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PISA 2015

Mai 2015, Mün­chen (dpa) – Nach dem kata­stro­pha­len Abschnei­den baye­ri­scher Schü­ler  vor allem in Eng­lisch ver­sprach Kul­tus­mi­nis­ter Spaen­le „bru­talst­mög­li­che Auf­klä­rung“, bei der es „kei­ne Tabus“ geben dür­fe. Eine Exper­ten­kom­mis­si­on soll her­aus­fin­den, was in den ver­gan­ge­nen Jah­ren falsch gelau­fen sei und ent­spre­chen­de Reform­vor­schlä­ge erarbeiten.

Um die­ser Kom­mis­si­on die Arbeit ein biss­chen zu erleich­tern, lis­te ich im Fol­gen­den mal stich­wort­ar­tig die m.E. wich­tigs­ten Grün­de für die­sen Nie­der­gang auf. Vie­le Grün­de haben mit der all­ge­mei­nen Schul­po­li­tik zu tun, ande­re spe­zi­ell mit Englisch.

  • Der Beginn des Abstiegs lässt sich genau auf die über­has­te­te Ein­füh­rung des G8 zurück­füh­ren. Wäh­rend bis dahin baye­ri­sche Bil­dungs­po­li­tik beson­nen und bere­chen­bar war, ent­wi­ckel­te sich in kür­zes­ter Zeit ein wil­der poli­tisch-päd­ago­gi­scher Aktio­nis­mus und Populismus.
  • Obwohl im Unter­richt immer mehr geleis­tet wer­den soll­te, wur­den Stun­den gekürzt und damit die Kon­takt­zeit mit der Fremd­spra­che reduziert.
  • Durch von oben „emp­foh­le­nes“ exzes­si­ves Vor­rü­cken auf Pro­be wur­den immer mehr hoff­nungs­los über­for­der­te Schü­ler wei­ter­ge­scho­ben, die im nächs­ten Jahr den Leis­tungs­stan­dard wei­ter senkten.
  • Da das Wie­der­ho­len einer Klas­se über­ein­stim­mend als „päd­ago­gisch wert­los“ galt, waren die Leh­rer ange­hal­ten, die betref­fen­den Schü­ler solan­ge inten­siv „indi­vi­du­ell zu för­dern“ bis sie die gewünsch­ten Noten hatten.
  • Durch ent­spre­chen­de Noten-Vor­ga­ben der Schul­lei­tung wur­den immer bes­se­re Schnit­te erzielt, obwohl die Leis­tun­gen eigent­lich immer schlech­ter wur­den. Natür­lich woll­te die Schul­lei­tung nur „infor­miert“ wer­den, wenn ein „gro­ßer Leis­tungs­nach­weis“ schlech­ter als 4,0 / 3,9 / 3,8 … aus­ge­fal­len war, aber spä­tes­tens wenn ein Leh­rer sich zum wie­der­hol­ten Male fra­gen las­sen muss­te, ob er sei­ne Schü­ler denn auch wirk­lich „opti­mal“ auf die Klau­sur vor­be­rei­tet habe, waren sei­ne Schnit­te beim nächs­ten Mal wun­der­ba­rer­wei­se besser.
  • Da auch münd­li­che Noten über Schul­soft­ware­platt­for­men und ‑por­ta­le leicht kon­trol­lier­bar wur­den, wur­den auch für die münd­li­chen Noten „Emp­feh­lun­gen“ aus­ge­spro­chen und die Bedeu­tung guter Noten als „Moti­va­ti­ons­ver­stär­ker“ betont.
  • „Nicht-ange­kün­dig­te klei­ne Leis­tungs­er­he­bun­gen“ wur­den als „unpäd­ago­gisch“ abgeschafft.
  • Schrift­li­che Haus­auf­ga­ben wur­den als „päd­ago­gisch unsin­nig und über­flüs­sig“ abgeschafft.
  • Nicht ange­kün­dig­tes münd­li­ches Aus­fra­gen wur­de als „päd­ago­gisch kon­tra­pro­duk­tiv“ und „unmensch­li­cher Leis­tungs­druck“ abgeschafft.
  • Sprach­li­ches Kön­nen und Wis­sen durf­te in Ober­stu­fen­klau­su­ren nicht mehr abge­prüft wer­den. Prü­fungs­for­ma­te hat­ten sich an den Auf­ga­ben­for­men des Abiturs zu ori­en­tie­ren. Schü­ler sahen kei­ne Not­wen­dig­keit mehr Wort­schatz und Gram­ma­tik zu ler­nen bzw. wiederholen.
  • „Stra­te­gie und Inter­ak­ti­on“ wur­de (z.B. in der münd­li­chen Abitur­prü­fung) wich­ti­ger als sprach­li­che Kor­rekt­heit und inhalt­li­che Substanz.
  • Die Ein­füh­rung des zwei­spra­chi­gen Lexi­kons führ­te dazu, dass in der Ober­stu­fe noch weni­ger Wör­ter als frü­her gelernt wur­den („Ich kann ja jedes Wort im Lexi­kon nachschlagen“).
  • Durch die ver­pflich­ten­de Ein­füh­rung eines „Klau­sur­wör­ter­buchs“ ohne Exam Trai­ner und CD-ROM gab es für Schü­ler kei­ne Mög­lich­keit mehr zeit­ge­mäß am PC mit einem Lexi­kon zu arbeiten.
  • Allen wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­se zum Trotz wur­de die deut­sche Mut­ter­spra­che prak­tisch aus dem Fremd­spra­chen­un­ter­richt verbannt.
  • Auf­grund des päd­ago­gi­schen Zeit­geis­tes (der wis­sen­schaft­lich schon längst wider­legt war) wur­de die Rol­le des Leh­rers per­ma­nent geschwächt. Gera­de jün­ge­re Kol­le­gen trau­ten sich oft schon über­haupt nicht mehr nor­mal zu unter­rich­ten. Ent­we­der wur­de ein absur­der Metho­den­fe­ti­schis­mus zele­briert oder der „ehe­mals Unter­rich­ten­de“ redu­zier­te sich frei­wil­lig auf die Rol­le eines Mode­ra­tors und „Initia­tors von Lernprozessen“.

