Wenn man sich einschlägige Seiten zum Tango-DJing anschaut, bekommt man den Eindruck, dass alles fürchterlich kompliziert und teuer ist, weil man spezielle Software und technische Ausrüstung braucht. Im folgenden Beitrag möchte ich dir zeigen, dass DJing aber auch ganz einfach und, was die (Windows-) Software betrifft, völlig kostenlos sein kann.
Vorher allerdings zwei wichtige Einschränkungen: Erstens bin ich Neo-DJ und kann deshalb nicht beurteilen, ob mein im Folgenden beschriebenes System auch für traditionelle Musik passt und zweitens arbeite ich mit fertigen Playlisten, d.h. ich stelle meine Tandas NICHT „spontan“ während der Milonga zusammen und muss deshalb z.B. auch nicht „vorhören“, was ich als nächstes spielen möchte. Um das Folgende zu verstehen, solltest du meinen Beitrag über Tandas, Cortinas & Playlisten gelesen haben.
Inhalt
iTunes vs. MusicBee
Für die Verwaltung und zum Abspielen meiner Musik benutze ich das kostenlose iTunes. Wenn du allerdings gerade erst am Beginn deiner DJ Karriere stehst, rate ich dir von iTunes ab und empfehle dir stattdessen MusicBee (MB). MB kann alles, was iTunes kann, ist aber deutlich stabiler, schneller und längst nicht so aufgebläht und fehlerbehaftet wie iTunes. Wenn du schon mit iTunes gearbeitet hast, gestaltet sich der Umzug zu MB normalerweise völlig problemlos. Alle Playlisten und die darin enthaltenen Daten werden meist komplett erkannt und in MB importiert.
Falls nicht anders beschrieben, funktionieren alle im Folgenden beschriebenen Befehle durch RECHTSklick auf die entsprechenden Tracks.
MP3 Dateiformat
Ich arbeite ausschließlich mit MP3 Dateien. Dieses Format ermöglicht einfaches Bearbeiten (z.B. Ein- und Ausblenden) und das „Normalisieren“ (= Anpassen) der Lautstärke (dazu weiter unten mehr).
Der ganze „Experten“-Streit über lossless (verlustfreie) Dateiformate wie WAV, FLAC etc. und lossy (qualitativ minderwertige) Formate wie MP3 interessiert mich nicht, weil er in der Realität einer Milonga m.E. überhaupt keine Rolle spielt.
CDs importiere ich mit „höherer“ Qualität: Bearbeiten > Einstellungen > Allgemein > Importeinstellungen … > Importieren mit MP3-Codierer / Einstellung: Höhere Qualität.
Gekaufte Dateien wandele ich entsprechend mit Datei > Konvertieren > MP3-Version erstellen um.
Ich benutze auch kein extra Mischpult oder sonstigen Schnickschnack, nicht mal eine besondere Soundkarte, sondern ein ganz simples HP Notebook mit einer Standard Realtek Soundkarte.
Playlisten
Bei iTunes gibt es zwei verschiedene Arten von Playlisten: Normale (= „händisch“ erstellte) und „intelligente“ (= automatisch erstellte) Playlisten (Datei > Neu > Playlist bzw. Intelligente Playlist).
Ich arbeite mit drei verschiedenen Arten von Playlisten:
Alle Playlisten bei „1. Tandas“ sind normale Playlisten, in denen ich fertige Tandas sammele, um sie irgendwann in einer „richtigen“ (Milonga-) Playlist zu verwenden.
Alle Playlisten bei „2. Musik“ sind „intelligente“ Playlisten (erkennbar am Zahnrad-Symbol), hier erscheinen automatisch alle Stücke, die einem bestimmten Genre zugeordnet sind.
Bei „3. Playlist“ beginnen die „richtigen“, fertigen Playlisten für meine Milongas.
