Hängen an deiner Schule noch „Klassenverträge“ rum? Bei uns waren die vor ein paar Jahren ganz „in“, jetzt sieht man überhaupt keine mehr. Falls du nicht weißt, wovon ich schreibe: Man handelt mit den Schülern Regeln aus, an die sich alle halten sollen („Wir hören uns gegenseitig zu und unterbrechen uns nicht“), malt sie auf ein großes Plakat, alle Schüler und der Lehrer unterschreiben und dann wird das Plakat aufgehängt. Warum ist dieses auf den ersten Blick so überzeugende Verfahren (zumindest an meiner Schule) derart schnell wieder verschwunden? Für mich gibt es vor allem zwei Gründe.
Bei unserem Konzept konnten Schüler, die sich nicht mehr an die Regeln halten wollten, einfach ihren Namen auf dem Plakat ausstreichen. Sich an Regeln zu halten und sich zu „disziplinieren“ ist anstrengend, also hatte sich in den meisten Fällen mindestens ein Drittel der Schüler nach wenigen Wochen wieder ausgestrichen. Und spätestens zu diesem Zeitpunkt war man wieder beim früheren Status Quo angelangt.
Der zweite Grund, warum ich der ganzen Idee von Anfang an skeptisch gegenüberstand (und ‑stehe) ist der Umstand, dass hier Regeln AUSGEHANDELT werden sollen, nach dem Motto „Wenn Sie uns nicht so viele Hausaufgaben aufgeben, dann schwätzen wir auch nicht so viel.“ Regeln auszuhandeln ist etwas völlig anderes als Regeln zu erklären und zu begründen. Ich bin gerne bereit meine (disziplinarischen) Regeln zu erläutern, aber sie sind KEIN Gegenstand von Verhandlungen zwischen gleichberechtigen Partnern.
Jetzt kommt die nächste pädagogische Innovation daher: „Trainingsraum (für verantwortliches Denken“) bzw. „RED“ (*R*aum für *e*igenverantwortliches *D*enken) bzw. „EVA“ (*e*igenverantwortliche *V*erhaltens*a*enderung) bzw. „Auszeitraum“.
Als ich das erste Mal von einer Kollegin hörte, dass an ihrer Schule ein „Trainingsraum“ eingerichtet werden solle, dachte ich als Sportler natürlich erstmal an einen Fitnessraum mit Kraftmaschinen und bei einem „Eva“ Raum hatte ich auch erstmal völlig falsche Assoziationen. „Auszeit“ finde ich allerdings sehr sympathisch: Endlich kann sich der Schüler eine „Auszeit“ vom anstrengenden Unterricht und dem nervigen Lehrer nehmen …
Hier in Kürze worum es geht, zitiert nach dieser PDF-Datei:
Wenn ein Schüler in der Klasse den Unterrichtsfluss deutlich stört, wird er respektvoll ermahnt und gefragt, ob er sich lieber an die Regeln halten möchte, oder ob er in den „Trainingsraum für verantwortliches Denken“ gehen möchte. Wenn der Schüler nicht einlenkt, dann muss er in den Trainingsraum gehen. Der dort anwesende Lehrer oder Sozialarbeiter bietet angemessene Hilfen und Gespräche an und sorgt für die Einhaltung der Regeln im Trainingsraum. Wenn der Schüler zurück in die Klasse möchte, muss er einen Rückkehrplan erstellen, indem er darlegt, wie er es das nächste Mal schaffen will, seine Ziele zu erreichen, ohne die anderen in der Klasse zu stören. […] Dieser Rückkehrplan liegt nun schriftlich vor und kann immer wieder mit dem tatsächlichen Verhalten und nachfolgenden Plänen verglichen werden. Mit einem im Trainingsraum besprochenen Rückkehrplan geht der Schüler zurück in den Unterricht des Lehrers, der in geschickt hatte, ohne erneut zu stören. Der Lehrer bespricht sobald er Zeit findet diesen Plan und es wird eine Vereinbarung auf der Grundlage des Plans getroffen.
