Ich bin ein Überbleibsel der KREIDEzeit und einer der letzten überlebenden Ritter der TAFELrunde mit ihrem Leitspruch „Talk’n’Chalk“. Meiner Meinung nach ist eine richtige Tafel dem normalen (also NICHT „interaktivem“) Whiteboard und der Projektion mit Beamer weit überlegen. Mit „richtiger“ Tafel meine ich die gute, alte dreiteilige Tafel mit großer Tafel in der Mitte und einer kleineren, klappbaren Tafel auf jeder Seite. Neuere Tafeln (z.B. mit nur zwei Tafeln nebeneinander) sind meiner Meinung nach Murks und haben gegenüber der bewährten dreiteiligen Tafel keinerlei Vorteile. Wenn ich im Folgenden über Beamer schreibe, geht es ausschließlich um TEXT, also nicht um die Projektion von Bildern, Photos, Videos etc.
Wie ein typischer Tafelanschrieb bei mir aussieht, siehst du hier.
Mit der richtigen Technik bekommt man eine herkömmliche Tafel ohne große Mühe sauber. Bei allen mir bekannten Whiteboards ist das nicht so einfach. Wenn man nur mit Papier wischt, bleibt immer ein ekliger, grauer Schmierfilm zurück. Spezialschwämme sind besser, aber auch erheblich teurer und sie halten nicht sehr lange. Angeblich gibt es spezielle Sprays, mit denen man die Boards richtig sauber bekommt, aber die gibt’s an meiner Schule nicht. Je nach Tafel und verwendeten Stiften geht es manchmal auch nur mit Wasser und Papier, richtig sauber werden die Tafeln aber auch damit meistens nicht.
Nur auf einer normalen Tafel kann ich schön schreiben. Ich benutze Kreidehalter, wie man sie z.B. bei Le-Le bekommt:
Die dazugehörige Kreide ist zwar etwas teurer, bricht aber nicht so leicht, schreibt besser und hält länger. Durch den Kreidehalter bleiben die Hände sauber. Vor allem wenn man nervös ist und öfter im Gesicht rumfummelt, bekommt man mit normaler Kreide im Laufe der Stunde oft eine „Kriegsbemalung“, die für große Heiterkeit sorgt.
Kaum etwas ist lustiger für Schüler als wenn erst mal nichts weitergeht, weil keine Kreide mehr da ist (in den meisten Fällen wurde sie rechtzeitig vorher „entsorgt“). Dann trabt erst mal jemand los und braucht natürlich gaaaanz lange, bis er wieder zurückkommt. Aus diesem Grund habe ich stets meinen eigenen Kreidevorrat dabei. Ich nehme die Hülle einer (Audio-)Kassette, Gummi drum, damit sie nicht aus Versehen aufgeht und sich der Inhalt in der Tasche verteilt (alternativ kannst du eine Plastik- oder Blechdose nehmen):
Auf Whiteboards kann man m.E. einfach nicht schön schreiben. Solange die (teuren) Stifte noch ganz neu sind, geht es noch halbwegs, aber nach kürzester Zeit schmieren sie nur noch bzw. verblassen. Ein Physiklehrer hat mir mal erklärt, dass man wegen des zu geringen Reibungswiderstandes (?) auf Whiteboards grundsätzlich nicht so schön wie auf einer normalen Tafel schreiben könne. Solange ein Whiteboard zumindest Punkte oder angedeutete Linien hat, kann man noch halbwegs die „Zeilen halten“, wenn man aber eine komplett leere, weiße Fläche hat, ist es schwierig, halbwegs waagrecht zu schreiben. Tafelanschriebe sehen dann oft ziemlich „besoffen“ aus. Der Normalfall an meiner Schule ist, dass ca. vier Stifte auf dem Pult liegen. Man nimmt den erstbesten, fängt an zu schreiben, merkt, dass er nur noch schmiert bzw. zu blass ist, schmeißt ihn weg und wischt das Geschriebene wieder ab. Man nimmt den zweiten, …, den dritten … Man bittet die Kollegen nicht funktionsfähige Stifte doch bitte sofort zu entsorgen. In der nächsten Stunde liegen erneut drei Stifte auf dem Pult … Allein aus ökologischen Gründen (Müll, Kosten) halte ich Whiteboards für einen kompletten Quatsch. Meiner Meinung nach haben sie gegenüber guten, herkömmlichen Tafeln keinerlei Vorteile, im Gegenteil.