Intelligente Playlisten für das Genre
Eine grundsätzliche Entscheidung zu Beginn des DJing ist, wie „fein“ bzw. „grob“ du deine Musik erfassen bzw. „taggen“ möchtest. Je feiner/detaillierter du kategorisierst, umso leichter tust du dich beim Zusammenstellen harmonischer Tandas, desto mehr Arbeit hast du aber. Umgekehrt hast du weniger Arbeit, wenn du nur grob kategorisierst, brauchst dann aber ggf. mehr Zeit um zueinander passende Stücke zu finden.
Nach einer Phase des Herumexperimentierens habe ich mich für ein sehr grobes Kategorisieren entschieden:
Ich „beschreibe“ meine Musik ausschließlich über das Feld Genre bei den Titelinformationen.
„Electro“ beschreibt die Musik z.B. von Gotan Project, Bajafondo Tango Club, Tanghetto usw.
„Sentimental“ ist mein Label für langsame und „romantische“ Musik z.B. von Sam Smith, Adele oder Leonhard Cohen und gefühlvolle Klavier- oder Cello-Musik.
„Vivo“ verwende ich für alle lebhaften, „fetzigen“ Stücke.
Trad. Milonga (Tradilonga), Trad. Tango (Tratango) und Trad. Vals (Tradals) sind selbsterklärend.
Alles Andere landet bei „Tango“ bzw. „Vals“.
Hier als Beispiel die Einstellungen für die Playlist „Trad. Tango“:
Sobald ein Stück mit „Tradango“ getaggt/kategorisiert wurde, landet es automatisch in der Playlist „Trad. Tango“. Die Sortierung nach Künstler sorgt dafür, dass ich auf einen Blick sehe, welchen anderen Stücke ich von diesem Künstler bzw. dieser Gruppe bereits habe. Angenommen ich entdecke einen schönen Tango vom Solo Tango Orchestra, tagge ihn mit „Tradango“, dann erscheint er sofort in der „Trad. Tango“ Playlist zusammen mit allen anderen Stücken dieses Orchesters.
Playlisten für Tandas
Sobald ich drei Stücke zu einer Tanda zusammengestellt habe, kopiere ich sie in die entsprechende Playlist mit Zur Playlist hinzufügen:
Die Playlist „Besonders“ ist für Tandas, die ich für bestimmte Gelegenheiten wie Weihnachten oder Fasching brauche. Auch „besondere“ Tandas mit unregelmäßigen Valses (wie Golden Brown), 5/8 Valses (wie Evening Glory) oder einem vertracktem 5/4 Takt (wie Take Five) landen hier.
In die Playlist „Wünsche“ kommen die Musikwünsche von Teilnehmern. In diese Playlist wechsele ich vor der Begrüßung bzw. den Ansagen. In dieser Playlist befindet sich auch immer eine Vals-Tanda für einen spontanen Geburtstags-Vals.
Hier die Tanda-Playlist „Vals“:

Damit das Ganze übersichtlich bleibt, kommt nach jeder Tanda immer eine Cortina, bei der das Feld für Künstler und Genre leer bleibt.
Playlisten für Milongas
Wenn ich auf diese Art genügend Tandas vorbereitet habe, erstelle ich die „richtigen“ Playlisten für meine Milongas.
Natürlich kann bzw. will man nicht ständig nur völlig „neue“ Musik spielen. Dein Publikum möchte (zu Recht) immer wieder auch zu „alten“ und bekannten Stücken tanzen. Um eine bereits vorhandene Playlist erneut mit ein paar neuen Tandas zu verwenden, erstellst du mit Duplizieren eine Kopie. Durch Doppelklick auf die neue Playlist kannst du ihr einen neuen Namen geben.
Um zu erkennen welche Tandas „alt“ und welche „neu“ sind, verwende ich Favorit:

Die Plaza Francia Orchestra Tanda ist neu hinzugekommen, die beiden anderen Tandas stammen aus einer bereits vorhandenen Playlist. Sobald die Playlist fertig ist, blende ich die Spalte Favorit wieder aus.
