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Aufgeklärte Zweisprachigkeit

In Bay­ern ist der Unter­richt in den moder­nen Fremd­spra­chen „dem Prin­zip der ‚auf­ge­klär­ten Ein­spra­chig­keit‘ ver­pflich­tet.“ Und weil wir so auf­ge­klärt in Bezug auf die Rol­le der Mut­ter­spra­che beim Fremd­spra­che­n­er­werb sind, ist die Über­set­zung vom Deut­schen in die Fremd­spra­che „als Übungs- und Prü­fungs­form per se in kei­ner Jahr­gangs­stu­fe vor­zu­se­hen und kann in Leis­tungs­er­he­bun­gen allen­falls in sehr gerin­gem Umfang […] gefor­dert wer­den.“ (Quel­le S. 7)

Das ist zwar genau das Gegen­teil von dem was „auf­ge­klär­te Ein­spra­chig­keit“ for­dert – aber das macht nichts. Wir igno­rie­ren ein­fach sou­ve­rän Erkennt­nis­se der Sprach­er­werbs- und Hirn­for­schung, die z.B. besa­gen, dass im Anfangs­sta­di­um das Gehirn gar nicht anders kann, als an das neu­ro­na­le Netz der Mut­ter­spra­che anzu­do­cken und erst mit zuneh­men­der Kom­pe­tenz eige­ne neu­ro­na­le „fremd­sprach­li­che“ Ver­bin­dun­gen schafft (Quel­le).

Und weil nur „zur genu­in kon­tras­ti­ven Sprach­be­trach­tung“ über­setzt wer­den soll, darf seit der Ein­füh­rung des G8 darf in Bay­ern ab der 10. Klas­se in Prü­fun­gen mit dem zwei­spra­chi­gen Lexi­kon gear­bei­tet wer­den. (Zwar sol­len die Schü­ler auch wei­ter­hin ins ein­spra­chi­ge Lexi­kon ein­ge­führt wer­den, aber jeder Prak­ti­ker weiß, dass fast kein Schü­ler in einer Prü­fung frei­wil­lig in ein ein­spra­chi­ges Lexi­kon schaut, wenn gleich dane­ben das zwei­spra­chi­ge liegt.) Die Schü­ler de- und enko­die­ren also nur noch über das Deut­sche und wir sol­len mit ihnen auch den Umgang mit dem zwei­spra­chi­gen Lexi­kon üben, dür­fen aber gleich­zei­tig Über­set­zen NICHT üben und in Leis­tungs­er­he­bun­gen NICHT abprü­fen, ob die Schü­ler das Gelern­te auch anwen­den können.

Da ist es nur kon­se­quent, dass wir Wort­schatz nur noch „kon­tex­tua­li­siert“ ein­spra­chig abprü­fen, schließ­lich ler­nen die Schü­ler ihn ja zwei­spra­chig deutsch – englisch.

Und weil eine „funk­tio­na­le Fremd­spra­chig­keit“ des Unter­richts, die sich bewusst der Hil­fe der Mut­ter­spra­che bedient, so ver­werf­lich ist, machen wir die Media­ti­on zu einer  ver­pflich­ten­den Übungs- bzw. Prü­fungs­form. Sie ist zwar (auch wenn das gebets­müh­len­ar­tig behaup­tet wird) kei­ne „hoch rele­van­te Übungs- und Prü­fungs­form“, aber sie reha­bi­li­tiert immer­hin klamm­heim­lich die ver­pön­te deutsch – eng­li­sche Über­set­zung. Media­ti­on ist schließ­lich nichts ande­res als zusam­men­fas­sen­des, vul­go unge­nau­es Übersetzen.

Da rufen jetzt natür­lich empör­te Sprach­mitt­ler, dass Media­ti­on gera­de kei­ne Über­set­zung sei, son­dern, ähm, nun ja, irgend­wie was ande­res … Nur was? Schü­ler fas­sen Pas­sa­gen (auf deutsch) zusam­men und über­set­zen das dann ins Eng­li­sche. Man­che Pas­sa­gen müss­ten sie eigent­lich auch wört­lich über­set­zen, aber es gibt gott­sei­dank kei­ne Abzü­ge, wenn sie es (trotz zwei­spra­chi­gen Lexi­kons) nicht kön­nen, „sinn­ge­mäß“ reicht ja auch. Wir üben also anhand von deut­schen Tex­ten das Zusam­men­fas­sen und Über­set­zen Über­tra­gen ins Eng­li­sche, OHNE Über­set­zen zu üben.