Auf einer richtigen Tafel habe ich erstens viel Platz und zweitens gibt die Tafel durch ihre Einteilung bereits eine bestimmte Struktur vor. Mein Tafelbild schaut immer gleich aus. Als erstes kommt auf die rechte Seitentafel oben die Hausaufgabe hin. Darunter kommt das lesson vocab, also alle Wörter, die im Lauf der Stunde anfallen. Auf die große Mitteltafel kommt natürlich der eigentliche Stundeninhalt. Wenn die Mitteltafel voll ist, geht’s auf der linken Seitentafel weiter. Unsere Whiteboards bestehen nur aus einer „Tafel“, d.h. ich muss Hausaufgabe und Lektionswortschatz immer irgendwo an den Rand quetschen.
Durch die seitlichen Klapptafeln bin ich sehr flexibel. Ich kann z.B. am Ende der Stunde die rechte Seitentafel mit dem Lektionswortschatz nach innen klappen und die Wörter wiederholen (Schüler schließen natürlich ihr Vokabelheft oder drehen ihr Blatt um). Neuen Grammtikstoff kann ich vor Beginn der Stunde auf die Rückseite schreiben und später, wenn es vom Ablauf her „passt“ nach vorne klappen. Bei Spielen können hinter jeder Seitentafel Schüler stehen und schreiben, zeichnen etc.
Vorausgesetzt die Tafel ist wirklich sauber, habe ich auf einer Tafel immer einen optimalen Kontrast. Natürlich gibt es gute, lichtstarke Beamer, aber selbst bei denen hat man bei viel Lichteinfall (ohne Vorhänge) Probleme etwas zu erkennen. Außerdem produzieren zumindest die Beamer an meiner Schule permanent ein leicht flackerndes Bild, was auf die Dauer sehr anstrengend ist.
Der wichtigste Grund ist für mich jedoch die didaktische Flexibiltät, die mir die Tafel bietet. Nur sie bietet mir echtes „work in progress“. Ich kann z.B. die Kritikfähigkeit meiner Schüler testen bzw. fördern, indem ich bei der Besprechung der Hausaufgabe (mit möglichst neutralem Gesichtsausdruck) erstmal völligen Unsinn an die Tafel schreibt. Schüler sind darauf konditioniert, widerspruchslos alles abzupinseln, was auf der Tafel erscheint. Nachdem alle Köpfe wieder oben sind, schaue ich erwartungsfroh in die Klasse und warte ab, ob es irgendwelche Kommentare gibt. Falls nicht, muss ich ein bisschen weiterschubsen: „Have a look at your notes. Did you write the same?“ usw. Wir fangen an zu diskutieren, ich wische die erste Fassung weg, schreibe eine zweite, ggf. auch nicht völlig richtige hin usw.
Nur die Tafel erlaubt es mir, Formulierungen bzw. Beiträge / Ideen von Schülern z.B. bei Interpretationen in das Tafelbild zu integrieren. Einem Schüler fällt z.B. im Verlauf der Stunde noch etwas zu einem bereits besprochenen Punkt ein. Ich kann seine gute(n) Idee(n) noch problemlos in das bereits vorhandene Tafelbild integrieren (vorausgesetzt ich schreibe nicht zu eng). Ein Schüler schlägt eine bessere / genauere Formulierung vor. Ich wische die alte weg und ersetze sie durch die neue. Egal, ob ich etwas über Dokumentenkamera oder PowerPoint „präsentiere“, es ist immer schon etwas „Fertiges“, nicht mehr Veränderbares. Natürlich könnte man theoretisch bei der Dokumentenkamera die Musterlösung handschriftlich verändern / ergänzen bzw. bei PowerPoint die „Folie“ bearbeiten, nur habe ich das noch nie erlebt. Durch diesen Charakter des „Fertigen / Unveränderbaren“ läuft der Unterricht nach meiner Erfahrung oft auf das bekannte „Was will der Lehrer hören?“ Spielchen hinaus. Natürlich kann das genauso mit einer herkömmlichen Tafel passieren, nur bietet die Tafel dem guten Lehrer im Gegensatz zum Beamer zumindest theoretisch die Möglichkeit es besser zu machen.
Anspielungen in der Überschrift: Schöner Wohnen und Königlich Tafeln. Natürlich kann man bei ‚Tafel(n)‘ auch an Mangel und Bedürftigkeit denken.
herr_mess
Ich stimme dir zu 100% zu. Trotz zunehmender Digitalisierung in meinem Unterricht ist die Tafel nach wie vor mein bevorzugtes Medium. Das dynamische Entwickeln von Tafelbildern im Dialog mit den Schülern geht nirgendwo so schön und eindrucksvoll von der Hand wie hier. Man kann den Gedanken beim „Wachsen“ geradezu zusehen. In der Hinsicht kann jede Powerpoint-Präsentation einpacken.