Okto­ber 2015, Mün­chen (dpa) – Das baye­ri­sche Kul­tus­mi­nis­te­ri­um hat erklärt, das angeb­lich schlech­te Abschnei­den baye­ri­scher Schü­ler beim letz­ten PISA Test sei auf „wenig aus­sa­ge­kräf­ti­ge Mess­me­tho­den“ und „unzu­läs­si­ge Schluss­fol­ge­run­gen“ zurück­zu­füh­ren. Bay­ern wer­de auch wei­ter­hin an sei­ner „inno­va­ti­ons­freu­di­gen“ Bil­dungs­po­li­tik fest­hal­ten. Minis­ter Spaen­le ver­sprach eine neue „Exzel­lenz­in­itia­ti­ve“.

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  1. Itch Mite

    Abso­lut ver­pönt, weil men­schen­ver­ach­tend, sind auch „Fang­schuss­fra­gen“ im Unter­richt. „Fangschussfrage“=Abgelenkten Schü­ler befra­gen, der sich nicht gemel­det hat.
    Der Schü­ler ist des­we­gen abge­lenkt, weil der Unter­richt schlecht ist. Schuld ist immer wer? Aha!

  2. Susann

    Ich glau­be halt, die Order von Oben „führt mög­lichst vie­le Schü­ler zum Abitur“, „kürzt ein Jahr raus“ und „hal­tet das Niveau von G9, mög­lichst Leis­tungs­kurs“ schlie­ßen ein­an­der aus. So zu tun, als könn­te man alle drei gleich­zei­tig erfül­len, setzt eine gewis­se Blau­äu­gig­keit vor­aus. Soll­te gele­gent­lich mal Wider­spruch der Leh­rer­schaft auf­tau­chen, wen­det man sich an die Medi­en und lässt furcht­bar ver­letzt klin­gen­de Arti­kel schrei­ben („Minis­te­ri­um lehnt unan­ge­kün­dig­te Exen ab – aber die Leh­rer machen trotz­dem wei­ter!!!!!“, war unlängst in der Süddeutschen).

