Zwar füllen viele Kollegen im Laufe einer Doppelstunde mindestens eine Seitentafel mit Wortschatz, die wenigsten bestehen aber darauf, dass die Schüler mitschreiben und sie schreiben sich die Wörter auch nicht selber auf, so dass sie sie in der nächsten Stunde natürlich auch nicht abprüfen können. Die Schüler schauen diesem munteren Treiben normalerweise freundlich-unbeteiligt zu, sehen aber natürlich keine Veranlassung sich in unangenehme Arbeit zu stürzen. In gewissen Abständen jammert der Lehrer bzw. regt sich auf („Dieses Wort hatten wir doch erst vor kurzem!!!“), ändern tut sich aber nichts.
Wortschatz, den ich während der Stunde an die Tafel schreibe, ist automatisch „Stoff“ der Stunde und muss von den Schülern notiert werden. Wo und wie sie sich die Wörter notieren, bleibt ihnen überlassen, ich empfehle ihnen DIN A4 Blätter mit zwei Spalten. Spätestens wenn die Hausaufgabe irgendwann lautet „Revise lesson vocab from 15.10. till 20.11.“ (und sie wissen, dass in der nächsten Stunde jemand über diese Wörter geprüft wird) wird ihnen klar, dass es keine gute Idee ist, die Wörter irgendwo an den Rand zu kritzeln. Gerade bei den ersten „Rechenschaftsablagen“ (= mündliches Ausfragen) achte ich darauf, demonstrativ auch immer den Lektionswortschatz der vorhergehenden Stunde zu prüfen, um auf diese Art frühzeitig ein Signal zu setzen, dass ich es damit ernst meine. Darüberhinaus ist lesson vocab fester Bestandteil von Stegreifaufgaben (= Vokabeltests). Die Notwendigkeit sich den Wortschatz der versäumten Stunden von Mitschülern zu besorgen, trägt mit dazu bei, dass sich Absenzen in erträglichen Grenzen halten 😉
Wenn ich noch eine richtige „richtige“ (= dreiteilige) Tafel habe, kommt der Wortschatz immer auf die rechte Tafel unter die Hausaufgabe (HW):
Bevor ich etwas an die Tafel schreibe, überlege ich mir natürlich kurz, ob das Wort nach den üblichen Kriterien (Frequenz, Register etc.) überhaupt „lernenswert“ ist. Nicht lernenswerte Wörter werden einfach nur erklärt (bzw. übersetzt), kommen aber nicht an die Tafel. Bei jedem Wort, das an die Tafel kommt, nenne ich zusätzlich die deutsche(n) Bedeutung(en) und – ganz wichtig – notiere mir das Wort bzw. die Wörter selber auf meinem (DIN A4) „Lesson Vocab“-Zettel. Dabei schreibe ich bewusst ganz langsam, um sicherzustellen, dass auch die Schüler genügend Zeit haben sich die englischen Wörter plus deutscher Übersetzung aufzuschreiben.
Sehr häufig passiert es leider, dass der Lehrer so richtig in Schwung ist, sich, während er redet, zur Tafel wendet, während er weiterredet etwas anschreibt, sich umdreht und ohne Pause weiterspricht. Da die wenigsten Schüler Multitasking beherrschen, stehen sie nun vor einem Dilemma: Sollen sie sich jetzt die neuen Wörter notieren und riskieren etwas zu verpassen oder lieber weiter zuhören und eben nicht mitschreiben?
Lektionswortschatz ist zwangsläufig ein ziemlicher hotchpotch, weil eben auch Wörter, die nichts mit dem Thema zu tun haben, aber in einem anderen Zusammenhang wichtig sind, an der Tafel erscheinen können. Beispielsweise möchte ich während der Stunde, dass ein Schüler die Sonnenblende herunterlässt. Ich frage was „Sonnenblende“ heißt, keiner weiß es, also kommt sunblind an die Tafel und ich nenne die deutsche Übersetzung. Auf der anderen Seite ist dieser Wort aber sehr authentisch, weil man ja alle Wörter in der betreffenden Stunde gebraucht hat bzw. hätte. Diese hohe „kommunikative Wertigkeit“ der Wörter rechtfertigt m.E. die kurze Unterbrechung des Unterrichts.
Wenn man am Stundenende noch ein paar Minuten übrig hat, ist es immer eine gute Idee den Lektionswortschatz (bei zugeklappter Tafel bzw. weggewischten Wörtern) zu wiederholen.
Dani
Jochen schreibt:
„notiere mir das Wort bzw. die Wörter selber auf meinem Vocab-Zettel. Dabei schreibe ich bewusst ganz langsam […]“
Ich hab das probiert, aber gemerkt, dass mir zu viel Zeit verloren geht mit Tafel und Zettel. So mache ich es jetzt so, dass jede Stunde eine Schülerin die Vokabeln mitschreiben muss. Am Ende der Stunde gibt sie mir die Liste und diese Wörter setze ich dann auf meine Homepage (die Mädels können selbst im U mitschreiben oder sie auf der Homepage abschreiben/ ausdrucken). Diese Wörter setze ich voraus und frage sie ab (im Unterricht und auch in Exen etc.). Funktioniert sehr gut und es gab auch noch keine Beschwerden 😉 !
Jochen
> die Mädels können selbst im U mitschreiben
Aber wenn sie das machen, musst du ihnen doch dafür entsprechende ZEIT geben und warten bis sie fertig geschrieben haben. In der Zeit hast du dir doch auch das englische Wort aufgeschrieben.
> und diese Wörter setze ich dann auf meine Homepage
Das ist aber zusätzliche Arbeit für dich am Nachmittag. Wenn du dieses Verfahren bei, sagen wir mal, vier verschiedenen Klassen machst, geht ganz schön Zeit drauf.
