Du hast gerade dein Referendariat beendet, denkst mit Grausen an die Zukunft und fragst dich, wie du die Arbeitsbelastung einer Vollzeitstelle überhaupt packen sollst? Oder: Du bist schon seit kurzem im Job, fühlst dich aber ständig am Limit und erkennst, dass es so nicht weitergehen kann.
Du hast im Referendariat alles Mögliche gelernt, nur mit großer Wahrscheinlichkeit nicht, wie man ÖKONOMISCH arbeitet, um (gerade mit Killer-Kombination wie E/D und E/F) überhaupt zu überleben. Im Folgenden ein paar ganz konkrete Tipps.
Inhalt
Unterrichtsvorbereitung
Mit großer Wahrscheinlichkeit bist du bislang endlos lange an der Vorbereitung deiner (wenigen) Stunden gesessen, alles sollte / musste perfekt werden. Von diesem Ideal solltest du dich ganz schnell verabschieden. Für die nähere Zukunft reicht es, wenn deine Stunden „ordentlich“ sind. Wenn du mal mehr Routine hast und jede Klasse wenigstens einmal gehabt hast, hast du immer noch genügend Zeit deine Didaktik / Methodik zu verbessern. Viele Tipps für eine ökonomische Unterrichtsvorbereitung findest du in diesem Artikel.
Grammatik-Handouts
Höre SOFORT auf eigene Grammatik-Handouts (zum Gebrauch der Zeiten, Bedingsungssätze, Adjektiv vs. Adverb etc.) zu erstellen. All diese Zusammenstellungen / Übersichten gibt es schon längst und zwar inhaltlich und layoutmäßig deutlich besser als du es hinkriegst, nämlich im Buch, im grammatischen Beiheft, in der Grammatik bzw auf englisch-hilfen. Und, nein, deine Schüler verstehen das present perfect progressive nicht besser, wenn sie es auf einem mühsam von dir erstellten Handout mit allen möglichen Verzierungen, Sprechblasen-Männchen und motivierenden Sprüchen präsentiert bekommen.
Grammatik-Arbeitsblätter
Höre SOFORT auf eigene Grammatik-Arbeitsblätter zu erstellen. Auch die gibt es bereits in Hülle und Fülle, von professionellen Autoren erstellt, besser als du es jemals kannst. Inzwischen ist das begleitende Übungsmaterial zu den eingeführten Büchern mehr als ausreichend, falls du dort nicht fündig wirst, nimmst du Übungen z.B. aus dem CEG Practice Book.
KoSchneiLa
Auch bei allen anderen (Übungs-)Materialien solltest du kritisch das Verhältnis von Aufwand und Ertrag analysieren, besonders wenn es um exzessives Kopieren, Schneiden und Laminieren geht. Bedenke: Bedingungssätze werden nicht dadurch interessanter, dass du in zeitraubender Fummelei einzelne Sätze kopierst, zerschnippelst und laminierst und die Schüler die Sätze wieder zusammensetzen lässt.
Aufgaben zu Hörverstehensübungen
… machen extrem viel Arbeit. Auch hier schaust du erstmal, was es bereits an fertigen Materialien von den Verlagen bzw. Kollegen gibt. Auch ohne schriftlichen Aufgabenapparat kannst du listening comprehension üben.
Aktuelle Texte
Sei ab jetzt sehr zurückhaltend mit aktuellen Texten. Einen Text einfach nur zu kopieren und als study HA aufzugeben ist natürlich kein Problem. Aber zeitaufwändig wird es bereits, wenn du ihn bearbeitest / kürzt, schön (in zwei Spalten) formatierst, Bilder hinzufügst usw. Noch mehr Zeit vergeudest du, wenn du auch noch ein eigenes Arbeitsblatt erstellst. Bedenke, dass du all diese Sachen genau EINMAL verwenden kannst – das ist extrem unökonomisch. Investiere ab sofort nur noch Zeit und Arbeit in Materialien, die du MEHRFACH einsetzen kannst. Mehr zu diesem Thema hier.