Abgebrühte Praktiker freuen sich jetzt natürlich, dass es endlich möglich ist, störende Schüler aus dem Unterricht rauszuschmeißen, was bislang wegen der leidigen Aufsichtspflicht ja nicht oder nur eingeschränkt („Du musst die ganze Zeit die Klinke gedrückt halten“) ging. Aber diese Haltung geht natürlich völlig an den pädagogischen Intentionen des Verfahrens vorbei.
Wie schon bei anderen Themen finde ich es reizvoll, das Ganze – als kleines Gedankenspiel – mit Erwachsenen, noch besser mit Lehrern durchzuspielen.
Bekanntlich (?) benehmen sich Lehrer z.B. bei Lehrerkonferenzen oft fast genauso schlecht wie Schüler. Sie quatschen, kichern, passen nicht auf, schlafen und gehen diversen Fremdbeschäftigungen nach. Stellen wir uns also vor dass der Chef mal wieder derart einschläfernd labert spricht, dass es Kollege Huber nicht mehr aushält und anfängt sich lautstark mit seinem Nachbarn zu unterhalten. Nach einer „respektvollen“, aber leider vergeblichen Warnung wird er schließlich in den „EVAFL“ (… für Lehrer) geschickt. Dort wartet ein Mitarbeiter des Direktorats auf ihn und leitet das „angemessene“ Gespräch mit der Frage ein, warum er denn hergekommen sei. Was soll Kollege Huber jetzt sagen? Die Wahrheit? Dass z.B. das Verlesen von kultusministeriellen Verlautbarungen nur mäßig interessant ist und dass er deshalb …? Was soll ein SCHÜLER auf diese Frage antworten? Dass Englisch, Mathe, Chemie etc. bzw. die dazugehörigen Lehrer einfach tödlich langweilig sind und er deshalb …?
Als nächstes muss Kollege Huber den „Rückkehrplan“ erstellen. Was soll er da schreiben? Die Wahrheit? Dass er bei der nächsten Konferenz, wenn es wieder so langweilig wird, vermutlich wieder Quatsch machen wird? Käme vielleicht nicht so gut an. Also doch besser, dass er das nächste Mal ganz doll aufpassen und natürlich NIIIIEEE mehr stören wird. Und der Schüler? …
Zum Abschluss muss er dann noch mit dem Direktor seinen Plan besprechen. Soll er da vielleicht doch mal ehrlich sein und auf den Zusammenhang zwischen langweiligen Konferenzen und seinem Verhalten eingehen? Wahrscheinlich keine gute Idee. Und der Schüler? …
An der Schule meines Sohnes führte die Einführung von „RED“ dazu, dass unter den Schülern ein wahrer Wettbewerb einsetzte, wer auf diese Art am häufigsten dem Unterricht entfliehen könne. Daraufhin musste die Schulleitung zurückrudern („Wer mehr als dreimal …“), obwohl viele Lehrer wahrscheinlich froh waren die größten Chaoten auf diese Art „pädagogisch wertvoll“ loszuwerden.
Aber als Sportler sieht man das Ganze wahrscheinlich eh völlig falsch. Wie rückständig der Sport ist, sieht man ja z.B. daran, dass es immer noch (wie verwerflich) eine ZeitSTRAFE (statt einer „vorübergehenden verpflichtenden Erholungspause“), einen PlatzVERWEIS (statt einer „endgültigen verpflichtenden Erholungspause“) und einen STRAFstoß (statt einer „kompensierenden Ausgleichsmaßnahme“) gibt.
Die Überschrift spielt auf die rote Lola an.