Wie man hört, soll die doch etwas schwam­mi­ge Media­ti­on bald durch die Präd­ia­ti­on (präzise Media­ti­on) ersetzt wer­den. Natür­lich braucht auch sie eine kom­mu­ni­ka­ti­ve Einbettung:

„Stell dir vor, dein eng­lisch­spre­chen­der Aus­tausch­schü­ler sieht den fol­gen­den Text. Lei­der ist sein Deutsch nicht so gut, des­halb ver­steht er den Text nicht in allen Ein­zel­hei­ten. Er ist jedoch sehr gebil­det und inter­es­siert und möch­te den Text des­halb auch in sei­nen Details ver­ste­hen. Über­tra­ge den Text des­halb so wört­lich wie mög­lich ins Englische.“

Das eng­lisch-deut­sche Gegen­stück wird die Medi­la­ti­on sein, dabei wird der kom­mu­ni­ka­ti­ve Rah­men wie­der die inter­es­sier­te, aber lei­der des Eng­li­schen nicht mäch­ti­ge Groß­mutter sein, mit der man in der Welt herumreist.

Schließ­lich gibt es auch Plä­ne die gute alte Nach­er­zäh­lung in Form der gelenk­ten Text­re­kon­struk­ti­on wie­der­auf­le­ben zu las­sen. Hier­bei liest der Leh­rer wahl­wei­se eine eng­li­sche oder deut­sche Geschich­te vor und der Schü­ler muss sie in der jeweils ande­ren Spra­che nach­er­zäh­len. Die Lis­te der Haupt‑, Teil- und Sub­kom­pe­ten­zen, die dabei abge­prüft wer­den kön­nen, ist so lang, dass dafür hier kein Platz mehr ist.

 

 

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  1. max

    Und zur Reha­bi­li­ta­ti­on der Ver­si­on (E‑D): “Stell dir vor, dein Kol­le­ge, der zwar per­fek­tes Deutsch, aber wenig Eng­lisch beherrscht, sieht den fol­gen­den Text. Er ist jedoch sehr gebil­det und inter­es­siert und möch­te den Text des­halb auch in sei­nen Details ver­ste­hen. Über­set­ze den Text des­halb so wört­lich wie mög­lich und so frei wie nötig ins (Hoch-)Deutsche.”

    • Ich blei­be dabei: Die E‑D Trans­la­ti­on über­prüft in ers­ter Linie das DEUTSCHE Aus­drucks­ver­mö­gen (sie­he https://www.jochenlueders.de/?p=885), wäh­rend die D‑E Über­set­zung in ers­ter Linie das ENGLISCHE Aus­drucks­ver­mö­gen über­prüft und dar­um geht es uns doch als Eng­lisch­leh­rer, oder? 😉

      • max

        Dass die Ver­si­on (E‑D) frü­her über­be­tont wur­de, ist das eine. Dass sie heu­te ‚out‘ ist, hängt damit zusam­men, dass sich das deut­sche Aus­drucks­ver­mö­gen bei all­zu vie­len Gym­na­si­as­ten über die Jah­re spür­bar ver­schlech­tert hat, jeden­falls nach mei­nen Beob­ach­tun­gen. Und DAS geht uns als Gym­na­si­al­leh­rer, und letzt­end­lich auch als Eng­lisch­leh­rer, durch­aus etwas an! Die­se Ent­wick­lung wird durch die Wischi-waschi-Media­ti­on schön­ge­färbt. Ande­re Neue­run­gen haben die glei­che Ten­denz: münd­li­che Schul­auf­ga­ben, schr. zu mdl. 1:1 in Q11/12, …

  2. Sabine

    >Die ein­zi­ge Begrün­dung für die­se ein­schnei­den­de Ände­rung, , die ich jemals gele­sen habe, lau­te­te, dass baye­ri­sche Schü­ler gegen­über Schü­lern in ande­ren Bun­des­län­dern nicht benach­tei­ligt wer­den dürf­ten und Bay­ern des­halb in punk­to zwei­spra­chi­ges Lexi­kon “nach­zie­hen” müsse.