> oder sie auf der Homepage abschreiben/ ausdrucken
Fände ich als Schüler nervig, vor allem wenn ich gleich am nächsten Tag wieder Englisch hätte.
jens
Hallo.
Stöbere mal wieder auf Deiner Seite rum. Eine Frage: kommen neue Vokabeln, die in der Lektion neu eingeführ werden, auch zu dem Lesson Vocab?
Führst Du gar kein Vokabelheft? Wäre eine 3te Spalte für Beispiele, Bemerkungen etc. sinnvoll?
Gruß!
ein angehender Lehrer 🙂
Jochen
> kommen neue Vokabeln, die in der Lektion neu eingeführ werden, auch zu dem Lesson Vocab?
Falls ich sie an der Tafel einführe ja, falls nicht müssen diese Wörter als normaler Lektionswortschatz aus dem Buch gelernt werden.
> Führst Du gar kein Vokabelheft?
Ich überlasse es den Schülern, ob sie ein herkömmliches (kleines) Vokabelheft, Einzelblätter DIN A4 oder kleine Schmotzelzettel verwenden. Entscheidend ist, dass sie die Wörter können. Ich empfehle als Format DIN A4, entweder als Einzelblätter oder im Heft von hinten beginnend.
> Wäre eine 3te Spalte für Beispiele, Bemerkungen etc. sinnvoll?
Grundsätzlich JA. Ist in einem kleinen Vokabelheft aus Platzgründen aber schwierig. Nur: Woher kommen die „Beispiele, Bemerkungen etc.“? Diktiert die der Lehrer? Soll der Schüler sie sich selber ausdenken?
Gundula
Ich habe mir angewöhnt, prinzipiell nach Stundenende die Tafel zu fotografieren (die 2 MPix-Kamera im Handy reicht dafür) und später auf den PC zu laden. So weiß ich später immer genau, welche Vokabeln und inhaltlichen Punkte ich später abfragen kann, auch von denen, die eine Stunde versäumt haben.
Prinzipiell verlange ich, dass jedes Wort, das an der Tafel verwendet wird, auch gelernt wird. Meine Schüler wissen, dass ich das kontrolliere und sind so motiviert, sorgfältig mitzuschreiben und bei Verständnisproblemen gleich nachzuhaken.
Außerdem gibt es hinterher keine lästigen Diskussionen darüber, ob dies jenes tatsächlich besprochen worden wäre bzw. an der Tafel gestanden hätte.
Sisyphos
Ich fotographiere meine voc-Anschriebe auch nach der Stunde, ebenso die dynamischen (spontan erarbeiteten) Tafelbilder. Die Verarbeitung (runterladen – GIMP – Graustufen – Helligkeit/Kontrast –> schwarz-weiß Version – speichern mit Datum im Kursordner) zuhause geht schnell. Da ich eh immer mein Netbook dabei habe, gibt es kein Entrinnen vor diesen lessonvocab.
Hat jemand eine sinnvolle Idee für die Verwendung der Handy-Dictionaries in der Oberstufe ?
Jochen
Liest du bei der Abfrage in der nächsten Stunde dann die Wörter von deinem Handy ab (kannst du die überhaupt auf dem Bildschirm lesen?), hast du so ein gutes Gedächtnis oder schreibst du sie vom Handy nochmal ab?
Gundula
Nein, ich lade die Bilde zu Hause auf meinen PC. Der Bildschirm ist groß genug und die Fotos gut genug, so dass ich meinen Tafelanschrieb nachlesen und bei Bedarf weiterverarbeiten kann: Für Kurztests, in denen ich Vokabeln und wichtige Unterrichtsinhalte abfrage (z.B. Definitionen von wichtigen Begriffen, Kurzdarstellungen usw.).
Mündliche Vokabelabfragen habe ich bisher nicht gemacht. Ist meines Wissens an unserer Schule auch nicht üblich.
Sven Scheding
Hallo Jochen
Grundsätzlich gefällt mir die Idee, Lesson-Vocab auch selbst (als Lehrer) entsprechend zu notieren, sehr gut und geistert mir seit geraumer Zeit im Kopf herum. Ich habe ein ganz praktisches Problem und wäre auf Deine Lösung gespannt:
Ich unterrichte zur Zeit 6 verschiedene Englischkurse, 5 davon in der Oberstufe, teilweise parallel in einer Jahrgangsstufe. Wie pflegst Du Deine Din A‑4 Notizen? Jeweils einzelne Blätter, die dann später zusammengeheftet werden? Ringbuch? Ein Heft pro Kurs?
So blöd es klingt, aber meine diesbezüglichen Versuche scheiterten bisher an dem (für mich) nicht strukturierten Ordnungssystem. Blätter verschwanden, Kurse wurden durcheinandergebracht und unterbewusst fehlte wohl die letzte Selbstüberzeugung, dass das ganze klappen kann.
Das soll sich ändern! 😉
Jochen
> Wie pflegst Du Deine Din A‑4 Notizen? Jeweils einzelne Blätter, die dann später zusammengeheftet werden?
Da wird gar nichts „gepflegt“ 😉 Ich habe einzelne (linierte) DIN A4 Blätter. Auf die kommt als Überschrift die Bezeichnung des Kurses und dann neben das Tagesdatum die jeweiligen Wörter. Wenn Vorder- und Rückseite voll sind, kommt der Zettel (zusammen mit anderen Vocab-Sheets) in meine Hängeregistratur in eine Klarsichthülle „Zu Wiederholen“. Irgendwann gibt es dann eine HA: „Revise lesson vocab from x until y.“ bzw. der Wortschatz ist Stoff für eine Schulaufgabe/Klausur.