Claudia Boerger
Meine Kritik geht in die gleiche Richtung wie die deinige, Jochen. Was mich an diesen Vertraegen gelinde gesagt verwundert (weswegen ich sie auch ablehne) ist die Tatsache, dass Selbstverstaendlichkeiten menschlichen Umgangs anscheinend neu erarbeitet werden muessen als seien sie etwas ganz Besonderes, Klassenspezifisches. Was ich da manchmal an „Weisheiten“ an Klassenwaenden sehe („Wir schlagen und beschimpfen uns nicht“) sollte doch zum erwartbaren Grundlagenrepertoire auch bereits des kindlichen Anstandes gehoeren. Diese Verhaltensregeln als verhandelbar und damit also durchaus ablehnbar zu charakterisieren sezt meiner Meinung nach vollkommen falsche Signale.
Christian
Also meiner Meinung nach ist die Idee so schlecht nun auch wieder nicht. Meine Erfahrungen zeigen, dass die Schüler ganz vernünftige Regeln aufstellen da sie generell auch wissen, wie es laufen sollte und was im Unterricht nicht getan werden sollte. Zum zweiten sind dann gerade die Regeln, die von den Schülern selbst genannt werden auch von ihnen akzeptiert. Zum dritten soll es ja nicht darum gehen ALLES auszuhandeln. Man kann als Lehrkraft ja durchaus sagen, welche Regeln einem selber sehr wichtig sind und warum. Diese sollten dann auf jeden Fall auch auf den Vertrag. Und Regeln, die von den Schülern rigoros abgelehnt werden, haben es sicherlich nötig, hinterfragt zu werden. Und es ist sicherlich ein falsches Verständnis dieser Methode, wenn es um eine Art feilschen gehen soll. DAs ist nicht der Sinn. Vielmehr sollen die Schüler sich noch einmal explizit Gedanken darüber machen, welche Verhaltensweisen nötig sind, damit ein geordneter und ertragreicher Unterricht stattfinden kann. Dazu sind sie, auch wenn sie sich nicht immer daran halten, durchaus in der Lage. Sich im Nachhinein bei Nichtgefallen aus dem Vetrag rauszustreichen führt das alles natürlich ad absurdum.
Und ein Trainigsraum mag ja an einem Gymnasium überflüssig sein, an einer HAupt- oder (wie in meinem Fall) einer berufbildenden Schule macht es durchaus Sinn. Empirische Erfahrungen zeigen ja auch die Erfolge dieser Methode. Schwierigkeiten entstehen ja zumeist nicht aus der Methode, sondern aus der mangelhaften Umsetzung. So sieht das theoretische Konzept in der Tat nach drei Besuchen ein erstes Elterngespräch, nach weiteren drei ein zweites Elterngespräch und nach dem 9. Besuch eine Klassenkonferenz vor. Wenn das so durchgezogen wird, werden derartige Wettbewerbe sicherlich nicht entstehen.
Jochen
> Zum zweiten sind dann gerade die Regeln, die von den Schülern selbst genannt werden auch von ihnen akzeptiert.
Nun ja, da stellt sich die Frage, was „akzeptieren“ genau meint. Natürlich „akzeptiert“ jeder, dass alle das Recht auf ungestörten Unterricht haben. Nur heißt das eben leider nicht, dass sich auch alle daran halten. So wie eben auch jeder Lehrer „akzeptiert“, dass in Konferenzen eigentlich nicht …
Markus Märkl
Was mich besonders abstößt sind Klassenregeln, die – oft vorgedruckt- in einer Ecke hängen mit der Überschrift: Unsere Regeln. Völliger Blödsinn, es sind die Vordrucke von Verlag XYZ, die niemand wirklich jucken.
Ich teile o.g. Kritik (wenn auch die PDF aus einem Buch stammt, das wirklich gute Anregungen und Spiele beinhaltet) und mache es so: In der Eingangsklasse nehme ich mir (echt) Zeit über Verhalten und Regeln zu diskutieren – Lions Quest hat hier teilweise ganz nette Ideen, auch Aktionen wie Höflichkeit macht Schule usw haben gute Anregungen. Unterschreiben muss keiner, davon wirds meiner Erfahrung auch nicht besser. In den oberen Klassen geht es ganz schnell, die kennen meine Vorlieben und darüber wird nicht diskutiert. Auf das Einsehen der Schüler kann ich nun wirklich nicht warten, da muss man eben manchmal nachhelfen…und da sollten die Schüler wissen, was eben wie von mir nicht „akzeptiert“ wird.