Stegreifaufgaben
Höre SOFORT damit auf (bzw. fange gar nicht erst an) in Stegreifaufgaben / kleinen Vokabeltests kontextualisierte Aufgaben zu erstellen. Die dauern ewig und meistens bringt man die Wörter, die man gerne abprüfen möchte, eh nicht unter. Viele weitere Tipps zu Stegreifaufgaben findest du hier.
Schulaufgaben/Klausuren
Hör SOFORT auf damit, Schulaufgaben / Klausuren komplett neu zu erstellen. Bedenke, dass Kollegen/innen zum Teil schon seit Jahrzehnten gute Klausuren zu allen nur erdenklichen Themen schreiben lassen. Versuche immer erst diesen Fundus zu nutzen, bevor du selber etwas erstellst. Werden an deiner Schule Schulaufgaben / Klausuren in einem Ordner gesammelt? Dann sollte das deine erste Anlaufstelle sein. Noch besser ist natürlich ein digitaler Aufgaben-Pool. Von den Verlagen gibt es meistens Vorschläge für Schulaufgaben, mit großer Wahrscheinlichkeit kannst du zumindest ein paar Aufgaben übernehmen. Besonders viel Zeit und Arbeit sparst du wieder, wenn du die kontextualisierten Wortschatz-Aufgaben übernimmst. Such dir (jüngere) Kollegen, mit denen du regelmäßig deine Schulaufgaben und Materialien austauscht. Sprich ggf. ältere kooperative Kollegen an, ob sie dir nicht vielleicht eine Klausur zum Thema XY schicken könnten. Die Aussicht auf massive Zeitersparnis ist das Risiko einer Abfuhr meistens wert.
Korrigieren
Mit großer Wahrscheinlichkeit hast du im Referendariat Korrekturverfahren gelernt, die zwar sehr gründlich, aber völlig untauglich für die Praxis (mit mehreren 30+ Klassen) sind, wie z.B. zwei Durchgänge, Anmerkungen in Bleistift, die man später wegradiert, Anmerkungen auf extra Papier usw. Vergiss diese ganzen Sachen SOFORT, dein Ziel sollte ab sofort nur noch EIN Korrekturdurchgang sein. Wie das geht erfährst du hier.
Um nicht missverstanden zu werden: Natürlich darfst du gerne einen aufwändigen Lernzirkel, eine Webquest, ein worksheet zu einem Hörtext oder was auch immer zu einem aktuellen Thema machen. Solange es dir Spaß macht und du die entsprechende Zeit hast – kein Problem. Wenn du aber eh schon am Limit bist und bis oben hin mit Vorbereitung und Korrekturen ausgelastet bist, ist das einfach Unsinn. Merkwürdigerweise kommen die aufwendigsten Materialien oft von Leuten, die eh schon am Rande des Burnout balancieren sind und von daher eigentlich am gründlichsten nachdenken müssten, ob es sich lohnt in etwas Zeit und Arbeit zu investieren oder nicht. Nervig wird es allerdings, wenn ausgerechnet diese Kollegen permanent jammern, wie überlastet sie sind.
Bedenke immer, dass die wichtigste Voraussetzung für guten Unterricht ist, dass du ausgeruht, fit und ausgeglichen ins Klassenzimmer kommst. Und dafür ist es wichtig, dass du neben der Schule noch genügend Zeit für Sport, Hobbies, Freunde und deinen Partner bzw. deine Familie hast. Niemandem ist damit gedient, wenn du wieder mal bis tief in die Nacht an irgendwelchen Handouts, Arbeitsblättern etc. gesessen bist und deshalb am nächsten Tag unausgeschlafen und übellaunig vor der Klasse stehst.
Elisabeth
Wunderbar gesagt und viele Tipps, die mir jemand vor 28 Jahren hätte geben sollen! Werde sie spätestens Ende des Schuljahres an meine Praktikantin weitergeben. ;-)))