    Ah. Hin­ter die­ser Sache steckt eine lan­ge und sehr schö­ne Geschich­te, die erzäh­le ich dir mal bei einer Tas­se Kaffee.

  3. Philipp

    Dass die Zulas­sung von zwei­spra­chi­gen Wör­ter­bü­chern ein Feh­ler war wird im Minis­te­ri­um inof­fi­zi­ell frei­mü­tig ein­ge­räumt. Man kön­ne jetzt aber nicht mehr zurück. Das hat Herr MR Gru­ber schon ziem­lich am Anfang sei­ner Amts­zeit von sich gege­ben. Was der ursprüng­li­che Beweg­grund für die Ein­füh­rung war ist mir ziem­lich schlei­er­haft, mög­li­cher­wei­se tat­säch­lich der von dir hier ange­führ­te. Dass die Mut­ter­spra­che im moder­nen Fremd­spra­chen­un­ter­richt grund­sätz­lich so ver­pönt ist, fin­de ich auch ein Rie­sen­pro­blem. Ich selbst habe sehr gute Erfah­run­gen mit „kon­tras­ti­vem“ Arbei­ten gemacht. Wenn eine Struk­tur ähn­lich oder gleich wie in der Mut­ter­spra­che ist, kann ich die­se Tat­sa­che genau­so aus­nüt­zen, wie dass ich auf struk­tu­rel­le Unter­schie­de hin­wei­se. Zu glau­ben, dass der nor­ma­le Schü­ler im schu­li­schen Kon­text tat­säch­lich die Mut­ter­spra­che aus­blen­det, ist Unsinn. Genau­so ist es Unsinn, sich einen abzu­bre­chen irgend­wel­che kom­ple­xen Gram­ma­tik­struk­tu­ren in der FS zu erklä­ren. Ver­sucht mal die Ver­wen­dung von Pre­sent Per­fect auf Eng­lisch zu erläu­tern. Ich kann gut genug Eng­lisch, um das zu machen, die meis­ten mei­ner Schü­ler kön­nen aber nicht gut genug Eng­lisch, um mich wirk­lich zu ver­ste­hen. Let­zend­lich gilt es sogar auch wei­te­re Fremd­spra­chen: Wenn ich außer Eng­lisch noch Fran­zö­sisch, Spa­nisch oder Ita­lie­nisch unter­rich­te, ist es m.E. auch sinn­voll auf mög­li­che Ähn­lich­kei­ten zwi­schen dem Eng­li­schen und die­sen Spra­chen hin­zu­wei­sen. Wer die­se Sachen lernt kann Eng­lisch (außer F1 Schüler).

  4. Der von Butz­kamm & Cald­well (2009) gefor­der­te Para­dig­men­wech­sel wird auch inter­na­tio­nal kom­men, wie’s Amen in der Kir­che. Aber wir brau­chen nicht ein biss­chen mehr Mut­ter­spra­che hier und ein biss­chen mehr Fremd­spra­che dort. Leh­rer müs­sen effek­ti­ve bilin­gua­le Arbeits­for­men ken­nen und rich­tig anwen­den, natür­lich zusam­men mit mono­lin­gua­len. Dit­to bilin­gua­le und mono­lin­gua­le Arbeits­ma­te­ria­li­en. Der Weg zum ein­spra­chi­gen Wör­ter­buch führt über das zweisprachige.
    Spä­ter wird man sich fra­gen, wie’s zu die­ser kol­lek­ti­ven Selbst­täu­schung in Sachen Mut­ter­spra­che kom­men konn­te und wie sich ein so kata­stro­pha­ler Irr­tum so lan­ge hal­ten konnte.