Markus
Problem beim Trainingsraum:
1. zieht es massiv Lehrerstunden aus dem Plan (ca 25 – 30 Stunden pro Woche)
2. wird er als „Strafkammer“ zweckentfremdet. Ich kenne einen Trainingsraum, der wurde eingerichtet, um unaufmerksame Schüler „zum Denken zu bringen“.
Schon nach einer Woche war der erste Schüler wegen wiederholt fehlender Hausaufgaben im Raum.
Eine Woche später kam der erste Schüler in den Raum, weil er zweimal zu spät zum Unterricht kam.
Kurz darauf saß ein Schüler im Raum, weil er Kaugummi gekaut hat.
Sicherlich alles „Verfehlungen“, auf die man als Lehrer eingehen sollte. Aber sie kamen in den Regeln zum Trainingsraum nicht vor. Kein Problem übrigens für die Lehrer. Die Trainingsraumregeln wurden entsprechend überarbeitet.
Markus
Corinna
Zu den „Verträgen“ habe ich auch eher ein zwiespältiges Verhältnis. Letztlich funktionieren sie nur, wenn Verstöße konsequent geahndet werden und Sanktionen zur Folge haben. Es hängt also wie immer an den in der Klasse unterrichtenden Lehrern – das Einfordern eines fairen Umgangs miteinander ist entscheidend. Wenn das (aus Faulheit?) nicht geschieht, dann nützt auch der schönste handgeschriebene Klassenvertrag nichts.
Zum Trainingsraum: An der Real- und Hauptschule bei uns im Schulzentrum hat sich die Einrichtung bewährt und funktioniert vor allem durch das Engagement aller Lehrkräfte. Wir am Gymnasium haben aus den von Markus geschilderten Kostengründen darauf verzichtet und einen anderen Weg gefunden, um Störenfriede aus dem Unterricht zu ziehen: Sie werden mit einem Arbeitsauftrag und einem Laufzettel in eine andere Klasse geschickt (möglichst mehrere Klassenstufen Unterschied), wo sie dann den Rest der Stunde verbringen. Als Achtklässler in eine fünfte Klasse geschickt zu werden, ist nicht besonders cool .…
Jochen
> Sie werden mit einem Arbeitsauftrag und einem Laufzettel in eine andere Klasse geschickt
Das ist ja ein interessantes Verfahren, habe ich noch nie gehört. Da frage ich mich natürlich gleich: Woher habe ich auf die Schnelle einen Arbeitsauftrag? Und wie wird das mit den Klassen organisiert? Kann ja nicht sein, dass z.B. im Lauf der Stunde vier Schüler aus anderen Klassen in einer 5ten auftauchen und immer wieder den Unterricht unterbrechen.
Bernd
Bei uns machen wir das nur in bestimmten Klassen oder nur mit ausgewählten beratungsresistenten Schülern. So dass Häufungen eher selten sind. Problem ist erher, das viele Kollegen ungeplant den Raum welchsen und die Schüler dann wieder zurück kommen.
So schnell einen ARbeitsauftrag? Seite XY aus dem Buch abschreiben. Wo ist das Problem?
Für mich ist das nur eine Notlösung, wenn man keinen Trainingsraum hat, der wie hier mehrfach geschildert, natürlich nur funktioniert, wenn alle eine einheitliche Vorstellung haben und Handhabung damit praktizieren.
