Update: Den Artikel, auf den ich mich im Folgenden beziehe, gibt es im Original nicht mehr, er wurde „überarbeitet“.
Wer Klaus Wendels Blog halbwegs regelmäßig liest, hat gelernt, dass Tango waaahnsinnig kompliziert ist. Selbst vermeintliche einfache Bewegungen wie Gehen oder Ochos sind in Wahrheit derart komplex, dass „kaum jemand“ sie in Worte fassen bzw. erklären kann. Immer wieder möchte man ihm mit Wittgenstein zurufen: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“
Aber Wendel gibt nicht auf, furchtlos versucht er immer wieder das „Unsagbare“ in Worte zu fassen. Zwar hat er in seinem ersten Beitrag geradezu programmatisch verkündet „Ich habe deshalb aufgehört, Tango-Bewegungsanweisungen schriftlich zu verfassen“, aber das hält ihn nicht davon ab, genau das immer wieder zu tun. Auch in seinem (inzwischen überarbeiteten) Artikel über Spiraldynamik möchte er mit Hilfe „besserer Bilder“ Klarheit schaffen. Sein Motto ist dabei: „Sprache darf […] einladen statt befehlen“. Das Ergebnis sind Sätze wie diese hier:
Beim Vorwärts-Ocho „wird aus dem scheinbaren Vorwärtsschritt ein spiraliges Umschlingen des gemeinsamen Raumes“. Dazu muss der Brustkorb in die neue Richtung „atmen“ und das Becken „nachwickeln“.
Beim Rückwärts-Ocho soll man an „Rückwärts einparken“ denken: „Der Oberkörper bleibt aufmerksam auf den Partner ausgerichtet, wie der Blick in den Rückspiegel, während das Becken die Karosserie sanft um die eigene Achse führt.“ Dabei muss man die „spiralige Freigabe aus dem Standbein organisieren“.
„Der räumliche Bezug [der Folgenden] definiert sich um den Partner, nicht in den äußeren Raum. Wer den Blick zuverlässig in Richtung der Körpermitte des Partners hält, verankert sich funktional an der gemeinsamen Achse.“ [Soll sie auf seinen Bauch schauen?] […] „Die Folgende [sieht] gleichsam durch den Partner in die Richtung, die er öffnet.“
Was auf den ersten Blick wie eine durchgeknallte KI klingt, ist in Wahrheit eine hochkomplexe Verwendung von Sprache. Wie Wittgenstein lehnt Wendel die „realistische Theorie der Bedeutung“ und den „logischen Atomismus“ ab. Er verwendet vielmehr eine „Privatsprache“, bei der, nach Wittgenstein, nur der Sprecher selbst um die Bedeutung der Worte wissen kann. Wendels kühne Metaphern orientieren sich außerdem ganz offensichtlich am Dadaismus: „Dadaistische Werke sind bekannt für ihre Absurdität, ihren Humor und den Einsatz von Nonsens. Dazu gehören Montagepoesie und Lautgedichte, die sich auf Klang und Rhythmus konzentrieren, anstatt auf traditionelle Sprache und Grammatik.“ Es geht Wendel also nicht um traditionellen „Sinn“ und „Verstehen“, sondern um den „einladenden“ Klang und Rhythmus seiner Sprachkreationen. Hier noch ein paar weitere Beispiele:
„Das Becken [gestaltet] den Raum, in den die Schritte gelegt werden.“
„Übermäßige Kognition stört das implizite Gleichgewicht.“ [Und was ist mit dem expliziten Gleichgewicht?]
Wer einen Boleo falsch ausführt, „schafft gefährliche Unschärfe im Raum“.
„Ein zart getrennter Kopf erlaubt es dem Führenden, die Richtung explizit „aufzumachen“, statt sie implizit aus Brust oder Becken zu erraten.“
„Der Körper organisiert Unteransteuerung automatisch.“ [Und was ist mit der Oberansteuerung?]
„Der Blick zeichnet im Raum eine neue Richtung, der Brustkorb folgt wie ein Kompass, das Becken antwortet mit einer leisen Verschraubung, und erst am Schluss rollt der Fuß in die Spur.“
Beim Giro soll man den „Saturnring“ spüren und die „Spiralspannung tragen“.
Jetzt sind hoffentlich alle Fragen beantwortet und alle Unklarheiten beseitigt.
Klaus Wendel
Der Artikel über „Sprialdynamik“ ist wieder online:
https://www.tangocompas.co/gedanken-ueber-tango-unterricht-25-teil/
Klaus Wendel
Hinweis: Der ursprünglich veröffentlichte Teil 24 der Reihe „Gedanken über Tango-Unterricht – Tango & Spiraldynamik“ wurde gelöscht, da es berechtigte Kritik an einzelnen Formulierungen und deren Verständlichkeit gab. Um die Reihenfolge beizubehalten, wurde dieser Beitrag von Teil 25 in Teil 24 umbenannt. In Zukunft werde ich mich um schlichtere Formulierungen bemühen. Falls ältere Links oder Zitate dadurch ins Leere führen, bitte ich um Verständnis.