Nicht immer kann ich gleich auf Anhieb ein neues Stück mit zwei anderen zu einer Tanda zusammenstellen. Um auf einen Blick zu erkennen, ob ich ein Stück bereits in einer Tanda verwendet habe, benutze ich Wertung. Sobald ich eine neue Tanda zusammengestellt habe, werden die drei Stücke mit drei Sternen gekennzeichnet (die Zahl der Sterne ist völlig beliebig, du kannst auch einen oder alle fünf nehmen).
Nehmen wir an, ich habe Shallow als neues Stück, so eine romantische Ballade kommt natürlich zu „Sentimental“. Mir fallen aber gerade keine zwei weiteren passenden Stücke ein, also mache ich erstmal gar nichts. Irgendwann möchte ich aber wissen, welche „sentimentalen“ Stücke ich noch nicht in einer Tanda verwendet habe. Ich gehe zur Playlist, klicke oben auf den Spaltenkopf „Wertung“ und bekomme alle noch nicht „tandaisierten“ Stücke angezeigt:

Vielleicht passt ja Adeles Hello ganz gut zu diesem Stück. Ich möchte allerdings verhindern, dass ich dieses Stück erst vor kurzem gespielt habe bzw. demnächst spielen werden. Also schaue ich In Playlist anzeigen nach, in welcher Playlist ich dieses Stück bereits verwendet habe.
Lautstärke mit wxMP3Gain „normalisieren“
Zwar hat iTunes eine Funktion Lautstärke anpassen (bei Bearbeiten > Einstellungen > Wiedergabe), das Ergebnis ist aber häufig unbefriedigend (MB macht das deutlich besser). Da es sehr nervig ist, wenn Stücke unterschiedliche Lautstärke haben und man ständig nachregeln muss (vor allem, wenn man selber tanzen möchte), „normalisiere“ ich neue Tracks bevor ich sie in iTunes importiere, d.h. ich stelle sie auf (ungefähr) die gleiche Lautstärke ein. Dazu verwende ich das kostenlose wxMP3Gain. Das Tool ist ganz einfach zu bedienen: Die gewünschten Dateien in das Programm laden, auf das grüne Häkchen Eingangsverstärkung (Gain) klicken, mit OK bestätigen – fertig.
Dateien mit Audacity bearbeiten
Für das Bearbeiten von MP3 Dateien nehme ich das ebenfalls kostenlose Audacity. Dateien bearbeite ich aus verschiedenen Gründen:
Vor und nach jedem Stück möchte ich 2–3 Sekunden Pause haben. Ich mag es nicht, wenn Stück ohne Pause aufeinander folgen. Gerade bei Stücken, die kein „markantes“ Ende haben, weiß man als Tänzer dann oft nicht, ob das jetzt schon das neue Stück ist oder noch das Ende des vorherigen. Das Ganze geht mit Erzeugen > Stille, bei Dauer die gewünschte Zahl an Sekunden eingeben und bestätigen. Das ist m.E. viel einfacher, als zwischen Stücken immer ein eigenes Stück mit ein paar Sekunden Stille zu spielen.
Bei Live-Aufnahmen schneide ich oft den Applaus vor und nach dem Stück bzw. Ansagen weg und blende später ein bzw. früher aus. Zum Entfernen z.B. von Applaus die entsprechende Passage markieren und Bearbeiten > Ausschneiden bzw. Strg + X . Zum Ein- bzw. Ausblenden wieder die gewünschte Passage markieren und Effekt > Einblenden bzw. Ausblenden.
Drittens kürze ich sehr bzw. zu lange Stücke. Paris, Texas ist ein tolles Stück, aber mit 6:46 ist mir einfach zu lang. Ich suche mir also irgendwo zwischen vier und fünf Minuten eine Stelle, wo ich gut „rausgehen“ kann.
Viertens verwende ich die ersten ca. 25 Sekunden von geeigneten Stücken (wie diesem hier) für meine Cortinas. Nach dem Ausblenden kommen noch ca. 5 Sekunden Stille (mit Strg + L).
Irgendwas unklar? Irgendwelche Fragen? Schreib einfach eine Kommentar oder mailde dich.
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