Auch die Whiteboards sehe ich ähnlich kritisch. Wir haben sogar die Luxus-Variante mit eingebautem Beamer, um alles „interaktiv“ zu machen. Allerdings wurden wir schon gewarnt, beim Schreiben die mittlere Tafel, die für die Beamerprojektion genutzt wird, mit den Markern zu beschreiben, weil man die Fläche damit beschädigen kann, sodass diese interaktiven Geschichten nicht mehr funktionieren. Super! Ein Whiteboard, das man nicht beschreiben darf.
Als Schmankerl der besonderen Art haben wir auch noch ePens zu den Whiteboards bekommen, die rein elektronisch funktionieren. Die sind der absolute Abschuss! Haptik wie aus der Hölle, Klang beim Schreiben wie ein Stöckelschuh auf Asphalt, regelmäßige Aussetzer beim Schreiben… Nach spätestens zwei Minuten will man die Dinger aus dem Fenster werfen. Meine Tafelanschriebe mit diesen Dingern sehen aus wie bei einem Vierjährigen, dem man zum ersten Mal Wachsmalkreide in die Hand gibt. Furchtbar…
Bartmann
Eine echte Tafel hat schon was Besonderes, vielleicht schon etwas Nostalgisches. An meiner Schule haben wir schon seit Jahren, bis auf die Musik- und Physikklassenzimmer, nur noch Whiteboards. Wenn man man als fachfremder Lehrer die Chance bekommt, an die echte Tafel zu schreiben, fühlt man sich wie in die „gute alte Zeit“ zurückversetzt.
Aber objektiv betrachtet sind Whiteboards nicht nur schlecht: Wenn alles organisatorische „Drumrum“ passt, können viele Nachteile zur Kreidetafel ausgeglichen werden.
Zum Thema Sauberkeit: Der mitgelieferte Tafel-Trockenschwamm ist tatsächlich ein Witz. Mit einem Mikrofasertuch und einem sanften Haushaltsreiniger, wird die Tafel wieder blitzblank. Die Oberfläche wird dadurch nicht angegriffen. Alle Utensilien bekommen wir von der Schule gestellt. Das machen wir jetzt schon seit Jahren und funktioniert perfekt. Zum Thema Haptik und Schrift: Mit Kreide ist meine Tafelschrift etwas „zackiger“, mit Whiteboardstiften eher fließend rund. Beide Handschriften würde ich als durchaus präsentabel beschreiben. Ich kann nicht behaupten, dass man an einem Whiteboard eine schlechtere Handschrift hat.
Ein weiterer Punkt ist das Thema Kreide gegen Stift. Ich habe keine Argumente oder Belege parat, aber ich befürchte, dass der carbon-footprint von Whiteboardstiften und Kreide nicht zu weit auseinander liegt. Das kennen wir ja schon von der Plastiktüte oder dem Tetrapack im Vergleich zur Papiertüte oder der Glasflasche. Zudem werden bei uns die leergeschriebenen Stifte in extra aufgestellte Sammelbehälter geworfen und wieder recycled. Gleich neben den Sammelbehältern stehen in Körben kostenlose Ersatzstifte für Lehrer zur Verfügung. Deswegen kenne ich das Problem der leeren Whiteboardstifte nicht.
Was ich persönlich als deutlich besser empfinde, ist die Sauberkeit der Finger beim Schreiben mit Whiteboardstiften. Handewaschen und Eincremen war früher spätestens nach zwei, drei Unterrichtsstunden Pflicht. Das hat jetzt ein Ende.
Mein Hauptargument ist, dass ich in fast jeder Unterrichtsstunde entweder mein Tablet oder den Schulrechner benutze. Die Kombination aus Kreidefingern, Kreidestaub, feucht-muffeligem Schwamm und Touch-Oberfläche, bzw. Computertastatur empfinde ich als unangenehm und unhygienisch. Deshalb habe ich mich mit den Whiteboards in Zwischenzeit gut angefreundet. Ich bin kein Verfechter des „Endes der Kreidezeit“, wie sie an manchen Privatschulen im Schulmotto steht, denke aber, dass bei der Diskussion immer eine gehörige Portion Wehmut und Nostalgie mitschwingt.
Jochen
> Mit einem Mikrofasertuch und einem sanften Haushaltsreiniger, wird die Tafel wieder blitzblank.
Gut zu wissen. Werde ich gleich mal vorschlagen.
> Zudem werden bei uns die leergeschriebenen Stifte in extra aufgestellte Sammelbehälter geworfen und wieder recycled.
Das ist natürlich was anderes. Gute Idee!
> Was ich persönlich als deutlich besser empfinde, ist die Sauberkeit der Finger beim Schreiben mit Whiteboardstiften.
Wenn man keinen Kreidehalter benutzt, trifft dieses Argument zu.