Anonym
Hallo Brigitte und andere,
Ich möchte noch einmal betonen: Die Reihe „Gedanken über Tango-Unterricht“ ist kein Ersatz für Tanzstunden oder Video-Tutorials. Es sind Reflexionen über Themen im Tango und im Unterricht, die manchmal auch komplexe Bewegungsbeschreibungen enthalten. Es sind keine „Betriebesanleitungen“ wie zum Beispiel Jochens Anleitung zum „Einheits-Ocho-Cortado“,
Begriffe wie „Schrittskelett“ habe ich nicht willkürlich erfunden, sondern u. a. von Daniel Trenner übernommen. Dort wird beschrieben, wie der Tanz aus drei Ebenen besteht:
1. das Gehen der Folgenden als Skelett des Tanzes,
2. die Schritte des Führenden in die entstehenden Räume,
3. die Verzierungen, die beide hinzufügen.
Darum geht es mir in meinen Texten: Gedanken zu teilen und Begriffe zur Diskussion zu stellen – nicht um normierte Anleitungen.
Brigitte
Mir ist völlig egal, ob du deine Begriffe selber erfindest oder von jemand anderem übernimmst. Ich verlange von einem Lehrer, dass er sich vernünftig und verständlich ausdrückt. Und ich bin eine ‚Frau‘, ‚Tanzpartnerin‘, zur Not noch ‚Folgende‘ bzw. ‚Follower‘, aber ganz sicher keine „Korrespondierende“ (denn ich „korrespondiere“ beim Tanzen nicht). Und im Zusammenhang mit meinen Schritten möchte ich auch nicht mit einem „Skelett“ in Verbindung gebracht werden.
Klaus Wendel
Du verstehst es immer noch nicht: Ich bin auf meinem Blog kein Tango-Lehrer, der anderen Tango vermittelt. Du kennst auch meinen Unterricht nicht solltest deshalb auch nicht von Blogbeiträgen auf meinen Unterricht schließen. Und was Deine Aversion von Begriffen angeht, die Du mit seltsamen Kontexten vermischt und deshalb offenbar nicht verstehst, solltest Du stattdessen mal ein wenig herunterfahren und darüber nachdenken, was Dir für eine Laus über die Leber gelaufen ist. Oder verstehst Du Dich als Leserin gleichzeitig auch als Tanzschülerin?
Brigitte
„Du kennst auch meinen Unterricht nicht solltest deshalb auch nicht von Blogbeiträgen auf meinen Unterricht schließen.“
Wenn du z.B. schreibst „Die analytisch-synthetische Methode, wie beim „Tangodiscovery ® Lernsystem“ von Mauricio Castro […] wird von mir seit Jahren in Teilen umgesetzt.“ sollte man daraus natürlich nicht auf deinen Unterricht schließen. Und auch eine These wie „Musik sollte im Anfänger-Unterricht vor der Technik stehen. Nicht umgekehrt.“ hat nichts mit deinem Unterricht zu tun. Und wenn du dich auf deine „langjährige Erfahrung als Tangolehrer“ berufst, tust du das natürlich nicht als Tangolehrer.
Unser Austausch ist hiermit beendet, ich habe einfach keine Lust mehr auf diesen Quatsch.
Klaus Wendel
Austausch?
Thomas
„ich habe einfach keine Lust mehr auf diesen Quatsch.“
Dito. Wendel bringt es (am 15.4.25) ja auf den Punkt: „Natürlich bin ich […] kein guter Schreiber“, d.h. Logik, Kohärenz, Verständlichkeit usw. sind ihm völlig egal. Sehr schön auch: „Ich habe etwas zu sagen oder auch nicht.“ Ich habe mich für „auch nicht“ entschieden.
Jochen Lüders
> Jochens Anleitung zum „Einheits-Ocho-Cortado“
Offenbar verstehst du einfach nicht, was eine „methodische Reihe“ ist. Mein Beitrag ist lediglich ein Beispiel dafür, wie man Bewegungen/Schritte im Tango didaktisch-methodisch sinnvoll unterrichten könnte. Und wenn du bis zum Ende gelesen hättest, hättest du gesehen, dass ich lediglich die Grundform des Ocho cortado beschrieben habe, die natürlich unterschiedlich variiert werden kann. An keiner Stelle fordere ich, dass in Zukunft alle nur noch diese „Einheits“-Grundform tanzen sollen.
Ganz im Gegenteil, ich finde diese Figur eher doof und habe sie lediglich als Beispiel genommen, weil das eine der wenigen „Figuren“ ist, die in dem reduzierten „Neoclassic“ (?) Tanzstil überhaupt noch getanzt werden.
Klaus Wendel
Hallo Jochen,
erstmal, des Respekts wegen, der Dir zumindest in Kommentaren fremd zu sein scheint, bitte ich Dich, Deinem Gegenüber nicht ständig Unverständnis vorzuwerfen.
