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Read and Not Read

Die meis­ten Bücher, die mei­ne Kin­der im Unter­richt „gele­sen“ haben, haben sie in Wirk­lich­keit nie gele­sen. Wiki­pe­dia, Spar­kNo­tes und ähn­li­che Stu­dy Gui­de Web­sei­ten mit Zusam­men­fas­sun­gen haben fast immer aus­ge­reicht, um im Unter­richt mit­re­den zu kön­nen und in Klau­su­ren ordent­li­che Punk­te zu erzielen.

Vie­le Kollegen/innen kla­gen zwar dar­über, dass ihre Schü­ler die Bücher nicht mehr wirk­lich lesen, tun aber nichts dage­gen. Dabei bräuch­ten sie doch ledig­lich (z.B. beim münd­li­chen Aus­fra­gen in der nächs­ten Stun­de) Fra­gen zum Inhalt zu stel­len, die so detail­liert sind, dass man sie ohne genaue Lek­tü­re nicht beant­wor­ten kann.

Hier ein kon­kre­tes Bei­spiel aus „Never Let Me Go“ (NLMG) von Kazuo Ishi­gu­ro (pp. 49–109):

  • What’s the “secret guard business”?
    pp. 49–52 “a plot to kid­nap Miss Geral­di­ne” hor­ri­ble woods play a role, kids spe­cu­la­te about “sworn enemies”
  • Speak about “the pen­cil case”.
    pp. 56–60 Ruth bought it at the Sales, but pre­tends that she got it from Miss Geral­di­ne. Kathy checks regis­ter, Kathy “bluffs” to find out the truth, result: Ruth is “upset”, “at a com­ple­te loss of words” and “on the ver­ge of tears”
  • What role does the tape play for the novel?
    pp. 64–69 one track “Never Let Me Go”  gives the title
  • Speak about smo­king at Hailsham.
    p. 67 “guar­di­ans were real­ly strict abou smo­king”, pic­tures torn out of books, no pic­tures e.g. of wri­ters with ciga­ret­te allowed
  • Miss Lucy makes an important speech. What does she say?
    p. 80 that the pur­po­se of their lives is to “dona­te their vital organs”
  • Say some­thing about the sex lectures.
    p. 82 they have to be careful with whom they have sex in the out­side world
  • What’s the “unzip­ping stuff”?
    pp. 83–87 Tom­my has a gash / wound at the elbow, others tease him that skin might unzip, beco­mes a “run­ning joke” that they might “unzip a bit of yours­elf” e.g. a kidney
  • Why do you think Miss Lucy lea­ves Hailsham?
    pp. 108–109 said too much to the stu­dents, talk with Tom­my about art as neces­sa­ry “evi­dence”

Damit die Schü­ler über­haupt eine Vor­stel­lung davon bekom­men, was von ihnen an Text­kennt­nis erwar­tet wird, bekom­men sie zusam­men mit der ers­ten Haus­auf­ga­be („Stu­dy the first four chap­ters pp. 3–48“) die Auf­ga­be, drei ihrer Mei­nung nach ange­mes­se­ne Fra­gen auf einem extra Zet­tel zu notie­ren. In der nächs­ten Stun­de sam­me­le ich die Zet­tel ein, lese die Auf­ga­ben vor, wir bespre­chen sie und ich kom­men­tie­re die Ange­mes­sen­heit (z.B. „I would­n’t ask such a tiny detail“). Wenn die Schü­ler schon Übung dar­in haben Fra­gen zu einem Text zu fin­den, klappt das nor­ma­ler­wei­se problemlos.

Die „Detail­ge­nau­ig­keit“ hängt natür­lich unmit­tel­bar vom Umfang der Lek­tü­re ab. Je weni­ger Text, des­to prä­zi­ser kann ich fra­gen, je mehr Text, des­to weni­ger Details kann ich ver­lan­gen. Von NLMG habe ich von Monn­tag auf Don­ners­tag (bzw. von Don­ners­tag auf Mon­tag) ca. 40–50 Sei­ten (abhän­gig von Kapi­teln bzw. Tei­len) aufgegeben.

Natür­lich über­prü­fe ich Text­kennt­nis auch immer mal wie­der in klei­nen Tests. Da die­se „klei­nen Leis­tungs­nach­wei­se“ mög­lichst kor­rek­tur­freund­lich sein sol­len, ver­wen­de ich häu­fig Mul­ti­ple Choice Auf­ga­ben, bei denen der Schü­ler ledig­lich den Buch­sta­ben der rich­ti­gen Ant­wort hin­schrei­ben soll. Beispiel:

1. What’s the “secret guard busi­ness”? a) Miss Emily’s secret plan to hire more guards, b) A plot to kid­nap Miss Geral­di­ne, c) A secret plan of the guar­di­ans to mani­pu­la­te the child­ren, d) A plan to use older stu­dents as guards Rich­ti­ge Ant­wort: b)

Natür­lich soll­ten vier Mög­lich­kei­ten plau­si­bel klin­gen, sonst wird’s zu leicht.

Wenn man kei­ne Lust hat die Fra­gen sel­ber zu erstel­len, kann man die­se Auf­ga­be auch an die Schü­ler dele­gie­ren. Je nach Län­ge des Buches (bzw. Zahl der Kapi­tel) und der Grö­ße des Kur­ses muss jeder Schü­ler eine bestimm­te Anzahl von Sei­ten / Kapi­teln über­neh­men und eine (vor­her fest­ge­leg­te Zahl) an Fra­gen zusam­men mit einer (stich­wort­ar­ti­gen) Mus­ter­lö­sung erstel­len. Am bes­ten schi­cken die Schü­ler ihre Datei mit den Fra­gen per Mail, dann kann der Leh­rer alles bequem in eine Datei zusam­men­ko­pie­ren. Die Schü­ler-Vor­schlä­ge muss man natür­lich über­prü­fen und ggf. über­ar­bei­ten, aber dann hat man schon mal etwas in der Hand, wenn man das­sel­be Buch das nächs­te Mal behan­deln will bzw. muss.

Der Titel spielt auf das „being told and not told“ an, das sowohl für die Hand­lung als auch die Erzähl­wei­se von NLMG eine gro­ße Rol­le spielt.

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  1. Sibylle Hunziker

    Bin voll­um­fäng­lich mit dem oben Gesag­ten ein­ver­stan­den. Oft möch­te ich aber auch über­prü­fen, ob mei­ne Schü­ler gan­ze Wer­ke aus­ser­halb des Unter­richts gele­sen haben. Dann wird es schwie­rig, mit blos­sen Mul­ti­ple-choice Fra­gen zu tes­ten, da die­se zu sehr ins Detail gehen und ich nicht von mei­nen Schü­lern erwar­ten kann, dass sie sich nach Wochen der Lek­tü­re noch an sämt­li­che Details erin­nern. Das tue ich näm­lich auch nicht. Alter­na­ti­ven? Ein münd­li­cher Test bie­tet sich an, wo nur 1–2 Sei­ten im Detail zur Dis­kus­si­on kom­men. Womit wir wie­der bei Wiki­pe­dia und Spar­kNo­tes ange­langt wären … Stellt sich ein Schü­ler eini­ger­mas­sen geschickt an, schafft er mit­tels Lek­tü­re von Zusam­men­fas­sun­gen eine genü­gen­de Note. Ein ewi­ges Dilemma…

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