Und dann noch was zu Klassenverträgen. Die sind für mich keine Verhandlungssache, sondern eher eine Schwerpunktsetzung: Das ist uns jetzt als erstes besonders wichtig, an dieser Regel wollen wir arbeiten, weil wir (die Mehrheit) ihren Sinn verstanden haben.
teacher
Es ist wirklich heilsam, solche „Schulmethoden“ auf ausserschulische Umgebungen umzulegen („fürs Leben lernen wir“) bzw. für Erwachsene durchzudenken. Ganz normal klingen diese Methoden (RED, EVA …) jedenfalls für Schulfremde nicht …
Letztlich zeigen diese Versuche, wie sehr wir mit unserem traditionellen Latein am Ende sind.
uhck
Unsere Klassenregeln sind zwar von den Schülern mit ihren Paten (3 Zehntklässlerinnen) formuliert, ohne dass Verhandlung nötig war und ohne Unterschriften. Aber ich nehme diese Anregung zum Anlass sie nächste Woche den Aushang in Frage zu stellen indem wir sie für einige Zeit weg hängen oder auf unsere speziellen Bedürfnisse umzuändern. Bei meinen 5ern haben wir zusätzlich, nach 2–3 Monaten, ohne aufzuschreiben, vereinbart, „Nein, das möchte ich nicht“ als ein Signalspruch zu benutzen um zwischen Spaß-Ärgern und Ernst-Ärgern zu unterscheiden. Allerdings ist diese zentrale Regel so bewusst weil nötig, dass wirs nicht aufschreiben bräuchten. Und die andern sind allen klar. Wenn jmd. dagegen verstößt, dann bestimmt nicht, weil er vergessen hat sie sich an dem Tag anzugucken .
Den Trainingsraum hab ich auch noch nicht verstanden, obwohl es hier Leute mit guten Erfahrungen gibt. Ich teile Jochens Bedenken: Wie funktioniert das denn dann?
Corinna
„Woher habe ich auf die Schnelle einen Arbeitsauftrag? Und wie wird das mit den Klassen organisiert? Kann ja nicht sein, dass z.B. im Lauf der Stunde vier Schüler aus anderen Klassen in einer 5ten auftauchen und immer wieder den Unterricht unterbrechen.“
Normalerweise fallen Schüler erst einmal erheblich auf, bevor man sich für ein solches Vorgehen entscheidet. Hab ich also solche Spezialisten, dann bereite ich mich darauf vor: Ich schaue, welche geeigneten Klassen parallel Unterricht haben, und spreche dann mit den Kollegen, die in Frage kommen. Und einen Arbeitsauftrag sicherheitshalber dabei zu haben, ist auch keine wirkliche Kunst, wenn man auf Schwierigkeiten eingestellt ist. Bei uns an der Schule klappt die Zusammenarbeit recht gut, allerdings sind wir mit unseren eher harmlosen Landpflanzen auch verwöhnt, sodass es keine Massenaufläufe gibt. Schwierig wird es natürlich, wenn ich einen ganzen Haufen Störenfriede in einer Klasse habe, aber es wirkt oft Wunder, wenn schon einer davon herausgezogen wird.
Hat man das ein paarmal konsequent durchgezogen, dann reicht im Folgenden oft ein wissender Blick und schon ist Ruhe. 🙂
Frank
Ich frage mich, ob dieses „Konzept“ nicht vor allem dazu führt, dass aus lebhaften und kritischen SchülerInnen Duckmäuser werden, die aus Angst vor dem „ausgeschlossen werden als Sanktion“ innerlich abschalten. Statt zu denken, im Unterricht themenbezogen zu kommunizieren und zu diskutieren, ziehen sie es vor, um jeden Preis unauffällig zu bleiben und halten lieber einmal mehr den Mund als zur falschen Zeit zu reden. Wo ist der positive Anreiz für die SchülerInnen bei diesem Instrument, dass vor allem die Lehrkräfte von motivationaler Arbeit entlastet und jeden Erklärungsansatz im Keim erstickt?
Für Schüler steht die Ruhe im Unterricht (leider) nicht an erster Stelle, sondern eher der Spaß am Lernen und miteinander. Was nicht mal bei 17–18-Jährigen Gymnasiasten wirklich funktioniert, nämlich ungestört unterrichten zu können, das wird von 9–14-Jährigen auf diese Art vor allem erzwungen, aber mehr auch nicht. Es wird eigenverantwortliches Handeln verlangt, wohlwissend, dass dies nicht mal in unserer, der Gesellschaft der Erwachsenen funktioniert. Erwarten wir nicht zuviel von unseren Kindern?
