast, gibst du deinen SuSen nochmal zusätzliche 10 Minuten: „Ich möchte, dass ihr euch jetzt eure Fehler und meine Korrekturen sorgfältig anschaut bzw. lernt, damit ihr in Zukunft nicht dieselben Fehler wieder macht.“ Und dann schreibst du in der (über-)nächsten Stunde genau DIESELBE Stegreifaufgabe nochmal und schaust, ob die (angeblich) „Lernenden“ aus ihren Fehler gelernt haben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Resultat ernüchternd sein wird.
Dadurch, dass du fast nur rote Fehler-Unterstreichungen hast, wird das Addieren viel leichter, weil deine Augen nur noch von einem roten Strich zum nächsten springen müssen und nicht mehr durch rote Korrekturen „aufgehalten“ werden.
Hier ein Beispiel, wie so eine Korrektur bei mir aussieht (klicken zum Vergrößern):
Bei Nr. 11 siehst du, dass ich bei unleserlicher bzw. nicht eindeutiger Schrift ziemlich rabiat bin. Vor Beginn erinnere ich die Schüler daran, sauber und leserlich zu schreiben. Am Ende der Arbeitszeit weise ich explizit darauf hin, dass die Schüler alles nochmal auf Lesbarkeit bzw. Eindeutigkeit überprüfen und dabei besonders auf die Vokale achten sollen. Auch wenn Buchstaben (vor allem Vokale) übereinander geschrieben werden, so dass man z.B. nicht erkennen kann, ob das jetzt ein a, o oder u sein soll, gebe ich sofort einen halben Fehler.
Bist du auch (noch) in der glücklichen Lage, dass du Stegreifaufgaben einfach abgeben / ablegen kannst, ohne schlechte Schnitte rechtfertigen zu müssen? Dann solltest du das Ganze noch effizienter machen. Nimm meine Tabelle (zip) und wähle eine angemessenen Punkteschlüssel. Bei Exen habe ich IMMER denselben Schlüssel: Für Note 1 mindestens 90%, Note 2 80%, Note 3 70%, Note 4 55% und Note 5 40% der möglichen BE / Punkte. Korrigiere die Ex, addiere die Fehler und trage sie in die Tabelle ein. Anschließend überprüfst du, ob der Schüler knapp die schlechtere Note bekommen würde, weil ihm z.B. nur ein Punkt zur besseren Note fehlt. In meiner Tabelle erscheint in so einem Fall in der Spalte D ein ‚+‘. Falls nötig machst du das Ganze (wie immer „In dubio pro discipulo“) eindeutig und schreibst gleich die Note und die Punktzahl auf die Arbeit und zeichnest ab, d.h. du nimmst jede Arbeit nur EINMAL in die Hand.
Du markierst / unterstreichst nicht nur Falsches , sondern „hakelst“ richtige Antworten ab? Spar dir doch diesen „roten Overkill“, der macht auch nur völlig unnötige Arbeit.
Falls du wissen möchtest, wie die Angabe zu o.a. Ex (in meiner 7ten) aussieht:
1. – 3. Lautschrift
4. I feel dirty, I think I’ll take a b~.
5. 70 n. Chr. = 70 ~
6. Don’t forget to c~ your hair.
7. Letzten Monat sind römische Löffel, Gabeln und Münzen gefunden worden.
8. Who does this book ~ to? – I think it’s Julia’s.
9. Ich kenne sie seit fünf Jahren.
10. Ich mag die rote Jacke und die blaue.
11. Mir ist das Geld ausgegangen (r~).
12. Er gräbt (schon) seit drei Uhr.
13. Leider war dieses Glas sehr wertvoll (v~).
14. Möchtest du den Zaun anmalen (p~)?
Was die Schüler jeweils machen sollen, steht in diesem Handout (doc).
Sud
Hallo,
ich selbst studiere zwei lebende Fremdsprachen für das Lehramt an Gymnasien in Bayern und bin verwundert, dass in der Ex Übersetzungen drankommen. Ist dies also doch noch möglich?
Finde ich nämlich bei manchen Dingen ganz sinvoll …
Wir haben nämlich gelernt, dass Wortschatz nur noch einsprachig und voll kontextualisiert abgefragt werden muss/darf. Da habe ich aber teilweise auch meine Probleme damit, weil es einfach Wörter gibt, die sehr schwer erklär-/darstellbar sind.
Sud
Jochen
> Ist dies also doch noch möglich?
Der Quatsch mit den kontextualisierten Aufgaben (vgl. https://www.jochenlueders.de/?p=9170) ist an meiner Schule bislang göttinseidank nur in Schulaufgaben vorgeschrieben. Exen werden (noch) nicht respiziert, da habe ich also noch freie Hand.
> Da habe ich aber teilweise auch meine Probleme damit, weil es einfach Wörter gibt, die sehr schwer erklär-/darstellbar sind.
Darum allein geht’s ja gar nicht. Wenn du nur noch einsprachig abprüfst, fallen z.B. alle Interferenzfehler (vgl. Satz 9. Ich kenne sie seit 5 Jahren. – I know her since 5 years.) einfach unter den Tisch.