  5. Wolfgang Butzkamm

    Klei­ner Nach­trag: Wenn es um das Schrei­ben eige­ner Tex­te auf der Ober­stu­fe oder im Stu­di­um geht, wür­de ich das zwei­spra­chi­ge Wör­ter­buch in Kom­bi­na­ti­on mit einem Kol­lo­ka­ti­ons­wör­ter­buch emp­feh­len. Das bes­te scheint mir z.Zt. das Oxford col­lo­ca­ti­ons dic­tion­a­ry for stu­dents of Eng­lish zu sein. Letz­te­res hat mir unge­mein bei mei­nen eige­nen eng­lisch­spra­chi­gen Arti­keln gehol­fen. Ein ech­ter Fortschritt.

  6. Blitzmerker

    Die Kul­tus­mi­nis­te­ri­en sen­ken das Niveau, um mehr Abitu­ri­en­ten zu pro­du­zie­ren. Ich plä­die­re jetzt auch dafür Media­ti­ons­übun­gen abzu­schaf­fen, die bei zwei­spra­chi­gen Lexi­ka über­flüs­sig gewor­den sind, es sei denn man erhöht den Schwie­rig­keits­grad, um die schnel­len Wör­ter­buch­le­ser von den lang­sa­men Wör­ter­buch­le­sern zu sepa­rie­ren. Albern.

  7. @Blitzmerker: Das Wör­ter­buch macht die Arbeit bei der Media­ti­on nicht allein. Die Leis­tung, Über­flüs­si­ges und Bei­spie­le weg­zu­las­sen und sich auf das Wesent­li­che zu kon­zen­trie­ren sowie die kom­mu­ni­ka­ti­ve Ein­bet­tung zu berück­sich­ti­gen, muss der Schü­ler selbst erbringen.
    Außer­dem bit­te den Zeit­fak­tor berück­sich­ti­gen. Sicher hilft das Wör­ter­buch bei etwa einer Hand­voll Wort­schatz­pro­ble­men, aber wenn ein leis­tungs­schwa­cher Schü­ler alles nach­schla­gen will, was er nicht weiß, dann wird er nie­mals die gan­ze Auf­ga­be bewäl­ti­gen können.
    Ich sehe die Ver­wen­dung eines Wör­ter­buchs nicht so nega­tiv. Es wäre ein­fach unrea­lis­tisch, so zu tun, als ob ein Schü­ler im „rich­ti­gen Leben“ kei­ne Mög­lich­keit hät­te, Wort­be­deu­tun­gen nach­zu­schla­gen. Die Mög­lich­kei­ten sind viel­fäl­tig: mobi­ler Zugriff aufs Inter­net (etwa ldoceonline.com) via Smart­phone oder Tablet-Com­pu­ter, elek­tro­ni­sches Wör­ter­buch im Taschen­rech­ner­for­mat oder – ja – gedruck­te Wör­ter­bü­cher, die evtl. im Büro ste­hen, in dem ein Text erstellt wer­den muss.

  8. Jo Perrey (m.)

    Da geht ja rich­tig herz­er­fri­schend was ab bei Euch im Frei­staat. Anders als hier in NRW. Das Eng­lisch-Abi ist natür­lich auch in Bay­ern ein Kunst­pro­dukt – was nichts mit Kunst zu tun hat. Die Fra­ge, die sich mir zual­ler­erst auf­drängt, ist, ob Über­set­zung, „Dol­met­schen“ oder Media­ti­on (was ist das genau, sowas haben wir hier nicht) als Fer­tig­kei­ten tat­säch­lich ver­mit­telt und trai­niert wur­den. Wie schon längst hier bemerkt, auch vom Autor des Blogs, scheint es der Kul­tus­be­hör­de doch um das Abprü­fen von prä-intel­lek­tu­el­lem Möch­te­gern-Gewäsch zu gehen, das vor­ne und hin­ten der Basis ent­behrt und also nicht geleis­tet wer­den kann, vor allem nicht in 120 Minuten.
    Ansons­ten pflich­te ich in allen Punk­ten Herrn Butz­kamm zu, der gott­sei­dank immer noch uner­müd­lich am Ball ist.

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