Funktioniert Unterricht wirklich nur noch durch Sanktionen und Abschieben? Abschieben, statt für den Stoff/Unterricht zu begeistern, scheint mir hier tatsächlich die Devise zu sein. Natürlich muss eine Lehrkraft auch sehen, wie sie den Stoff möglichst störungsfrei vermittelt bekommt. Aber ist es nicht so, dass das eben auch die Qualität einer Lehrkraft ausmacht, dass sie auch ohne solche zweifelhaften Sanktionen im Hintergrund schafft, Kinder zu begeistern und zur konzentrierten Mitarbeit zu bewegen?
Geht es wirklich nur um das Recht eines Schülers auf ungestörten Unterricht oder nicht doch vor allem um Ruhe für die Lehrkräfte, die durch enge Vorgaben der Ministerien vor allem den Stoff im klausurrelevanten Umfang durchpauken müssen?
Statt Ursachenforschung bei wiederholtem „Stören“ zu betreiben, wird die Verantwortung dafür einseitig auf Schüler und Eltern verlagert. Im besten Fall schafft das Konzept angepasste, unkritische Schweiger, die gelernt haben, dass man den Mund zu halten und zu funktionieren hat, will man nicht in letzter Konsequenz aus der Schule entfernt werden. So werden aus aufgeweckten und sicher auch oft anstrengend lebhaften Schülern durch die eingebauten Eskalationsstufen des Trainingsraum-Konzeptes zwangsläufig „auffällige Störer“ und „Problemfälle“ generiert. War es wirklich das, was man damit erreichen wollte?
Steht das Ziel des Funktionieren-Müssens wirklich über jedem pädagogischen Auftrag?
Sunshine
Selbiges Problem, gibt es in der schule meines Sohnes. Ich meine seit ca. 2 Jahren gibt es dort dieses T‑Raum Projekt – welches für mich völlig an dem vorbei geht was es vielleicht bewirken soll.
Selbstverständlich bin ich dafür, dass man versucht den Unterricht so störungsfrei wie möglich zu halten und allen aufnahmewilligen Schülern eine Chance zu geben etwas zu lernen, aber meiner Meinung nach wird dieses Projekt für Machtspielchen der Lehrer an dieser Schule missbraucht!!!
Mein Sohn ist mittlerweile 8. Klasse, seine wie auch die Besuche anderer Schüler im T‑Raum waren überwiegend:
– weil man sich gegen zickelnde Klassenkameraden, die vor lauter Langeweile im Unterricht nicht wussten was man sonst noch so machen kann, wehrte
– weil er 5 Minuten zu spät zum Unterricht kam (Lehrerraumprinzip – wenn man dann noch zur Toilette muss und sich zuvor den Schlüssel dazu besorgen muss, sind 5 Minuten Pause doch sehr eng bemessen)
– weil er Kaugummi kaute trotz dem Wissen, dass es verboten ist
– sicher auch weil ihm selber mal langweilig war und er es vorzog sich mit Mitschülern zu unterhalten
– … so könnte man das ganze sicher noch fortsetzen!!!
Was mich daran jedoch sehr verärgert und was wohl die meisten Eltern nicht verstehen:
1. Was hat der T‑Raum Besuch mit dem §53 SchlG zu tun? (will man unliebsame oder unbequeme Schüler so schneller loswerden) – warum stelle ich diese Vermutung auf?
Der T‑Raum Besuch ist verknüpft wurden mit diesem § – 5. Besuch (Besuche werden auch nach Schuljahreswechsel nicht gelöscht) 1 Woche gemeinnützige Arbeit in der Schule, 6. T‑Raum Besuch Verweis, wg. Mehrfach negativem Auffallen, 7. T‑Raum Besuch – Suspendierung von der Schule …. Was nun als nächstes bevorsteht brauche ich nicht zu erwähnen und an diesem Punkt steht mein Sohn, kurz vor Ende der 8. Klasse – muss also nun 2 Jahre ohne jegliche Vorkommnisse in der schule durchhalten, damit er nicht fliegt!!!