Denn ich habe das schon verstanden. Ich habe auch nicht Deinen Versuch einer Beschreibung einer methodischen Reihe kritisiert, sondern Deine missglückten Versuche, selbst die einfachsten Bewegungen zu beschreiben. Setzt Du da also Wissen des Lesers als Tangolehrer oder langjähriger Tänzer voraus? Aber selbst dann werde ich aus Deinem Formulierungs-Kuddelmuddel nicht schlau. Zumindest mutest Du mir dabei wirklichen good will zu, den ich eigentlich von einem Bloggerkollegen auch erwarten könnte. Auch stelle ich Dein ocho-cortado-Unterrichts-Konzept infrage. Aber ich lasse es Dir.
Dann gesteh mir bitte auch diese Toleranz zu.
Was ich eigentlich an Dir kritisiere, ist die Angewohnheit, von anderen immer eine sofort verständliche Beschreibung zu verlangen, aber Deine ziemlich brüske Ablehnung kundzutun, wenn sie Dir zu kompliziert erscheint – während Du selbst nicht in der Lage bist, eine verständliche abzuliefern. Ich habe Dir etliche Beschreibungen und Tango-Abhandlungen auch von anderen Autoren geschickt, die Du aber voreilig ablehntest, wenn sie nicht in Dein Konzept zu passen schienen. Zum Beispiel Übungsmatrizen: für Dich „unverständlicher Blödsinn“, für Profis sind sie die Basics. Aber aus Unkenntnis machst Du Dich darüber lustig und hältst Dein Ocho-Cortado-Konzept sogar für einen Geniestreich. Deine „Tango-Wissens-Blockadehaltung“ bringt Dich aber auch keinen Schritt weiter. Stattdessen hältst Du Dich mit Formulierungskritik an fremden Artikeln auf Trab – nur, weil ich Dir mal meine Meinungen zu bestimmten Dingen gesagt habe. Mit anderen Meinungen kannst Du aber offensichtlich nicht gut umgehen.
Sorry, aber noch eine Gegenfrage als Bloggerkollege: Warum machst Du dann keine Videos über diesen Ocho-Cortado-Unterricht? Das war doch erst im Jahre 2024?
Thomas
Ich habe mal die KI gefragt, was Wittgenstein wohl über Tango gesagt hätte:
„Ludwig Wittgenstein hat sich nicht explizit zum Tango geäußert, da dieser Tanz und seine kulturellen Implikationen nicht im Zentrum seiner philosophischen Arbeit standen. Seine Philosophie drehte sich vor allem um Sprache, Logik und die Grenzen des Sagbaren. Man kann aber spekulieren, wie er den Tango philosophisch betrachtet hätte:
Wittgenstein betonte in seinem frühen Werk („Tractatus logico-philosophicus“), dass man nur über das sprechen kann, was klar dargestellt und abgebildet werden kann. Gefühle und ästhetische Erfahrungen wie beim Tango fallen eher in einen Bereich, der sich nicht in klaren Sätzen ausdrücken lässt sondern eher „erschwiegen“ wird.“
DAS ist es doch: Das ERSCHWEIGEN des Tangos. 😉
Brigitte
Ich frage mich immer wieder, ob er diesen prätentiösen Käse auch wirklich so unterrichtet. Spätestens wenn jemand anfängt vom „Schrittskelett der Korrespondierenden“ zu schwafeln, würde ich denken, dass er nicht mehr alle Tassen im Schrank hat und würde gehen.
Thomas
Wahnsinnig komisch ist ja auch, wenn Wendel klagt, dass seine „SACHbeiträge“ (!) weniger Resonanz bekommen als seine kindische Fehde mit Gerhard Riedl.
Jochen Lüders
Ganz große Kunst sind ja auch seine „Übungs Matrizen“ (in https://www.tangocompas.co/gedanken-ueber-tango-unterricht-10-teil‑2/). Die „helfen dabei, nicht den Überblick zu verlieren“ und „schaffen Ordnung“. Im Jahr 2025 muss man erstmal auf die Idee kommen, KEIN Video zu machen.
Thomas
Also ich finde die Schritt-Diagramme in https://www.tangocompas.co/gedanken-ueber-tango-unterricht-7-teil/ noch besser. 😉 Sowas hab ich zuletzt in den 80ern gesehen.
Klaus Wendel
Hallo Thomas, Hallo Jochen,
1. habe ich in diesem Beitrag (und auch in anderen) Bewegungsbeispiele mit Videos ergänzt.
2. sind Schritt-Diagramme auch noch Mitte 2000 im Buch „Die Struktur des Tangos“ von Mauricio Castro erschienen:
„Tango. Die Struktur des Tanzes I“ erschien in der 1. Auflage im Jahr 2000.
schmetterling-verlag.de
Der Band „Tango. Die Struktur des Tanzes II – Die Matrix“ erschien 2003.
Für Laien, wie Dich, scheinen sie Hieroglyphen zu sein, für manche, die sich jahrelang damit beschäftigen, wohl nicht.
3. wird mein Blog trotz – vielleicht– komplexer Sprache erstaunlicherweise mit 300–400 Lesern (laut Matomo-Analyse-Tool) viel gelesen.