    • Philipp

      Die­ser Arti­kel über die Exen war inhalt­lich tat­säch­lich der größ­te Schwach­sinn, den ich in letz­ter Zeit gele­sen habe. Ist aber wohl – gott­sei­dank – nicht online. Im Ver­gleich dazu zeugt das KMS vom August 2011 von abso­lu­ter Weisheit. 😉

      • Susann

        Ja, nicht wahr? War­um die SZ da nicht nach­fragt – „War­um ord­nen Sie dann nicht an, dass nur mehr ange­kün­dig­te Exen geschrie­ben wer­den dür­fen, sind Sie der Minis­ter oder nicht?“ – ist mir nicht klar. Als wür­den Leh­rer aus purer Bös­wil­lig­keit Exen schrei­ben lassen!

  3. Philipp

    Stt­im­me dir voll­kom­men zu. Haupt­grund: man gibt sich im Minis­te­ri­um (sogar offi­zi­ell) mit einem gerin­ge­ren Niveau als im G9 zufrie­den. G8 Abitur ent­spricht etwa Grund­kurs-Niveau im G9. Außer­dem scheint man ja zu wol­len, dass immer mehr S Abitur machen – da muss man halt beim Niveau Abstri­che machen. Beson­ders kri­tisch fin­de ich per­sön­lich das mit der Mut­ter­spra­che. Wie pro­ble­ma­tisch das sein kann, wenn Mut­ter­sprach­ler (der Fremd­spra­che) den Anfangs­un­ter­richt machen, zeigt sich mit­un­ter bei uns.

  4. Peter

    Schö­ne Liste. 😉

    Noch ein paar Ergänzungen:

    - Nach­dem Schü­ler ja aus frei­en Stü­cken und intrin­sisch moti­viert ler­nen sol­len (juhu, heu­te ler­nen wir das pre­sent per­fect, das woll­te ich immer schon mal kön­nen…) wur­de ein Kli­ma geschaf­fen, in dem Leh­rer, die mit dis­zi­pli­na­ri­schen Maß­nah­men für ein ange­neh­mes Arbeits­kli­ma sor­gen wol­len, damit zu rech­nen haben, von den Eltern einen Anschiss dafür zu bekom­men; auf Wunsch erhält man von der Schul­lei­tung kei­ner­lei Unter­stüt­zung, wenn man „Glück“ hat, bekommt man von der Schul­lei­tung noch­mal einen für sein „päd­ago­gi­sches Ver­sa­gen“ oder die Ord­nungs­maß­nah­me wird gleich zurückgenommen.

    - Trotz der ange­spro­che­nen Stun­den­kür­zun­gen wird gera­de von Leh­rern an Ober­schu­len immer mehr Erzie­hungs­ar­beit erwar­tet und auch geleis­tet; Neben dem kor­rek­ten Satz­bau eines eng­li­schen Sat­zes ist es auch obers­te Auf­ga­be der Lehr­kraft, den Schü­le­rin­nen und Schü­lern bei­zu­brin­gen, war­um es lang­fris­tig kon­tra­pro­duk­tiv ist, auch in der All­ge­mein­heit gehö­ren­den Räum­lich­kei­ten die Müll­ent­sor­gung auf den Abfall­ei­mer zu beschrän­ken, war­um es wich­tig ist (und dass es tat­säch­lich mög­lich ist!) für einen län­ge­ren Zeit­raum als 15 Sekun­den ein­fach nur ande­ren zuzu­hö­ren und sel­ber ein­fach mal nichts zu sagen, und dass es ziem­lich ver­werf­lich ist, dem Bank­nach­barn etwas zu klau­en, die­sen mit dem Zir­kel zu ste­chen, ihm sei­nen Müll in den Ruck­sack zu stop­fen. Die­se Erzie­hungs­ar­beit nimmt Zeit in Anspruch, die dann beim Spra­chen­ler­nen fehlt.

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