Mein Sohn ist hier kein Einzelfall, wobei es witziger oder trauriger Weise auch Fälle gibt wo bereits mehr als 10 T‑Raum Besuche waren und eigentlich nichts passiert ist, außer mal ein Elterngespräch.
Ein weiterer Punkt ist, dass nicht alle Lehrer gleichermaßen agieren, sondern eher nur ein sehr geringer Anteil.
Des Weiteren werden z.Bsp. bei mänl. Kollegen, Mädchen bei Störungen nur mal für 5 Minuten vor die Tür geschickt und dürfen dann wieder am Unterricht teilnehmen, wobei Jungs für die gesamte Stunde aus Unterricht in den T‑Raum geschickt werden.
Für mich hat dieses Projekt vielleicht Ansatzweise einen guten Grundgedanken, nur wird hier meines Erachtens zu viel im eigenen Ermessen Regie geführt und teilweise Willkürlich gehandelt.
Mit freundlichen Grüßen
Eine enttäuschte und teils ratlose Mutter
Bernd
Also für Kaugummi und Zuspät kommen sollte nicht der Trainingsraum belästigt werden. Bestenfalls im mehrfachen Wiederholungsfalle. Für Kaugummi kauen kann man doch schon Hofdienst machen lassen und fürs Zuspät kommen haben wir eine Pünklichkeitsliste, in die sich die Schüler eine Woche (oder länger) eintragen müssen. Beides setzt voraus, das die Schüler wissen, warum es diese Regeln (mit oder ohne Klassenvertrag ;-)) gibt und warum die jeweilige Maßnahme folgt.
Sunshine
Nun wie befürchtet gab es zum Ende der 8. Klasse die nächste Strafe, nach einem weiteren T‑Raum Besuch – dieser wurde wegen kippeln in der Stunde veranlasst … Es gab also einen Verweis!!!
Aufgrund dieses Vorgehens, habe ich ein Gespräch mit Schulleitung und Hauptfachlehrern verlangt … mit einigen Lehrern telefoniert und mir mal ein wenig Luft verschafft.
Nach wie vor finde ich es sehr traurig, dass man eigentlich keine Möglichkeit hat dagegen anzugehen – da auch vom Schulamt nur die Info kommt, dass dies in der Entscheidungsgewalt der einzelnen Schulen liegt.
Die traurige Wahrheit ist: wir erziehen Duckmäuser die eingeschüchtert und von Tag zu Tag weniger motiviert zur Schule gehen, sich nichts mehr erlauben dürfen um nicht von der Schule zu fliegen!
Trotzallem wünsche ich allen Lesern hier eine schöne Vorweihnachtliche Zeit!!!
Jochen
> dieser wurde wegen kippeln in der Stunde veranlasst … Es gab also einen Verweis!!!
Ich kenne zwar die näheren Umstände nicht, aber kein Lehrer kann ständiges Kippeln tolerieren. Wer kippelt, fällt erfahrungsgemäß auch irgendwann mit lautem Getöse um. Dies stellt schon eine massive Unterrichtsstörung dar. Darüberhinaus besteht eine erhebliche Verletzungsgefahr: Entweder der Schüler knallt mit dem Kopf auf den Boden, oder (noch schlimmer) auf die Bank bzw. die Kante des Hintermannes. Wir hatten bei solchen Gelegenheiten schon blutende Platzwunden, die im Krankenhaus versorgt werden mussten.
Max
Zum Thema passt die folgende … bizarre … Meldung:
„ ‚Benehmen‘ als Schulfach? – Drei von vier Bürgern sind dafür
Eine repräsentative Studie belegt, dass sich 75 Prozent eine Unterrichtsfach wünschen, dass sich um das Thema ‚Benehmen‘ dreht.“
http://goo.gl/xfISCz